Mehr als sieben Jahre Haft wegen Überfalls auf Tankstellen-Pächter in Oststeinbek. Richter geht deutlich über Forderung des Staatsanwaltes hinaus

Oststeinbek/Lübeck. Im Prozess gegen drei Hamburger, die den Geschäftsführer der Jet-Tankstelle in Oststeinbek überfallen hatten, hat der Richter ein hartes Urteil gesprochen. Arek S., 23, (alle Namen geändert) muss für sieben Jahre und sechs Monate ins Gefängnis. Gegen Maik B., 27, wurde eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monate verhängt. Bianca L., die das Fluchtauto gefahren hatte, kam mit einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und neun Monaten davon.

Während die 34-Jährige mit den blond gefärbten Haaren, das Urteil mit einem verschmitzten Lächeln zur Kenntnis nahm, blickten die anderen beiden Angeklagten den Richter mit weit aufgerissenen Augen an. Sie schüttelten den Kopf und schauten fassungslos ins Publikum - dort waren Freunde und Verwandte der beiden in Tränen ausgebrochen.

"Die Strafen für solche Taten wiegen schwer", sagte der Vorsitzende Richter Kai Schröder bei seiner Urteilsbegründung im Lübecker Landgericht. Die Kammer sieht es als erwiesen an, dass das Trio an dem Raubüberfall auf den 35 Jahre alten Thomas S. im Sommer vergangenen Jahres beteiligt war. Von zwei weiteren Tätern und von der Beute - knapp 20 000 Euro - fehlt bis heute jede Spur.

Das Gericht geht davon aus, dass die vier Männer ihr Opfer bereits Tage vor der Tat observierten. Dass sie wussten, wann der Leiter der Tankstelle die Einnahmen zur Bank brachte, welches Auto er fuhr und zu welcher Bank er wollte. Und dass sie es waren, die am Montag, 12. Juli 2010, zuschlugen. Nach Überzeugung des Gerichts trug sich an jenem Tag Folgendes zu:

Es ist Vormittag. Bianca L. fährt die Männer vom Hamburger Stadtteil Mümmelmannsberg in das nur wenige Kilometer entfernte Oststeinbek. Maik B. steigt gegenüber von der Jet-Tankstelle aus. Er bekommt von L. ein Handy. B. soll die 34-Jährige anrufen, sobald das Opfer die Tankstelle verlässt. Arek S. und die zwei anderen Räuber setzt die Blondine an der Sparkasse ab. Kurz nachdem der Tankstellenpächter in die Tiefgarage gefahren ist, wird er von den drei Männern dort angegriffen. Arek S. sprüht ihm Pfefferspray ins Gesicht. Dann schlagen die Täter Thomas S. nieder, entreißen ihm die Tasche mit dem Geld. Der Oststeinbeker erleidet einen Nasenbruch und zahlreiche Prellungen.

Arek S. hatte vor Gericht ausgesagt, er sei unschuldig. Maik B. hatte geschwiegen, Bianca L. hatte beteuert, nichts von einem Raubüberfall gewusst zu haben. Nach Einschätzung des Gerichts eine Lüge. Die Richter gingen von einer anderen Version aus, die sich auf die Aussage eines 29 Jahre alten Versicherungskaufmannes stützte:

Er sitzt zum Tatzeitpunkt in seinem Büro, das nur wenige Meter von dem Tatort entfernt ist. Es ist ein sehr heißer Tag, er hat das Fenster geöffnet. Er wird auf einen schwarzen Mercedes der M-Klasse aufmerksam. Alle Fensterscheiben sind unten. Dann beobachtet er, dass drei Männer auf das Auto zugestürmt kommen, einsteigen, "fahr los" schreien. Der Zeuge notiert sich das Kennzeichen. Dann sieht er, wie Thomas S. - verletzt - aus der Garage gelaufen kommt. Mithilfe des Kennzeichens kann die Polizei Bianca L. rund eine Stunde nach der Tat in der Nähe ihrer Wohnung in Hamburg-Mümmelmannsberg festnehmen. Auf der Rücksitzbank finden die Polizisten eine Dose Pfefferspray - die Tatwaffe.

Viele Aussagen der Frau, die nach dem Abitur eine Ausbildung zur Kosmetikerin gemacht hatte, heute Teilhaberin eines Kosmetikstudios ist und nebenbei als Prostituierte arbeitet, blieben in der Verhandlung fragwürdig oder wurden von Zeugen widerlegt. Zur ihrer Verteidigung sagte sie, dass sie vor dem Prozess verprügelt worden sei und dass die Schläge gegen ihren Kopf dazu geführt hätten, dass sie sich nicht mehr richtig erinnern könne.

Nach der Festnahme kam L. in Untersuchungshaft. Dort benannte sie zwei weitere Täter und kam gegen Kaution wieder auf freien Fuß. Die Verteidiger von B. und S. stellten nicht nur ihre Glaubwürdigkeit infrage. Sie gehen sogar davon aus, dass L. ihre Mandanten willkürlich benannte hatte, um aus der Untersuchungshaft zu kommen. Sie sprachen von einem "illegalen Deal" mit der Staatsanwaltschaft. Der Ankläger bezeichnete dies als "abstrus". Sowohl der Staatsanwalt als auch die Kammer gelangten zu der Auffassung, dass die Frau sehr wohl von dem Überfall wusste.

"Wieso sollte sie einen Unschuldigen benennen?", fragte der Richter. Beweismittel gab es nicht, weder Fingerabdrücke an der Pfefferspraydose noch Ähnliches. Auch die Aussage des Opfers zur Identität der Täter blieb fragwürdig. Thomas S. sagte vor Gericht aus, dass er sowohl von Arek S. als auch Maik B. in der Tiefgarage zusammengeschlagen wurde. Dabei soll Maik B. dort gar nicht gewesen sein.

Der Staatsanwalt hatte für Arek S. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten, für Maik B. von zwei Jahren und sechs Monaten beantragt. Richter Kai Schröder ging deutlich über diese Forderung hinaus.

Die Verteidiger der beiden Angeklagten, die einen Freispruch gefordert hatten, kündigten an, Revision zu beantragen.