Oststeinbek will den Kindergarten in Havighorst erweitern. Drei Familien verlieren deshalb ihre Wohnungen

Oststeinbek. Kopfschüttelnd sitzt Ralf Thormählen über einem Aktenordner. Mehrere Schriftstücke liegen auf dem Küchentisch verteilt. Schreiben an die Gemeindeverwaltung, Schreiben an seinen Anwalt und von seinem Anwalt stapeln sich. Die Nerven liegen blank. Nicht nur seine. Auch die seiner Nachbarn. Sie wohnen in der ehemaligen Schule über dem evangelischen Kindergarten Havighorst. Und dort sollen sie schnell raus, denn der Kindergarten soll noch in diesem Jahr umgebaut und vergrößert werden. Die Gemeinde investiert in die Kinderbetreuung.

Seit Jahren gibt es zu wenig Plätze. Der Kindergarten an der Gerberstraße mit dem angebauten Hort platzt aus allen Nähten. Rund 20 Eltern lassen ihre Kinder sei längerem in Hamburger Kitas betreuen, andere geben die Kleinen zu Tagesmüttern. Die Erweiterung des Kindergartens Schulstraße um zwei bis drei Gruppen für unter Dreijährige und zwei Gruppen für die Älteren würde Oststeinbek viel Entlastung bringen.

Mehr als 100 Kinder könnten bereits im kommenden Jahr in der alten Schule betreut werden, wenn es nach dem Willen der Gemeindeverwaltung geht. Im Herbst sollen die Bauarbeiten beginnen. Doch es gibt ein Problem: Gegen die 14-seitige Kündigung der Gemeindewohnungen haben die drei betroffenen Mietparteien widersprochen.

"Schon vor mindestens zwei Jahren kamen die ersten Gerüchte im Ort auf, dass der Kindergarten erweitert werden soll", sagt Ralf Thormählen. Es sei kurz nach der Zeit gewesen, in der er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern ins Haus eingezogen war. "Dass das aber eventuell ein Wohnen auf Zeit sein wird, wurde uns nicht mitgeteilt. Der Mietvertrag ist unbefristet", sagt der zweifache Familienvater. Die Gerüchte aber hätten nicht nachgelassen. Thormählen und auch sein Nachbar und Freund André Päper hörten von Sitzungen im Rathaus zum Thema Kindergartenausbau. "Das war aber alles immer nicht öffentlich. Auch die Protokolle waren zunächst nicht einsehbar. Auf Fragen haben wir im Rathaus keine richtigen Antworten bekommen", sagt Päper.

Der Verkaufsleiter im Außenhandel wohnt mit seiner Frau seit vier Jahren in der Schulstraße 27. Für den 31-Jährigen sei die knapp 90 Quadratmeter große Wohnung für 700 Euro Warmmiete damals ein Glücksgriff gewesen. 5000 Euro habe er in die Renovierung investiert. "Die Wohnung hatte keine Bodenbeläge. Die haben wir erst verlegt, Wände tapeziert, gestrichen, die Möbel sind darauf zugeschnitten", sagt Päper. Auch ein Kinderzimmer wurde eingerichtet. "Wir fühlen uns sehr wohl. Und wir haben eine tolle Hausgemeinschaft. Deswegen wollten wir damals auch wissen, was nun Sache ist. Aber immer wurde abgewiegelt", sagt Päper.

Dann sei plötzlich alles sehr schnell gegangen. Im April flatterte ihnen die Kündigung ins Haus. Bis zum 30. Juni sollen die Familien ausziehen. "Wir mussten Widerspruch einlegen. Es ist kaum möglich, in so kurzer Zeit eine gleichwertige Wohnung zu finden", sagt Thormählen, der sich gemeinsam mit Päper rechtlichen Beistand holte. "Im Grunde genommen setzen sie uns auf die Straße. Damit ist es für die Gemeinde erledigt. Auch ein Ausgleich für die Umzugskosten ist nie angeboten worden", sagt Päper.

