Reinfelder Bürger entfernen bei einer Putzaktion Neonazi-Aufkleber und radikale Schmierereien

Reinfeld. Mit Schaber, Sprühflasche und Trittleiter gegen die rechte Aufkleberflut: Rund fünfzig Stormarner haben sich Sonnabendvormittag zur Putzaktion unter dem Motto "Zivilcourage gegen rechts" am Reinfelder Bahnhof getroffen. Der eine oder andere brachte neben Putzzeug auch noch eine ordentliche Portion Wut im Bauch mit: "Mir geht es auf die Nerven, dass sich so viele von diesen Dumpfbacken beeindrucken lassen" schimpfte ein Reinfelder. Auch die 17-jährige Franziska Truberg war mit ihren Freunden zum Bahnhof gekommen, um die Karpfenstadt von propagandistischen Aufklebern zu befreien. "Ich habe keine Lust mehr zuzusehen, wie in Reinfeld alles mit Naziparolen dicht geklebt wird", sagte Franziska.

Die Idee zu dieser Putzaktion ist während eines Treffens des kriminalpräventiven Rates entstanden. Dieses Bündnis aus Mitgliedern der Reinfelder Stadtverordnetenversammlung, engagierten Bürgern, der Polizei und Sportvereinen wurde im letzten Jahr gegründet, um etwas gegen zunehmende rechtsradikale Tendenzen in Reinfeld zu unternehmen.

Dem Aufruf zu der Aktion am Sonnabend ist eine bunte, fraktions- und generationsübergreifende Mischung gefolgt. Auch die Deutsche Bahn ließe Schmierereien an den Bahnhofswänden entfernen. Senioren, Kommunalpolitiker, junge Antifa-Aktivisten und Familien machten sich vom Bahnhof aus hochmotiviert in kleinen Gruppen auf den Weg - unter anderem in die Carl-Harz-Straße, den Bischofsteicher Weg, den Zuschlag und zur Skateranlage am Herrenteich. Denn an diesen Orten in der Kommune klebten Sticker mit rechtem Gedankengut. Die Aufkleber pappten auf Stromkästen, Verkehrsschildern und Bushaltestellen.

"Umweltschutz ist Heimatschutz", "Reinfeld ist unsere Stadt" oder "Todesstrafe für Kinderschänder" - nicht immer ist auf den ersten Blick erkennbar, dass es sich hier um Aufkleber des rechtsradikalen Bündnisses "Autonome Nationalisten Stormarn" handelt. Das ist auch beabsichtigt: Dumpfe Parolen wie "Ausländer raus!" und die klassische Nazi-Optik mit Glatze und Springerstiefeln wirken auf junge Leute, die die rechte Szene für sich gewinnen möchte, mittlerweile eher abstoßend. Also setzen rechtsradikale Gruppierungen zur Rekrutierung ihres Nachwuchses auf subtilere Strategien - unter anderem, indem sie sich gesellschaftsfähigere Themen wie beispielsweise den Umweltschutz auf die Fahne schreiben.

Die Sticker erfüllen jedoch noch einen anderen Zweck. "Mit diesen Aufklebern soll eine Bedrohungskulisse geschaffen werden - nach dem Motto: Wir sind hier, die Stadt gehört uns", sagte Hendrik Holtz aus Zarpen, während er einen Aufkleber von einem Stromkasten in Bahnhofsnähe abkratzte. Hendrik Holtz ist Kreistagsmitglied der Linken-Fraktion und engagiert sich im kriminalpräventiven Rat der Stadt Reinfeld. Seiner Meinung nach haben sich die Aktivitäten innerhalb der rechten Szene in Stormarn in den letzten Jahren sehr verändert. "Die Rechten treffen sich eher aktionsgebunden. Sie ziehen an bestimmten Tagen gezielter los, um Aufkleber anzubringen oder sich auf Demos zu treffen", sagt Holtz. Dass betrunkene Neonazis pauschal Leute anpöbeln, sei auch seltener geworden. "Heute werden eher einzelne Opfer ausgewählt und gezielt bedroht - und dafür brauchen sie gar nicht mal in der linken Szene aktiv zu sein" so Holtz.

Die Putzaktion fand der Zarpener gut. Es sei wichtig, dass die Stadt erkannt hat, dass in Reinfeld etwas gegen rechtsextreme Tendenzen getan werden muss. Für Holtz könne das Engagement jedoch noch weiter gehen, er hält noch mehr Aufklärungsarbeit für sinnvoll. "Man könnte zum Beispiel Zeitzeugen aus der Ära des Nationalsozialismus in die Schulen einladen", schlug er vor.

Die Reinfelder Jochen Gehrke und Heinz Hartmann schrubbten die Bushaltestelle am Reinfelder Bahnhof und schabten Aufkleber mit der Parole "Gegen Chaoten!" von den Glasscheiben. "Ich finde toll, dass sich die Stadt gegen die braune Pest wehrt", sagte Hartmann, Mitglied der SPD-Kreistagsfraktion. Er würde es gut finden, wenn die Polizei häufiger in Reinfeld Streife fahren würde, vor allem in der Nähe des Bahnhofs; einem der wohl beliebtesten Treffpunkte für rechtsgesinnte und potenziell gewaltbereite Jugendliche in Reinfeld. Der Reinfelder Jochen Gehrke würde es begrüßen, wenn der Bahnhof wieder kameraüberwacht würde.

Für den Reinfelder Bürgervorsteher Hans-Peter Lippardt (CDU) war die Putzaktion am Sonnabend weit mehr als nur die Reinigung von Straßenschildern und Stromkästen. "Wir wollten die Reinfelder Bürger vor allem aufrütteln", so Lippardt. "Und wir wollten sie mit der Aktion ermahnen, rechtem Gedankengut gegenüber wachsam zu sein." Und obwohl einige Teilnehmer der Putzaktion befürchteten, dass Reinfeld in einigen Tagen wieder mit rechtsradikalen Aufklebern zugepflastert sein wird, bleibt Lippardt gelassen: "Dann putzen wir eben noch einmal."