593 Stormarner suchten 2010 bei der AWO-Schuldnerberatungsstelle einen Weg aus der privaten Finanznot. Die Klienten werden immer jünger

Bad Oldesloe. Knapp 600 Menschen suchten im vergangenen Jahr Rat bei der Schuldner- und Insolvenzberatungsstelle der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Stormarn. Das geht aus ihrem aktuellen Jahresbericht hervor. Die Klienten der Schuldnerberater werden immer jünger. 2009 machte die Gruppe der 41- bis 55-Jährigen den größten Teil aus, 2010 waren die meisten Ratsuchenden erst zwischen 26 und 40 Jahre alt.

Für Ute Lehmann von der Beratungsstelle in Bad Oldesloe hat das mit der steigenden Aufmerksamkeit für dieses Thema zu tun. TV-Sendungen wie die von Schuldenberater Peter Zwegat (RTL) sieht Lehmann durchaus positiv. "Die Sendung vermittelt den Betroffenen, dass sie nicht allein sind. Dass auch andere Schuldenprobleme haben." Die jüngere Altersgruppe ist für sie ein Zeichen, dass die Hemmschwelle sinkt. "Je früher die Schuldner Hilfe annehmen, desto leichter können sie ihre Schuldenlast abtragen", sagt die 48 Jahre alte Diplom-Sozialarbeiterin.

Bei den meisten der 593 Fällen, die 2010 bei der AWO landeten, blieb es bei einer Beratung. Nur in 155 Fällen kam es zu einer direkten Betreuung. Die durchschnittliche Schuldenlast lag da bei 44 891,13 Euro. Dort übernahm die Awo die Vollmacht als Schuldnerberater und agierte als Vermittler zwischen Schuldner und Gläubigern.

Ob Betreuung oder Beratung, für Ute Lehmann spielen neben den Zahlen vor allem die Menschen eine Rolle. "Hinter jeder Schuldenlast steht eine persönliche Geschichte", sagt sie. Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten seien betroffen, wie Lehmann betont.

Telefonrechnungen, Autofinanzierung, die Mitgliedschaft im Fitnessstudio oder der neue Fernseher in Ratenzahlung: Ute Lehmann und ihre Kollegen sind die erste Anlaufstelle für Stormarner, die ausstehende Rechnungen nicht mehr bezahlen können. "Schulden an sich sind nichts Schlimmes", sagt Lehmann, "doch regelmäßig mehr ausgeben als einnehmen, das funktioniert nicht."

Oft sei das ein schleichender Prozess. "Schulden haben immer eine Geschichte. Die Last baut sich oft über Jahre hinweg auf", sagt Lehmann. Viele der Schuldner hatten lange versucht, allein gegenzusteuern. "Aber irgendwann haben sie den Überblick verloren", sagt Lehmann. Immer neue Raten, neue Zinsen, neue Gläubiger. Je weiter die Spirale fortgeschritten ist, desto schwieriger wird die eigenständige Haushaltssanierung. Lehmann: "Viele zahlen dann hier eine Rate und dort eine. Aber da ist keine Struktur." Viele Schuldner verschlimmern ihre Lage nur. Lehmann warnt: "Die Betroffenen zahlen Raten von ihrem unpfändbaren Einkommen, versuchen zu kitten, wo es geht. Auf der anderen Seite fehlt das Geld für die Miete, das Essen und die Kinder." Die Schuldenlast abtragen können sie so nicht.

Die Awo-Schuldner- und Insolvenzberater bieten unverbindliche Hilfe an. Sie geben den Betroffenen einen Überblick über deren Finanzen, stellen Haushaltspläne auf oder raten zu finanziellen Einschnitten in der Lebensführung. Manche melden sich nie wieder, manche erst nach vielen Jahren. Dann ist die Schuldenlast oft übermäßig geworden. Andere fragen bei konkreten Sachverhalten, wie sie Gläubiger zufriedenstellen sollten.

Es sind Anregungen, Hilfestellungen. Reichen die nicht, kann die Awo den Fall übernehmen und als Bevollmächtigter auftreten. Dann zielt sie auf einen Vergleich mit den Gläubigern ab, um den Schuldnern einen Neustart zu ermöglichen. Läuft es schlecht, kommt es zur Eröffnung einer Privatinsolvenz.

Der häufigste Grund für die Überschuldung liegt laut Jahresbericht im "unwirtschaftlichen Haushalten", auf Rang zwei folgt die Arbeitslosigkeit vor Erkrankungen und Sucht. Für Ute Lehmann ist die fehlende "finanzielle Allgemeinbildung" das Kardinalproblem. Die Betroffenen lebten dauerhaft über ihre Verhältnisse. Rücklagen hätten sie keine. Bei plötzlichen Veränderungen wie dem Verlust der Arbeit oder einer Scheidung gerieten die Finanzen schnell außer Kontrolle.