Stormarner Pastoren mischen sich in die politische Debatte über die Gefahren der Kernenergie ein

Ahrensburg. Die evangelische und die katholische Kirche in Deutschland fordern den Ausstieg aus der Kernenergie. Die Nordelbische Synode hat sich bereits Ende vorigen Jahres in einer Grundsatzentscheidung gegen die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke ausgesprochen und ein Konzept zum Umbau der Energieversorgung und zur Förderung regenerativer Energie gefordert.

Auch in Stormarner Kirchengemeinden ergreifen Pastoren das Wort und appellieren daran, umzudenken und den Ausstieg aus der Atomenergie voranzutreiben. "Hier läuft etwas aus dem Ruder, das wir nicht mehr beherrschen können", sagt die Lütjenseer Pastorin Britta Sandler.

Sie hat über das Thema auch mit ihren Konfirmanden gesprochen, auf Wunsch der jungen Menschen. Mit einem Mal sei da eine hohe Sensibilität gewesen zu schauen, inwieweit die moderne Technik die Schöpfung in ihrer Existenz bedrohe, sagt Sandler. "Das Bedürfnis, darüber zu sprechen, habe ich bisher in dieser Intensität nicht wahrgenommen."

Der auch für Stormarn zuständige amtierende Hamburger Bischof, Propst Jürgen Bollmann, engagiert sich seit 35 Jahren in der Anti-Atomkraft-Bewegung. In einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt hat er kürzlich gesagt: "Es gibt ein Restrisiko, das sehr groß ist und nicht versicherbar." Das werde nach der Katastrophe im japanischen Atommeiler Fukushima wieder überdeutlich. "Der Mensch hat sich einer Technologie ausgeliefert, die keine Fehler zulässt. Der Mensch aber macht Fehler, und wenn er nur die Gewalt der Natur unterschätzt."

In den Stormarner Kirchengemeinden ist der Protest gegen die Atomenergie eher ein stiller als ein aktiver. In den Gottesdiensten sei die Katastrophe in Japan ein Thema, sagt der Ahrensburger Pastor Holger Weißmann. "Spätestens seit Tschernobyl wissen wir, dass wir die Technologie nicht in der Hand halten. Auch wenn wir weiterhin so tun, als ob wir das könnten. Das müssen wir endlich erkennen."

Der amtierende Bischof Bollmann hat vor Kurzem auf dem Hamburger Rathausmarkt zu einer Schweigeminute für die Opfer von Fukushima aufgerufen. Gestern hat er zum 25. Jahrestags des GAUs in Tschernobyl in Brunsbüttel gesprochen. Die Stormarner Grünen, Vereine wie die Ahrensburger Naturfreunde und das Umwelthaus am Schüberg des Kirchenkreises Hamburg-Ost hatten zur Teilnahme an der Anti-Atom-Demonstration vor dem Atomkraftwerk Krümmel aufgerufen. Hunderte von Stormarner Atomgegnern nutzen die Möglichkeit, ihrem Protest Ausdruck zu verleihen.

"Es ist wichtig, die Erinnerung wachzuhalten", sagt auch Pastorin Sandler. Als der Reaktor in Tschernobyl am 26. April 1986 explodierte, war sie 17 Jahre alt. "Das Wetter war traumhaft, und wir durften nicht nach draußen gehen", erinnert sie sich. Die Strahlung konnte man nicht erkennen. Die Gefahr war vorhanden, aber unsichtbar. Das sei grotesk gewesen. Jahre später verbrachte sie ein Jahr in Estland und traf Menschen, die sich nach der Reaktorkatastrophe in den Wäldern versteckt hatten, damit sie nicht zum Löschen in das Unglücksgebiet geschickt werden konnten. "Ihre Ängste waren andere als unsere", sagt sie.

Die Vorsitzenden der evangelischen und katholischen Kirche, Nikolaus Schneider und Robert Zollitsch, haben klar Stellung bezogen. Der katholische Bischof betonte, dass die Atomenergie keine Energie der Zukunft sei und kündigte an, dass die katholische Kirche sich an der Diskussion über zukunftsfähige Energien beteiligen werde. Nikolaus Schneider sagte: "Wir müssen so schnell wie möglich aus dieser Technologie herauskommen."

Pastorin Sandler sagt: "Wir müssen die Herausforderung annehmen. Wir brauchen eine umfassende Energiewende." Fukushima sei überall. Japan sei über moderne Kommunikationstechniken wie Twitter, Internet, Facebook ganz nah. Sandler: "Wir leben in der einen Welt. Das Schicksal der Opfer geht uns alle an."