Nach mehr als 25 Jahren verlässt Wilhelm Thiele das Ahrensburger Bauamt. Er hat die Stadt geprägt

Ahrensburg. Das Büro, von persönlichen Gegenständen befreit, wirkt steril. Der Computerzugang ist schon stillgelegt. Auf dem Schreibtisch liegt ein letzter Stapel Post. Und dahinter sitzt der Mann, der dort mehr als ein Vierteljahrhundert gesessen hat, ein letztes Mal: Ahrensburgs Bauamtsleiter Wilhelm Thiele. Gestern war sein letzter Tag. Der Abschied, das war nicht seine Entscheidung. Das Alter hat sie ihm abgenommen. Am Monatsende nach dem 65. Geburtstag ist Schluss für einen Beamten.

Thiele ist bis zur letzten Sekunde geblieben. "Ich gehe natürlich mit ein bisschen Wehmut", sagt er, "schließlich habe ich den Job wirklich gern gemacht. Es ist nie eine Last gewesen." Ahrensburg, das sei von der ersten Minute bis zur letzten Sekunde mit "Dynamik und Power" verbunden gewesen.

Die erste Minute war am 1. Oktober 1985. Der damalige Bürgermeister Manfred Samusch hatte den damals 39-Jährigen aus der Möllner Verwaltung ins Rathaus der Schlossstadt geholt. Und der neue Mann im Bauamt erkannte für sich: Hier würde es um systemimmanente Veränderungen gehen. Heute sagt er: "An der Hagener Allee sah es aus wie bei Hempels unterm Sofa, übers Rondeel fuhren 24 000 Autos am Tag, und Ahrensburg war durch Bahnschranken geteilt." In der ganzen Innenstadt sei überhaupt keine Ordnung zu erkennen gewesen.

Dann kam, was Thiele einen "strategischen Glücksfall" nennt: die Untertunnelung der Bahn, Voraussetzung für den späteren Bau der Bahntrasse, die Umwidmung der Bundesstraße 75 und die Verkehrsberuhigung der City. Dass die Stadt frühzeitig Handel auf der grünen Wiese verhindert hat, habe das Leben in der City gehalten.

Und der Städteplaner Thiele hat dabei großen Wert gelegt auf eine geschlossen wirkende Bebauung. Er hat sich damit nicht nur Freunde gemacht. Alteingesessene Ahrensburger werfen auch ihm persönlich vor, dass der alte Charme der Stadt verloren gegangen sei. Wilhelm Thiele dagegen ist überzeugt, dass es gut so ist. Mehr noch: Er glaubt, dass die Stadt weitere Neubauten bekommen werde. "Wie die Dominosteine werden die ollen Schuppen fallen", sagt er mit plötzlich anschwellender Stimme und lässt die rechte Faust auf die leere Tischplatte krachen.

Nein, er habe einen dicken Kopf gehabt und sei nicht konfliktscheu gewesen, sagt der Mann, dem sein letzter Chef, Bürgermeister Michael Sarach, attestiert: "Er hat Visionen. Ahrensburg wird vielleicht erst in einigen Jahren erkennen, was er bewirkt hat."

Durch die Fenster des geräumten Büros fällt der Blick auf den Rathausplatz. Thieles unvollendete Baustelle. Markthalle, intimere Atmosphäre, Tiefgarage - das umzusetzen, ist ihm nie gelungen. Das schmerzt ihn. Ebenso der Umstand, dass das Schlossviertel noch nicht an die Innenstadt angebunden ist.

Heute übernimmt Angelika Andres, vormals Bauamtsleiterin in Reinbek, seinen Job. Thiele hofft, dass sie in seinem Sinne weiter arbeitet. Er weiß aber auch, dass er es nicht in der Hand hat. Der gebürtige Dortmunder Thiele, der in Ratzeburg lebt, verspricht: Er werde sich nicht einmischen. Gestern hat Wilhelm Thiele loslassen müssen von Ahrensburg.