Kreiskulturreferentin Friederike Daugelat erklärt im Interview, wie sie Kunst, Musik und Literatur zusammenbringen will

Bad Oldesloe. Sie will in Stormarn ein "kulturelles Gemeinschaftsgefühl" schaffen und noch in diesem Jahr ein kreisweites Literaturprojekt starten: Friederike Daugelat, die neue Kreiskulturreferentin. Nach 100 Tagen im Amt berichtet die 35-Jährige von ihren weiteren Ideen.

Hamburger Abendblatt

Haben Sie sofort gewusst: Den Job will ich haben?

Friederike Daugelat

Ja. Ich habe gesehen, wie viel Potenzial da drin steckt. Es hat mich gereizt, für verschiedene Institutionen in verschiedenen Bereichen tätig zu sein. Schließlich bin ich als Generalistin angetreten.

Generalistin?

Daugelat:

Ja, weil ich nicht nur eine Sparte abdecke. Ich habe Ausstellungen kuratiert, aber ich habe auch Germanistik und Musikwissenschaft studiert. Und ich sehe Möglichkeiten, all das hier einzubringen und zu verknüpfen.

Sie haben 120 Mitbewerber aus dem Feld geschlagen. Weil sie eine Frau sind? War die Zeit reif für eine Kulturchefin?

Daugelat:

Das weiß ich nicht. Ich glaube, es ging mehr um die Qualifikation.

Haben es Frauen in leitenden Funktionen schwerer?

Daugelat:

Für mich ist das normal. Ich bin aber auch in einer privilegierten Zeit aufgewachsen, in der Rechte für Frauen schon erkämpft waren. Bisher habe ich keine Ressentiments gespürt.

Sie sind jetzt 100 Tage im Amt. Ist der Reiz der neuen Aufgabe noch da?

Daugelat:

Es wird immer spannender.

Wie kommt das?

Daugelat:

Ich mache ständig Entdeckungen. Vergangene Woche habe ich die Peter-Siemssen-Stiftung in Ratzbek besucht, eine unglaubliche Keramik-Sammlung.

Was wollen Sie jetzt anpacken?

Daugelat:

Ich plane das Projekt "Ein Kreis liest ein Buch". Es basiert auf einer Idee des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. Das würde ich gern versuchen, weil ich gesehen habe, dass hier zwar unwahrscheinlich viel Kultur passiert, aber oft nebeneinander. Ich fände es schön, ein kulturelles Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln.

Wie würde das ablaufen?

Daugelat:

Die Idee ist, zwei oder vier Wochen im gesamten Kreis ein Buch zu lesen. Bei Lesungen in Bibliotheken oder in der Volkshochschule, aber auch auf dem Markt, im Bus, im Einkaufszentrum, in der Arztpraxis. Im Grunde überall. Sodass man keine Hemmung haben muss, sich mit der Literatur auseinanderzusetzen. Dazu könnte es Begleitveranstaltungen geben. Vorträge, Konzerte, Exkursionen. Es wäre schön, wenn das noch in diesem Jahr klappt.

Sie waren Leiterin des Overbeck-Museums in Bremen. In nur zwei Jahren haben Sie die Besucherzahl verdreifacht. Wie haben Sie das geschafft?

Daugelat:

Zuerst habe ich das Haus umbenannt, von Stiftung Overbeck in Overbeck-Museum. Damit die Leute wissen, dass es hier Ausstellungen gibt. Dann habe ich ein Logo entwickelt, eine Website ins Leben gerufen und dem Museum ein einheitliches Erkennungsbild gegeben. Ich habe den Kontakt zur Presse gepflegt, sodass wir oft in der Zeitung standen. Und dann habe ich zeitgenössische Kunst dazugenommen. Dieser Dialog war sehr fruchtbar.

Wie können Sie es schaffen, dass ein solcher Besucheransturm auch auf kulturelle Institutionen in Stormarn einsetzt?

Daugelat:

Ein Teil des Erfolgs basierte auf dem Begleitprogramm. Ich habe die Kunst als Ausgangspunkt genommen und darüber neue Themen generiert. Das geht hier auch. Wer Ausstellungen besucht, ist vielleicht auch Literaturfan und hört gern eine Lesung dazu. "Ein Kreis liest ein Buch" setzt genau hier an.

Es gibt ja auch die Idee, nach Kirchenkonzerten zum Büfett einzuladen.

Daugelat:

Richtig. Ich möchte Kirchenmusiktage in Stormarn etablieren. Und da geht es mir genau darum: Für die Kirchenmusik ein Forum zu schaffen und das Sinnliche und Gesellige einzubinden. Ein Konzert mit Wein wäre eine Möglichkeit.

