Zwei Räuber hielten Taxifahrer Petzold auf dem Parkplatz am Oldesloer Hallenbad eine Pistole an den Kopf. Der Abend veränderte sein Leben.

Bad Oldesloe. "Ich will einfach keine Angst mehr haben", sagt Rolf Petzold. Er wirkt nachdenklich, streift sich mit der rechten Hand über seine Glatze. Seine Augen blicken müde. Die Erinnerungen an den Raubüberfall im August vergangenen Jahres quälen den Taxifahrer aus dem Steinburger Ortsteil Mollhagen noch immer. "Es ist nichts mehr so, wie es früher einmal war", sagt der 42-Jährige. Panik-Attacken, Schweißausbrüche und die pure Angst begleiten ihn nun schon seit sieben Monaten bei der Arbeit. Seit dem Tag, an dem sich sein Leben verändert hat. Dem Tag, an dem er zum Opfer wurde.

Der 10. August 2010 ist ein warmer Sommertag. Um 18 Uhr beginnt die Nachtschicht für Rolf Petzold und sein silberfarbenes Taxi am Oldesloer Bahnhof. "Ein ganz normaler Arbeitstag, eigentlich eher langweilig, weil in den ersten Stunden nicht viel los war", sagt Petzold. Um 23.30 Uhr steht der 42-Jährige erneut mit seinem Taxi am Bahnhof der Kreisstadt. Über Funk meldet die Zentrale, dass Fahrgäste an der Schwimmhalle warten. Petzold macht sich sofort auf den Weg.

Nach zwei Minuten biegt er mit seinem Auto auf den Parkplatz am Konrad-Adenauer-Ring ein. Das Schwimmbad hat längst geschlossen, das Gelände ist verlassen. Im Scheinwerferlicht erkennt der Taxifahrer zwei Männer. Beide warten in einer dunklen Ecke. Petzold fährt dicht an seine vermeintlichen Fahrgäste heran.

"Ich hatte nur einen Gedanken: Hoffentlich drückt der nicht ab."

Plötzlich ziehen sich die Männer Masken über den Kopf. Einer reißt die Beifahrertür auf, hält dem Taxifahrer eine Pistole an den Kopf. "Gib mir dein Geld, oder es geht dir schlecht", sagt der junge Mann. "In solch einem Moment dauert es mehrere Sekunden, bis man realisiert, was gerade passiert. Ich stand unter Schock, konnte mich nicht bewegen", sagt Petzold, "dann kam die pure Angst. Ich hatte nur einen Gedanken: Hoffentlich drückt er nicht ab." Der andere Räuber reißt die Fahrertür auf, greift nach dem Portemonnaie. Petzold drückt heimlich auf den Funkknopf und sagt: "Du hast mein Geld, nimm die Waffe runter." Die Mitarbeiter in der Zentrale schalten sofort und alarmieren die Polizei. Während der Streifenwagen zum Hallenbad rast, kann Petzold fliehen. In einem günstigen Moment drückt er aufs Gaspedal. Die Reifen quietschen, beim Blitzstart schlagen beide Türen zu. Die Räuber laufen weg.

"Ich wollte direkt zur Polizei", sagt Petzold, "doch nach wenigen Metern musste ich rechts ranfahren. Ich zitterte am ganzen Körper." Mehr als eine halbe Stunde steht Petzold mit Warnblinklicht am Straßenrand. Die Polizei entdeckt ihn dort. "Natürlich spricht man mit Kollegen darüber, was passiert, wenn man überfallen wird. Wir haben sämtliche Szenarien durchgespielt - aber auch jedes Mal die Gefahr runtergespielt", sagt Petzold und zieht an seiner Zigarette: "Doch im Inneren hat jeder gedacht: Warum sollte dies ausgerechnet mir passieren?"

Nach dem Raubüberfall kann Rolf Petzold kaum schlafen. "Bei jedem noch so leisen Geräusch bin ich wach geworden. Schließlich hatten die Räuber meine Papiere. Ich hatte Angst, sie könnten wütend darüber sein, dass nur 80 Euro in dem Portemonnaie waren und sie sich mehr Geld holen wollten." Hinzu kommt die Sorge um seine 29 Jahre alte Frau und sein sechs Jahre altes Kind. "Doch ich wollte die Angst gegenüber meiner Familie nicht zeigen, sie sollte nicht auch noch darunter leiden."

Bereits nach zwei Tagen setzt sich Petzold wieder ans Steuer seines Taxis. "Mein Arzt hat mir dazu geraten. Er sagte: Jetzt oder nie." Doch die Angst fährt immer mit. Er steuert nur ihm bekannte Adressen an und nimmt nur Stammgäste mit. "Einfach aufhören, das geht nicht. Ich habe eine Familie zu versorgen, und das Geld brauchen wir." Seitdem Petzold seinen Job als Lastwagenfahrer verloren hat, jobbt er ein- bis zweimal die Woche für fünf Euro die Stunde als Taxifahrer. Er hatte gehofft, von dem Unternehmen fest eingestellt zu werden, doch mit den Einschränkungen nach dem Überfall nehme ihn keiner mehr.

Zivilfahnder beobachteten den Überfall, erkannten aber nicht den Ernst der Lage

"Vor rund einem Monat musste ich meine Schicht abbrechen", erinnert sich der Familienvater. Eine Oldesloer Spielhalle war überfallen worden. "Wir bekamen die Durchsage, dass die bewaffneten Räuber auf der Flucht seien. In diesem Moment kam alles wieder hoch. Ich konnte nicht weiterarbeiten."

Ende Januar, als die Gerichtsverhandlung gegen die 21 und 22 Jahre alten Täter beginnt, kehren die schlaflosen Nächte zurück. Die Polizei hatte die beiden Räuber einen Tag nach dem Überfall gefasst. Zivile Ermittler hatten die Täter beobachtet, weil sie unter Verdacht standen, zahlreiche Einbrüche begangen zu haben. In der Tatnacht wollten die Fahnder sie überführen und verfolgten sie bis zur Schwimmhalle. Dort legten sich die Observationsexperten auf die Lauer. Vom Überfall bekamen sie allerdings nichts mit. Sie wunderten sch lediglich darüber, dass plötzlich ein Taxi vorgefahren kam. "Ich glaub', die Polizei ging zu sehr davon aus, dass die beiden in die Halle einbrechen wollten", sagt Petzold.

Als er die Täter auf der Anklagebank sitzen sah, verschlug es ihm die Sprache. "Den einen kannte ich. Er war häufiger bei mir mitgefahren, wir hatten uns ganz normal unterhalten", erinnert sich Petzold und schüttelt den Kopf: "Dem hätte ich solch eine Tat nie zugetraut." Beide Räuber wurden vom Lübecker Landgericht zu Freiheitsstrafen von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.

Rolf Petzold hofft jetzt, eine Therapie machen zu können. "Bisher war noch kein Platz frei. Doch ich möchte meine Angst irgendwann mal unter Kontrolle haben und nicht mehr auf Medikamente angewiesen sein."

Lesen Sie morgen den Fall von Gitta Schurzfeld, 46, aus Ahrensburg, die in einer Bargteheider Spielhalle überfallen wurde.