Bank-Geheimnisse: Der Ahrensburger Klaus-Peter Dencker überschreitet Grenzen zwischen Bild und Text

Ahrensburg. Er ist ein Dichter, der nicht dichtet. Das klingt verrückt. Für Klaus-Peter Dencker nicht. "Das hat was mit Entschlüsselung zu tun. Ich erzähle mit anderen Worten. Bei mir gibt es immer was zu entdecken", sagt der 70-Jährige und macht es spannend. So spannend, dass auch Björn Engholm bei ihm neulich wieder vorbeischaute. Der ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsident ist jetzt in Sachen Kultur unterwegs und sucht das Besondere. In Ahrensburg ist er fündig geworden. Bei einem Mann, der die Grenzen zwischen den Künsten überschreitet: bei Klaus Peter Dencker - dem visuellen Poeten.

"Ich verknüpfe Bild und Text", sagt Dencker, in dessen Atelier Literatur und Bildende Kunst zu einem neuen Genre verschmelzen. Er malt. Er schreibt. Er zerlegt Sätze in Einzelteile. Er schneidet Werbebilder aus. Er kombiniert und ordnet neu. Er provoziert und schüttelt Buchstaben so durcheinander, dass unter der Abbildung eines Starfighters das Wort Sargfighter auftaucht - sein Protest gegen die Kampfflugzeuge, die reihenweise abstürzten.

Er schwärmt von der Harmonie in seiner Familie

Die New Yorker Freiheitsstatue hat Dencker mit Fußball und in Pop-Art-Manier inszeniert und in vielen weiteren Variationen neu beleuchtet - entzaubert. Was ist eigentlich Freiheit? Diese Frage sollen sich die Betrachter stellen. "Ich mache aufmerksam", sagt der Poet, der Rätsel aufgibt.

Das sind doch Buchstaben. Ach nein, das sind ja kleine Männchen. Sind das Handwerker? Die Verwirrung ist perfekt, die Verblüffung auch. Denn dieses Bild mit ganz vielen kleinen Bildern ist eine Ansammlung von Werkzeug-Zangen, ausgeschnitten aus Werbekatalogen, denen der visuelle Poet Leben eingehaucht hat.

Im Wohnungsflur seines Sohnes hängt eine 40-teilige Sequenz, ein Auftragswerk, das der Papa zum Einzug entwerfen sollte. "Zu Dir" steht da, auf dem nächsten Abschnitt "mit Dir" und so weiter, meterweise. Darüber liegt eine Schablone mit dem Schriftzug "Family". Das zeigt: Visuelle Poesie kann ganz schlicht sein. Es zeigt aber auch die starke Bindung des Poeten an seine Familie. "Ich habe eine so tolle Beziehung zu meinen Kindern und eine so tolle Frau. Wir leben in einer unvorstellbaren Harmonie", sagt der Ahrensburger, der - wie es sich für einen Dichter gehört - auch so richtig ins Schwärmen geraten kann.

Wie wird man eigentlich visueller Poet? "Ich habe in Hamburg studiert und in Germanistik und Japanologie promoviert", sagt Dencker und verblüfft erneut. Als Vorbereitung auf eine Existenz als malender Dichter scheint diese Ausbildung nicht gerade zwingend zu sein. War sie auch nicht. Es gab einen Umweg. In den Mix der schönen Künste, die seine Biografie bestimmen, gesellte sich das Filmemachen hinzu.

Dencker: "Ich wurde an die Universität Erlangen berufen, als Assistent für Literaturwissenschaft sowie Film- und Fernsehkunde. Gleichzeitig war ich freiberuflicher Autor und habe Gedichte und Kurzprosa geschrieben." So war er bestens vorbereitet, als der damalige Südwestfunk jemanden suchte, der TV-Poesie macht. Dencker war der richtige Mann. Er nahm die Sprache auseinander und ließ sie über die Mattscheibe flimmern. Passend zu den Bildern oder auch als Kontrapunkt erschienen Worte, Buchstaben, gespiegelt, gedreht, auf den Kopf gestellt. Die Verbindung zwischen Wort und Bild war geknüpft.

Dencker entwickelte die Kunstform weiter, fügte bildnerische Elemente dazu und gilt heute als einer der führenden deutschen Vertreter der visuellen Poesie. Zahlreiche Ausstellungen hat er gemacht, etliche Veröffentlichungen hat er herausgegeben. Und ausgezeichnet wurde er auch: 1972, mit 31 Jahren, wurde Dencker der jüngste Kulturpreisträger in Erlangen.

Der Literaturwissenschaftler und Dichter wechselte nach dem erfolgreichen Einstieg endgültig ins Filmgeschäft und wurde Kultur-Redakteur beim Saarländischen Rundfunk. 100 Filme entstanden in zehn Jahren. "Das war eine aufregende Zeit, aber auch stressig. Ich war überall in der Welt, in Japan, Alaska, Lappland und Brasilien", sagt Dencker, der neben Dokumentationsreihen wie "Museen der Welt" auch experimentelle Künstlerporträts über Schwitters, Jandl und Mayröcker drehte. "Alles, was Avantgarde war, nahm ich mir vor."

Dann kam ein großer Cut im Drehbuch seines Lebens. Dencker:"Ich wollte meinen Kindern eine gute Schulausbildung geben. Also habe ich Rotz und Wasser geheult und verließ das Saarland." Aus dem Künstler wurde ein Beamter: Dencker ging nach Hamburg und wurde Leitender Regierungsdirektor in der Kulturbehörde. Ging das gut? "Nein", bekennt der Ahrensburger, "ich habe 17 Jahre meines Leben schizophren gelebt." Für den in der Behörde gefangenen Dichter führte der schönste Weg raus aus der Tiefgarage, in eine kreative Welt ohne Politik, Berge von Akten und endlosen Sitzungen. Daran änderte auch der legendäre Bratling-Weitwurf über die Elbe nichts, den eine lettische Künstlerinitiative während der Art-Genda 2002 inszenierte. "Ich bekam eine riesige Schlagzeile. Die Bild titelte: 'Er ist der Mann, der das genehmigt hat'. Das war irre, aber es war die Freiheit der Kunst. Und ohne die Kunst hätte ich nicht überlebt."

Die holte sich der Regierungsdirektor nach Feierabend. "Um 19 Uhr bin ich immer losgesaust, zu meiner Band", sagt Dencker und führt die vierte Muse seines Lebens ins Feld: die Musik. Banjo und Gitarre hatte er sich selbst beigebracht, und schon als Student jazzte er die Nächte durch. In und um Ahrensburg ist seine Band Jazzbreeze bekannt. Am 30. April spielt die große Besetzung zum Saisonstart im Ahrensburger Tennisclub. Der Eintritt ist frei. Ab Oktober will Dencker dann nur noch mit kleiner Besetzung unterwegs sein. Schließlich genießt er seine Freiheit, seit der 2002 der Behörde Ade sagte.

Bleibt die Frage, was Engholm neulich wollte. "Das war eine Einladung", sagt der Poet mit dem Gespür für die Optik. Die Stadt Lübeck und die Overbeck-Gesellschaft, deren Vorsitzender Engholm ist, wollen ihn am Sonntag, 17. April, mit einem Empfang zu seinem 70. Geburtstag ehren - den etwas anderen Dichter aus Ahrensburg.