Großhansdorferin setzt sich dafür ein, dass Hochbegabte früher gefördert werden. Die Grundschule begrüßt die Initiative sehr.

Großhansdorf. Susanne Braun-Speck kennt sie aus ihrer Großhansdorfer Nachbarschaft: Kinder, die anders sind. Kinder, deren intellektuelles Potenzial viel größer ist als das Gleichaltriger. Kinder, die dennoch - oder gerade deshalb? - oft als Problemfälle gelten. Es sind Kinder, die Susanne Braun-Speck an dieser Stelle Markus oder Annika nennen will. Markus zum Beispiel kann rechnen wie der Blitz, aber er hat Probleme, sich zu artikulieren. Und Annika zappelt den ganzen Tag nur rum. Sie ist das auffälligste Kind in ihrer Klasse.

Nach Einschätzung der Großhansdorfer Unternehmerin Braun-Speck sind Markus und Annika zwei typische Beispiele für hochbegabte Kinder, deren Talente womöglich nicht richtig gefördert werden, ja möglicherweise noch nicht mal erkannt worden sind. Braun-Speck will das ändern. Die 42-Jährige unternimmt einen ungewöhnlichen Vorstoß. Sie arbeitet daran, dass Hochbegabung schon an der Grundschule thematisiert wird, nicht erst an den weiterführenden Schulen - das wäre ein Novum in Stormarn.

Die Großhansdorferin hat die Kieler Psychologin und Psychoanalytikerin Karin Joder zu einem Vortrag an die Grundschule am Wöhrendamm eingeladen. Joder gilt als Koryphäe in der Diagnose und Förderung von Hochbegabung. Sie sagt, sie könne Hochbegabung schon bei Zweieinhalbjährigen feststellen. Susanne Braun-Speck möchte auch in Großhansdorf Angebote für Hochbegabte im Grundschulalter schaffen. Der Bedarf sei da: "Statistisch gesehen sind zwei bis drei Prozent aller Menschen hochbegabt."

Ralph Märcker, Rektor der Grundschule am Wöhrendamm, hat die Initiative der engagierten Mutter gern aufgenommen. Der Pädagoge betont allerdings: "Wir wollen jetzt keine Eliteschule werden, wir wollen hier auch keine Programme durchziehen." Die Grundschule sei und bleibe der Ort, an dem Kinder mit unterschiedlichsten intellektuellen Voraussetzungen zusammen lernen. "Wir bringen den Kindern die Klaviatur bei", sagt Märcker. "Dabei müssen wir aber auch darauf achten, den der Komposition Fähigen nicht zu vernachlässigen." Insofern wolle die Schule künftig dem Thema Hochbegabung mehr Beachtung schenken. Es gehe jetzt erst mal darum, den Bedarf für Angebote zu ermitteln, die dann geschaffen werden könnten.

Was für eine Grundschule, die allen gerecht werden will und muss, nicht leicht ist. Das sogenannte Enrichment-Programm des Landes zur Förderung begabter Kinder, in dem nachmittags Kurse angeboten werden, richtet sich bislang fast ausschließlich an Schüler von der fünften Klasse an aufwärts. Etliche Kurse sind sogar erst für Neuntklässler geeignet. "Und wir im Kollegium haben einfach nicht die Möglichkeiten, zusätzlich Stunden für Hochbegabte zu geben", sagt Wöhrendamm-Rektor Märcker. Sollte sich aber ein Bedarf abzeichnen, werde die Schule versuchen, unter dem Dach des Enrichment-Programms auch Angebote für Grundschüler aus Großhansdorf und Umgebung zu schaffen.

Aber der Bedarf steht ja noch nicht mal fest. Karin Joders Vortrag soll Eltern erste Anhaltspunkte dafür geben, ob ihr Kind überhaupt hochbegabt sein könnte. Susanne Braun-Speck nennt einen anerkannten messbaren Wert: ein Intelligenzquotient (IQ) von 130 oder darüber. Ab 120 spreche man von überdurchschnittlicher Begabung. Der Durchschnitt liege in Deutschland bei 108. Doch wer lässt den IQ seines Kindes schon mal ohne irgendeinen Anlass messen?

Lehrerin Corinna Schilke, die an der Wöhrendamm-Schule Ansprechpartnerin für die Eltern überdurchschnittlich begabter Kinder ist, sagt: "Oft fällt schon den Erziehern im Kindergarten auf, dass ein Kind zum Beispiel etwas schneller zusammenzählen kann als die anderen. Und insbesondere bei vorzeitigen Einschulungen werfen wir natürlich auch einen besonderen Blick auf die Kinder." Initiatorin Susanne Braun-Speck betont, dass auch Verhaltensauffälligkeiten ein Zeichen für Hochbegabung seien können. Manchmal äußerten sich Hochbegabung und das Aufmerksamkeitsdefizitssyndrom ADSH ganz ähnlich. Braun-Speck empfiehlt, im Zweifelsfall einen Kinderarzt und gegebenenfalls einen Spezialisten zu Rate zu ziehen. Denn das Schlimmste sei, wenn eine mögliche Hochbegabung unentdeckt bleibe. "In erster Linie leidet das Selbstwertgefühl der Kinder extrem darunter. Sie werden depressiv oder aggressiv. Sie werden Einzelgänger." Schulleiter Ralph Märcker sagt, manche unentdeckte Hochbegabte würden Leistungsverweigerer, andere zögen sich in sich zurück. "Manchmal", so Märcker, "zeigt aber auch der Wildwuchs erstaunlich gute Früchte."