Der Fahrlehrer hält die Beschilderung an der Großen Straße in Ahrensburg für rechtswidrig. Das Ministerium teilt seine Auffassung.

Ahrensburg. Zahlen Autofahrer in Ahrensburg Tag für Tag Parkgebühren, obwohl sie es gar nicht müssten? Bekommen diejenigen, die es eben doch nicht tun, zu Unrecht Knöllchen unter die Scheibenwischer ihrer Fahrzeuge geklemmt? Der Fahrlehrer Uwe Lanker ist davon überzeugt. Was die Parkregelung anbelangt, sei das Gebiet rund um die Große Straße ein rechtsfreies Pflaster, meint der 59-Jährige. Und namhafte Juristen halten Lankers Einschätzung zumindest nicht für vollkommen abwegig. "Man wird sich darüber streiten können", sagt Jost Kärger, Verkehrsrechtsexperte beim ADAC.

Schauplatz Große Straße. Wer mit dem Auto in Ahrensburgs Innenstadt vordringt, der muss hindurchfahren zwischen zwei hohen Masten, die opulent mit Verkehrsschildern bestückt sind. Wie Stadttore säumen sie die Zufahrten zum Zentrum. Jenseits dieser Schildertore gilt unter anderem eine "Parkraumbewirtschaftungszone"; Autofahrer müssen einen Parkschein ziehen, sobald sie ihr Auto abgestellt haben. Beziehungsweise: Nach dem Willen der Stadtverwaltung soll es so sein. Doch Uwe Lanker behauptet: "Es gibt gar keine Parkraumbewirtschaftungszonen mehr."

Der Großhansdorfer blättert in der Straßenverkehrsordnung (StVO). Tatsächlich: Darin findet sich nicht ein einziger Hinweis auf die Existenz von "Parkraumbewirtschaftungszonen", darin kommt das Verkehrszeichen mit dem weißen "P" auf blauem Grund und dem Wort "Zone" darunter nicht vor.

Bundesverkehrsminister Ramsauer kippte das Regelwerk

"Dieses Zeichen ist erst mit der 46. Änderungsverordnung der Straßenverkehrsordnung neu eingeführt worden", erklärt Lanker. Und zieht auch jenes Regelwerk aus dem Handschuhfach seines Fahrschulwagens heraus. Darin ist es aufgelistet - als "Zeichen 314-1" in Anlage 3 zu Paragraf 42. "Diese Fassung gilt nicht", sagt Lanker. Die 46. Änderungsverordnung trat am 1. September 2009 noch unter der Ägide des damaligen Bundesverkehrsministers Wolfgang Tiefensee (SPD) in Kraft. Sie sollte dazu beitragen, den Schilderwald an deutschen Straßen zu lichten. Tiefensees Nachfolger Peter Ramsauer (CSU) aber erkläre die Verordnung am 13. April 2010 für nichtig. Er sprach von Formfehlern.

Entbehren die Verkehrszeichen an der Großen Straße insofern jeglicher Rechtskraft? "Nein", sagt Ahrensburgs Stadtjustiziar Thomas Reich. "Die Schilder sind im Oktober 2009, also während der Gültigkeit der 46. Änderungsverordnung, aufgestellt worden. Und wenn sie erst mal stehen, dann stehen sie." Außerdem sei Minister Ramsauers Auffassung aus juristischer Sicht hoch zweifelhaft. "Die Erklärung eines Ministers entfaltet keine Rechtswirkung", sagt Reich. Zudem, räumt er ein, habe die Stadt darauf vertraut, dass der Formfehler in der Änderungsverordnung schnell geheilt werde. Nun wartet er schon beinahe elf Monate auf diese Heilung. "Der Bund lässt uns ein bisschen im Regen stehen", sagt Reich.

Nach Ansicht des schleswig-holsteinischen Verkehrsministeriums hätte Ahrensburg die Schilder längst abbauen müssen. Ministeriumssprecher Harald Haase: "Bereits im Verkehrsraum aufgestellte Verkehrszeichen bezüglich einer Parkraumbewirtschaftungszone und sonstige durch die 46. Änderungsverordnung neu eingeführte Verkehrsschilder entfalten zurzeit mangels Rechtsgrundlage keine straßenverkehrsrechtliche Wirkung."

"Eine Rechtsprechung gibt es in dieser Frage noch nicht"

Die Kommunen sind nach Auffassung der Landesbehörde gehalten, den Parkraum entsprechend der geltenden StVO zu beschildern. Haase weiter: "Durch einen Erlass unseres Hauses vom 26. Mai 2010 sind alle Straßenverkehrsbehörden - auch der Bürgermeister von Ahrensburg - über diese Rechtslage informiert worden."

ADAC-Jurist Kärger möchte sich noch nicht festlegen. "Aufgrund des erkennbaren Sinngehalts würde man sich darüber streiten können, ob die Schilder nicht trotzdem gelten", sagt er, und die Betonung liegt auf dem Wort streiten. Denn: "Rechtssprechung gibt es in dieser Frage noch nicht."

Uwe Lanker könnte das ändern. Er ist ein ruhiger Mann mit gütigen Augen, kein Querulant. Nun hat er es darauf angelegt, aufgeschrieben zu werden. Am 8. Februar um 18.05 Uhr klemmte endlich ein Strafzettel an seinem silberfarbenen VW Polo, am 24. Februar folgte ein Bescheid aus dem Rathaus (Az.: 1102.424). "Selbstversuch", sagt Lanker lächelnd. Ausgang offen.