Pastoren beklagen gestiegene Arbeitsbelastung. Kritik an der Kirchenleitung: “Keine Kultur der Wertschätzung“

Ahrensburg. Zufriedenheit und Missmut liegen bei den Pastoren der künftigen Nordkirche nah beieinander. Das zeigt eine Umfrage unter den knapp 1900 Seelsorgern der Nordelbischen Kirche, der evangelischen Landeskirche Mecklenburgs und der Pommerschen Evangelischen Kirche. Erstmals liegen der Kirche damit belastbare Daten vor. Danach sind etwa drei Viertel der Befragten mit ihrem Beruf zufrieden oder sehr zufrieden. Gleichzeitig beklagten aber zwei Drittel die gestiegene Arbeitsbelastung.

Während knapp 60 Prozent der Geistlichen nach der Erhebung mit ihrem unmittelbaren Vorgesetzten zufrieden sind, herrscht bei 44 Prozent Unzufriedenheit mit der Leitung generell. Mehr als 90 Prozent wünschten sich ein regelmäßiges Jahresgespräch mit ihrem Vorgesetzten. Knapp 65 Prozent der Pastoren gaben 2010 dem Marburger Institut für Wirtschafts- und Sozialethik (IWS) Auskunft zu ihrer Berufssituation, darunter etliche der 115 Pastoren im Kreis Stormarn.

"Sicherheit, Gebäudemanagement, Haushalt - ich bin für alles zuständig"

Einer von ihnen ist der Reinbeker Pastor Rolf Kemper. Die Arbeitsbelastung sei enorm gestiegen. "Vor zehn Jahren hatten wir noch zwei Pfarrstellen, jetzt muss ich mich allein um alles kümmern", sagt der 58-Jährige, "doch die Zahl der Gottesdienste und Taufen hat nicht abgenommen." Im Sommer bekomme er eine weitere halbe Stelle zur Unterstützung. "Das Berufsbild hat sich stark gewandelt. Heute bin ich für alles zuständig, von der Sicherheit am Arbeitsplatz über das Gebäudemanagement bis zum Haushalt." Ein Jahresgespräch habe er mit seinem Vorgesetzten aber noch nie gehabt.

Auch Anja Botta, Pastorin in Ahrensburg, würde sich einen besseren Austausch mit Pröpsten wünschen. "Besonders in Krisensituationen wäre es gut, die Sicht der Vorgesetzten zu erfahren", sagt die 38-Jährige. Zudem wünsche sie sich, mehr Zeit für die Seelsorge zu haben. "Doch der Bürokram verschlingt viel Zeit. Früher hatte jedes der drei Pastorate in Ahrensburg ein eigenes Sekretariat. Jetzt gibt es nur noch eines für alle."

Für solche Verwaltungsaufgaben sei sie nicht Pastorin geworden, sagt ihre Barsbütteler Kollegin Sabine Erler, die einen Stab von 50 Angestellten führt. Ist sie zufrieden mit der Kirchenleitung? "Auf Leitungsebene herrscht keine Kultur der Wertschätzung", sagt die 55-Jährige. "Ich habe das Gefühl, dass die geleistete Arbeit nie genug ist." Regelmäßige Jahresgespräche hingegen erachte sie nicht als notwendig. "Das brauche ich nur in Krisenzeiten." Für sie leide die Kirche nicht an einer strukturellen Krise, sondern an einer geistlichen. Sabine Erler: "Wir reden von Spiritualität, aber es gibt keinen Raum, sie zu leben."

Als besonders kritische Zukunftsfaktoren hatten drei Viertel der Befragten fehlenden Theologennachwuchs und den Mitgliederschwund eingestuft. Allein aus der Ahrensburger Gemeinde, die 2010 von einem Missbrauchsskandal erschüttert wurde, traten im selben Jahr 266 Menschen aus.

"Ein Pastor ist schließlich dafür da, dass er Zeit für die Menschen hat"

"Auch wir leiden unter Mitgliederschwund", sagt Erler, die seit 15 Jahren die Barsbütteler Gemeinde betreut. "Jeder Austritt tut mir in der Seele weh." In den vergangenen acht Jahren sank die Zahl der Kirchenmitglieder in Reinfeld von 6400 auf 6100. Ein verhältnismäßig geringer Rückgang im Vergleich zu anderen Gemeinden. Der Reinfelder Pastor Bernd Berger blickt dennoch nicht sorgenvoll in die Zukunft. Doch der 52-Jährige weiß: "Wenn ich in Ruhestand gehe, wird es eng, was den Pastorennachwuchs angeht." Bei zweieinhalb Stellen bleibe ihm genügend Zeit für die Kerntätigkeiten, aber auch für Projekte im diakonischen Bereich: "Ein Pastor ist schließlich dafür da, dass er Zeit für die Menschen hat."

Gespräche mit seinem Propst führe Berger alle anderthalb Jahre.

Christian Schack, Pastor in Siek, bemängelt zwar auch den gestiegenen Verwaltungsaufwand und die größeren Pfarrbezirke, sagt aber auch: "Ich habe Spaß an meinem Beruf. Und es ist schön zu sehen, dass die Menschen dies wertschätzen."

Im Grundsatz sind Jahresgespräche gängige Praxis, sagt Norbert Radzanowski, der Sprecher der Nordelbischen Kirche. Die Umfrageergebnisse würden jetzt in einem Arbeitsbuch veröffentlicht, das jeder Seelsorger und Synodale erhalte. Mit der Publikation sei jedoch die Befragung nicht abgeschlossen. Gothart Magaard, Bischofsbevollmächtigter im Sprengel Schleswig und Holstein, sagt: "Wir betrachten das Arbeitsbuch als Startimpuls. Es bietet die Grundlage für einen jetzt anlaufenden Beratungsprozess in den Pastorenkonventen und kirchenleitenden Gremien." Die Ergebnisse würden im kommenden Sommer ausgewertet.