Nehmen Sie aktiv am Kulturleben teil?

Daugelat:

Ich singe im Hamburger Michel. Insofern ist mir die Kirchmusik sehr nahe.

Warum gerade Kirchenchor?

Daugelat:

Mein Vater ist Pastor. Diese Musik hat mich von früh auf begleitet. Ich war auch im Bremer Kinder- und im Domchor. Seit einigen Jahren habe ich Gesangsunterricht. Ich mag es, das, was man macht, richtig auszubauen.

Gehen Sie auch in die Oper?

Daugelat:

Ja, Mozarts "Entführung aus dem Serail" ist meine Lieblingsoper.

Es gibt immer heftige Diskussionen um die Inszenierungen. Muss unbedingt Blut fließen oder der obligatorische Nackte über die Bühne laufen?

Daugelat:

Man kann sicher auch mal überzeichnen oder pointieren, um zu einer Aussage zu gelangen. Aber ich komme von der Literaturwissenschaft. Mir ist die Texttreue wichtig.

Sie sind Nachfolgerin Johannes Spalleks, der 30 Jahre im Amt war. Ist das eine Bürde oder die Chance, sich auf einem bestellten Feld zu betätigen?

Daugelat:

Erst einmal freue ich mich, dass es hier so lange einen Kreiskulturreferenten gegeben hat. Das ist nicht selbstverständlich und zeigt die Wertschätzung der Politik gegenüber der Kulturarbeit. Herr Spallek ist weiterhin kultureller Geschäftsführer der Sparkassen-Kulturstiftung. Er ist auch Archäologe und daher historisch ausgerichtet. Wir ergänzen uns wunderbar.

Der Landrat ist ihr Chef. Der hat sicher noch einen anderen Kulturbegriff. Kommen Sie da zusammen?

Daugelat:

Klaus Plöger ist sehr offen für meine Idee. Er hat ja gesagt, er will frischen Wind haben. Den gibt es jetzt. Und er hat nichts dagegen.

Wie viel Freiheit haben Sie?

Daugelat:

Überall, wo ich mit meinen Ideen auftauche, stoße ich auf positive Resonanz. Es war auch eine schöne Erfahrung, im Schul-, Kultur- und Sportausschuss so viel Rückhalt zu spüren. Ich habe ein sehr gutes Gefühl.

Für die Umsetzung braucht man Geld. Haben Sie einen Etat?

Daugelat:

Der Kreis stellt mir leider kein Budget zur Verfügung. Bisher konnten viele Projekte finanziert werden, weil die Sparkassen-Kulturstiftung sehr aktiv ist. Ich bin aber auf der Suche nach weiteren Unterstützern.

An der Kultur wird oft zuerst gespart.

Daugelat:

Wenn ich eine Schule schließe, gibt es sofort einen Aufschrei, weil das öffentliche Leben in Schieflage gerät. Die Kultur scheint dagegen immer erst mal verzichtbar zu sein, denn wenn es eine Ausstellung oder ein Theater weniger gibt, hat das nicht unmittelbar diesen Effekt. Aber auf lange Sicht fehlt das natürlich. Kultur kann etwas bewegen, kann gesellschaftlichen Wandel anstoßen. Wenn diese Impulse fehlen, beeinträchtigt das auch die Grundversorgung des öffentlichen Lebens.

Was ist eigentlich Kultur?

Daugelat:

Für viele ist es nur ein Entspannungs- oder Freizeitmoment, für andere ist es eine tiefe Bereicherung oder eine intellektuelle Herausforderung. Wenn sie nur zum Konsumvergnügen wird, ist man schnell bei einem Fernsehprogramm ohne Input.

Sie wohnen noch in Hamburg. Wollen sie nach Stormarn umziehen?

Daugelat:

Nein. Ich finde es wichtig, den Blick von außen zu haben. Hamburg hat ein großes Angebot. Da kann ich mir Anregungen holen. Das ist ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeit.

Wie schalten sie ab vom Job?

Daugelat:

Ich singe. Ich habe viele Freunde. Ich mache Aqua-Fitness, ich fahre Fahrrad oder gehe an der Alster spazieren.

Zum Schluss eine sehr persönliche Frage: Sie tragen ein Kreuz. Tragen Sie das ganz selbstverständlich, weil ihr Vater Pastor ist, oder ist es ein Bekenntnis?

Daugelat:

Es ist selbstverständlich. Aber ich bin auch gläubige Christin.