Bezahlbare Wohnungen seien im Ort kaum zu finden

Beide Familien suchen seit einigen Monaten nach anderen Wohnungen in Oststeinbek - bisher vergeblich. "Für ähnliche Objekte wird teilweise das Doppelte verlangt. Das ist einfach zu viel", sagt Päper, der nicht verstehen kann, dass die Gemeinde den Familien so wenig Verständnis entgegenbringe. "Dass der Wohnungsmarkt angespannt ist, ist bekannt. Selbst die neue Bürgermeisterin Martina Denecke ist nach Neuschönningstedt gezogen, weil es hier kaum bezahlbare Wohnungen gibt", sagt der Familienvater.

Unterstützung sei nicht angeboten worden. "Zumindest keine wirkliche", meint Thormählen. Ihm sei eine Wohnung angeboten worden, gut 20 Quadratmeter kleiner. "Und mit dem Vermerk, dass es ein Schimmelproblem im Keller gebe. Das haben wir natürlich abgelehnt", sagt Thormählen. Auf einen öffentlichen Brief, der auch den Gemeindevertretern zugestellt wurde, habe es kaum Reaktionen gegeben. "Wir hätten uns gewünscht, dass wenigstens mal jemand vorbeikommt, sich ein Bild von uns macht, vernünftig mit uns redet und man sich gemeinsam über eine Lösung Gedanken macht. Aber das ist scheinbar nicht gewollt", sagt Päper.

Dass Kita-Plätze in der Gemeinde dringend gebraucht werden, sei klar. "Das finden wir auch toll, dass etwas getan werden soll. Nur muss auch alles abgewogen werden. Und man muss sich fragen, ob die Standortwahl der Gemeinde korrekt ist", sagt Päper. "So geht man doch nicht mit den Bürgern um. Die Verwaltung führt mit uns keinen Dialog, man informiert uns lediglich und stellt uns vor vollendete Tatsachen, anstatt gemeinsam eine sozialverträgliche Lösung zu suchen", sagt er.

Die Bürgermeisterin betont, dass die Kündigungen fristgerecht waren

Dass es nun zu einem Rechtsstreit komme, ist für den Anwalt der beiden Familien, Peter Dorff, sicher. "Eine kurzfristige Lösung wird es nicht geben, und die Mieter werden auch bis Juli nicht aus dem Haus sein", sagt Dorff. Alle hätten einen unbefristeten Mietvertrag. "Es kann nicht sein, dass zwei Familien mit insgesamt drei Kindern und ein weiteres Ehepaar vor die Tür gesetzt werden", sagt der Anwalt der Mietparteien, der sich auf das soziale Mietrecht in Deutschland beruft. Da auch drei Kinder betroffen sind, wolle er auf die Härtefallregelung pochen.

"Wo sollen die Familien denn so schnell hin, wenn es keine Wohnungen gibt - keine bezahlbaren?", fragt der Anwalt mit Nachdruck. Nach dem Widerruf rechnet Dorff nun damit, dass es im Sommer zu einer gerichtlichen Klärung kommen wird. "Die Anwälte der Gegenseite werden vermutlich eine Räumungsklage beim Amtsgericht einreichen", so Dorff. Und dann könne das Verfahren über zwei Instanzen gehen. Er habe einen "ganzen Blumenstrauß" an Argumenten, die gegen die Kündigung sprechen. Dorff: "Brief und Siegel, sie werden im September nicht raus sein."

Bürgermeisterin Martina Denecke beurteilt den Fall ganz anders. Sie geht weiterhin davon aus, dass die Mieter bis spätestens Herbst ausgezogen sein werden. "Die Kündigungen haben die Betroffenen fristgerecht erhalten", sagt Denecke. Ein Recht auf eine günstigere Miete hätten die Betroffenen nicht. Zudem seien die Mieter stets über alles informiert gewesen.

"Das ist allenfalls ein gefühltes Nichtinformiertsein", sagt Denecke, die nun auf ein Entgegenkommen der Mieter hofft. "Wir bauen dabei auf die indirekte Unterstützung der derzeitigen Mieter, die mit ihrem zeitlich angeglichenen Auszug dazu beitragen, dass wir bald viele leuchtende Kinderaugen in den schönen neu gestalteten Räumen der Schulstraße 27 begrüßen dürfen."