Bargteheider Jugendfreunde erinnern sich an einen sportlich und literarisch ehrgeizigen jungen Mann

Bargteheide. "Der hat bei Fritz gewohnt": Dieser Satz kommt sofort, wenn es in Bargteheide um Siegfried Lenz geht. "Das stimmt. Er hat in unserem Haus gelebt, oben auf dem Dachboden. Nach dem Krieg. Das waren harte Zeiten", sagt Fritz Schulz. Der heute 86-Jährige lebt noch immer in seinem Elternhaus im Tremsbütteler Weg 7.

Er erinnert sich genau an den gleichaltrigen jungen Siegfried, mit dem ihn auch die Freude am blauen Dunst verband. "Zigaretten waren allerdings schwer zu kriegen. Das war ja das Schlimme. So manche Zigarette haben wir geteilt. Die wurde einfach durchgeschnitten. Für jeden die Hälfte", erinnert sich Fritz Schulz. In eines seiner Bücher hat Lenz die Widmung "An die schöne Zeit der gemeinsamen Not" geschrieben.

65 Jahre ist das her. "Seine Dachbude gibt es längst nicht mehr", sagt Fritz Schulz, der noch lange mit Lenz in Kontakt stand. "Wir haben ihn später in seiner Wohnung an der Hamburger Isestraße und auch in seinem Ferienhaus in Dänemark besucht." Und als sich Fritz Schulz mit seiner Lore verlobte, kam Lenz vorbei. Dass der Autor einer jungen Dame aus dem Kreis der Gäste später ein Gedicht schrieb, ließ so manch andere Besucherin eifersüchtig werden.

Uwe Hemsen gehörte damals zum Kreis derer, die sich wie Lenz die Zeit mit Handball vertrieben: "In der Halbzeit hat er immer gelesen. Ich sehe ihn noch mit einem Buch in der Hand unter dem Baum stehen. Auch in der Bahn hatte er immer ein Buch vor der Nase." Der Studiosus Lenz nutzte offenbar jede Minute, um voranzukommen.

Der sportliche Ehrgeiz war nicht minder groß. "Oh, der war fix", sagt Klaus Andresen. Auch der langjährige Vorsitzende des Verschönerungsvereins kann sich noch gut erinnern. Andresen: "Siegfried gehörte zur Clique. Meine Schwester ist oft mit ihm mit der Bahn gefahren." Die Züge fuhren von Bargteheide aber nur selten. Luise Hemsen: "Lenz ist dann zu Fuß nach Ahrensburg gegangen und hat dort die Bahn genommen."

"Lenz? Ja, das war damals so ein ganz junger Bengel. Der hat bei Fritz gewohnt", sagt Egon Unverhau, der auch Handball spielte und von allen nur Noge genannt wurde: Egon rückwärts. "Jetzt bin ich der Älteste aus der Riege von damals. Im Oktober werde ich 88", sagt der frühere Sportkamerad und Wegbegleiter des Dichters in vergangenen Zeiten.

Aber nicht nur beim Handball machte Lenz eine gute Figur. "Der konnte auch Leichtathletik, egal ob Weitsprung oder 100-Meter-Lauf", erinnert sich Hinnerk Sambraus. Bei einer Jahreshauptversammlung des TSV Bargteheide sei es seinetwegen hoch her gegangen. "Lenz hatte bei einem Wettkampf in allen Disziplinen gewonnen. Die Vereine aus Trittau, Eichede und den anderen umliegenden Ortschaften waren sauer. Wenn Lenz sowieso alle Preise abräumte, wollten sie nicht mehr kommen. Da wurde dann heiß diskutiert", erinnert sich der Tierarzt und Zoologe, der als Schüler von Verhaltensforscher Konrad Lorenz Bargteheide 1957 verließ. Sambraus: "Wenn ich zu Besuch in meine alte Heimatstadt komme, ist Lenz immer wieder ein Thema."

So wird auch die Geschichte erzählt, Lenz habe in der Gaststätte Jägerstube seine Essenmarken eingetauscht. Und irgendwie soll dort auch der Schwarzmarkt geblüht haben. Dass Lenz nach dem Krieg im Schwarzhandel erfolgreich war, erzählt er selbst mit schelmischem Stolz. Ob er auch in Bargteheide diesbezüglich mitmischte, ist nicht bekannt. So ist es auch nur eine Vermutung, dass er für sein Buch "Lehmanns Erzählungen oder So schön war mein Markt" von den Geschehnissen in Bargteheide inspiriert wurde. Aber dass die immer noch existierende Gastwirtschaft Am Markt liegt, ist eine schöne Doppeldeutigkeit, die mit Fantasie auf Bargteheide im Untertitel des Buches hindeutet.

Der Name Sambraus taucht hingegen definitiv in einem Werk von Lenz auf: im Roman "Brot und Spiele", der 1959 erschien. "Es handelt von einem Langstreckenläufer, der aufhören will. An irgendeiner Stelle entspinnt sich eine Diskussion. Und da taucht ein Sambraus auf. So häufig ist der Name ja nicht gerade", sagt Hinnerk Sambraus, der sich sehr darüber freut, weil er Lenz verehrt: "Ich finde ihn toll. Das ist ein Mann, der etwas bewegen will, der ein literarisches Anliegen hat."

Zu Bargteheider Zeiten hatte Siegfried Lenz sein Ziel schon klar vor Augen. Klaus Andresen: "Lenz war ein Nobody. Er war einfach einer von uns. Aber ich weiß noch genau, wie er in der Clique stand und zu uns sagte: Wartet ab, ich werde Schriftsteller. Als ich dann wenige Jahre später im Autoradio ein Hörspiel von Lenz hörte, da wusste ich: Jetzt hat er es geschafft."