Der Staat muss die Bürger vor Jugendgewalt schützen, sagt der Polizei-Gewerkschafter

Unsere Kollegen auf den Dienststellen im Lande, in den Jugendkommissariaten oder Einsatzgruppen Jugend versuchen, zusammen mit vielen anderen Institutionen, sich des Themas jugendliche Intensivtäter anzunehmen und stoßen immer wieder an ihre Grenzen. Uns ist dabei klar, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches, nicht polizeiintern zu lösendes Thema handelt.

Gewaltdelikte gehen sehr häufig auf das Konto junger Leute, so lag der Anteil der unter 21-jährigen bei gefährlichen und schweren Körperverletzungen auf Straßen, Wegen oder Plätzen und in öffentlichen Verkehrsmitteln im Jahr 2010 in Schleswig-Holstein bei 51,8 Prozent, bei sonstigen Raubüberfällen auf Straßen, Wegen oder Plätzen im öffentlichen Verkehrsraum sogar bei 72,1 Prozent. Obwohl der Anteil der unter 21-jährigen Tatverdächtigen im letzten Jahr leicht rückläufig war, gab es immer noch 22 000 Tatverdächtige, die jünger als 21 Jahre alt waren, also einem Anteil von insgesamt 27,5 Prozent.

Die Definition von Intensivtätern ist durch Erlass geregelt, in der Praxis gab es aber landesweit völlig unterschiedliche Einstufungsmodalitäten - der Einzelfall wurde prognostisch betrachtet. Insofern fällt es schwer, Intensivtäterzahlen zu benennen.

Statistiken gehen davon aus, dass die Intensivtäterzahlen von 2004 bis 2009 von 164 auf insgesamt 945 in Schleswig-Holstein angestiegen sind. Die Zahlen dürften im Sinne der vorgegebenen rechtlichen Definition wohl eher noch höher liegen. Aktuelles Zahlenmaterial ist zurzeit nicht zu erhalten, da die rechtlichen Grundlagen überarbeitet werden.

Unsere Kollegen entwickeln häufig ein sehr gutes Verhältnis zu jugendlichen Tätern. Sie sehen leider aber auch sehr häufig kommende Straftaten und Gefahren ihrer "Schützlinge" vorher. Kinder und Jugendliche wissen häufig sehr genau, dass sie keine ernsthaften Konsequenzen zu befürchten haben, obwohl sie sich gerade die manchmal zu wünschen scheinen. Für unsere Kolleginnen und Kollegen wirkt es deprimierend, erkennen zu müssen, was kommt und doch nicht zu verhindern ist! "Als Beamter verspürte ich erneut die Überlegenheit des Jungen gegenüber den Behörden und unserem Rechtsstaat."

Viele Menschen leiden unter dem Verhalten von Intensivtätern und fühlen sich hilflos; im Extremfall flüchten sie, sie ziehen weg und verlieren das Vertrauen in Staat und Polizei.

Bundesweit werden immer wieder extreme Fälle von gewalttätigen Übergriffen, teilweise mit tödlichen Folgen, und häufig von bekannten Intensivtätern auf zufällige Opfer, in der Presse dargestellt. Das macht Angst!

Die Politik hat in Schleswig-Holstein eine sogenannte Jugend-Task-Force eingerichtet. Es wird dadurch Handlungsnotwendigkeit und Handlungsbereitschaft signalisiert.

Ist der Staat noch handlungsfähig? Ich glaube: ja. Wir müssen aber sehr aufpassen, dass er es bleibt. Dazu bedarf es vieler gemeinsamer Anstrengungen und Überlegungen und einer enttabuisierten Diskussion. Es wäre fatal, wenn sich der Staat auf resignierende Polizisten verlassen müsste, es wäre fatal, wenn Polizei, Justiz, Jugendämter, Schulen und viele mehr gegenseitig mit dem Finger auf sich zeigen. Schwarzweißdenken ist nicht zielführend!

Die Bürger dürfen sich nicht durch Angst und Furcht leiten lassen. Zudem müssen sie spüren, dass der Staat handelt und sie schützt! Ein schlechtes subjektives Sicherheitsgefühl gefährdet auf Dauer unsere tatsächliche Sicherheit und unseren Staat.

Diejenigen, die sagen, "Wegschließen" ist in der Regel kontraproduktiv haben vielleicht genauso recht wie diejenigen, die darstellen, dass es immer wieder extreme Einzelfälle gibt, in denen eine geschlossene Heimunterbringung den Tätern und Opfern helfen könnte. Sind Bewährung, Kettenbewährungen und Warnschussarrest tatsächlich Gegensätze oder können sie sich nicht gegenseitig ergänzen? Sind der Schutz der Gesellschaft und der Erziehungsgedanke im Jugendstrafrecht Gegensätze oder sollten sie sich nicht viel mehr gegenseitig stützen?

Die Politik sollte den Mut haben, dieses zu erkennen. Dann wird es gelingen können, Vertrauen in unseren Staat und dessen Handlungsfähigkeit zu sichern.