Rund 100 Menschen sind ehrenamtlich für das Technische Hilfswerk in den Ortsverbänden Ahrensburg und Bad Oldesloe im Einsatz

Bad Oldesloe. Sie verhinderten schneebedingte Dacheinstürze beim Lidl-Lager in Siek und beim Barsbütteler Gartenmöbelhersteller Ploß, bewahrten Reinfeld eine Woche lang vor einem Wehrbruch am Herrenteich. Als "blaue Engel" von Stormarn erweisen sich die Ortsverbände des Technischen Hilfswerks (THW) in Bad Oldesloe und Ahrensburg als Retter in der Not, nicht nur im vergangenen Jahr. Sie unterstützen mit rund 100 Ehrenamtlichen Feuerwehr und Polizei bei Bränden, Überflutungen, Stromausfällen, Sturmschäden, Unfällen oder Suchaktionen. Katastrophen sind ihr Metier.

Wenn das Handy von Ronald Giese klingelt, ist die Bereitschaft der Ahrensburger Helfer gefragt. "Polizei, Feuerwehr oder Katastrophenschutz fragen bei uns an, ich lasse dann von der Leitstelle die Funkempfänger unserer Helfer auslösen", sagt der THW-Ortsbeauftragte, "oder aber die Leitstelle fordert uns direkt an." Ist Gefahr im Verzug, sollen die Helfer dafür auch ihren Arbeitsplatz verlassen - vorausgesetzt, der Arbeitgeber ist einverstanden. "Die meisten Unternehmen unterstützen das Ehrenamt ihrer Mitarbeiter", sagt Giese. Sein Lage- und Koordinierungsstab, kurz LuK, verteilt dann die im Einsatz befindlichen Kräfte, meldet An- und Abwesenheiten.

Beide Stormarner Ortsverbände verfügen über sogenannte Bergungsgruppen, die vielseitigste Gruppe im Technischen Zug. Sie rettet Menschen, Tiere und Sachwerte aus Gefahrensituationen, sichert und räumt Unfallstellen, richtet Wege und Übergänge her. "Hinzu kommen die verschiedenen Fachgruppen", sagt Olaf Göttsche, THW-Ortsbeauftragter für Bad Oldesloe. "Sie werden nach dem Baukastenprinzip hinzugerufen, jeder Ortsverband hat eigene Schwerpunkte."

Unglücksstellen können nachts taghell ausgeleuchtet werden

Die Ahrensburger können mit ihrer Fachgruppe Beleuchtung dank eines Lichtmastes mit 20 Kilovoltampere Unglücksstellen nachts taghell auf 150 mal 20 Meter langen Strecken ausleuchten. Zur Ausstattung gehören Halogen-, Hochleistungsmetalldampf-, Arbeitsstellen- und Handleuchten. "Mit unserem Notstromaggregat haben wir die Kreisverwaltung beim Stromausfall versorgt", sagt Göttsche, dessen Hauptquartier seit drei Jahren an der Elly-Heuss-Knapp-Straße im Oldesloer Gewerbegebiet liegt. Seine Fachgruppe Logistik hält unter anderem eine mobile Werkstatt parat, um Kettensägen zu schärfen oder Einsatzfahrzeuge zu reparieren. Stößt die Leistungsfähigkeit technischer Geräte an ihre Grenzen oder verspricht deren Einsatz keinen Erfolg, hilft Sprengtechnik. "Unsere Fachgruppe Sprengen könnte zum Beispiel Deiche sprengen, um bei extremen Hochwasser gezielt Wasser ablaufen zu lassen", sagt Göttsche. Auch lebensbedrohliche Sturmschäden im Wald ließen sich auf diese Weise bereinigen.

Die Helfer waren auch schon in Frankreich und Bosnien

Seit 25 Jahren ist Göttsche ein "blauer Engel". Das THW sei für ihn eine Alternative zur Bundeswehr gewesen, sagt der 44-Jährige. Mit der Verpflichtung, zehn Jahre fürs Hilfswerk tätig zu sein, sparte sich der selbstständige Handwerksmeister den Wehrdienst, bildete sich stattdessen beim THW fort. "Die Kameradschaft spielt eine große Rolle", begründet der zweifache Familienvater seine Verweildauer, "gerade jetzt, wo die Wehrpflicht wegfällt und das Ehrenamt noch wichtiger wird."

Die Ortsverbände helfen weit über Stormarns Grenzen hinweg. Nicht nur beim jüngsten Elbe-Hochwasser in Herzogtum-Lauenburg, sondern auch im Ausland. So halfen die Ahrensburger 2000 in Frankreich, nach schweren Sturmschäden Versorgungsleitungen aufzubauen. Der Einsatz von Kollegen ein Jahr zuvor anlässlich des Orkans "Lothar" brachte dem Hilfswerk den Spitznamen "blaue Engel" ein. Aus Dankbarkeit für die Hilfe bei der Beseitigung der Schäden hoben die französischen Nachbarn das geflügelte Wort für die deutschen Helfer aus der Taufe.

Hilke Schütt vom Ortsverband Bad Oldesloe verschlug es 2004 für acht Monate nach Bosnien. "Das war mein erster Job. Ich hatte gerade mein Architekturstudium beendet", sagt die Heilshooperin. "Ich half als eine der wenigen Frauen beim Häuseraufbau." Ihr Mann Henning fuhr damals während seines Urlaubs fürs THW Hilfsgütertransporte ins kriegsgebeutelte Land.

Hilke Schütt ist seit 18 Jahren aktive Helferin. 1993 begann sie als Betreuerin der Oldesloer Jugendgruppe. "Mittlerweile hatte ich so ziemlich jeden Posten im Ortsverband inne: Gruppenführer, Verwaltungshelfer, Ausbildungsbeauftragter, Koch", sagt die 35-Jährige. In Spitzenzeiten habe sie mit ihrem Mann 600 Stunden im Jahr fürs THW gearbeitet. Im Moment fordert jedoch die Familie ihren Tribut. Im Tragetuch vor ihrer Brust verfolgt das sechs Monate alte Töchterchen Hanna aufmerksam das Geschehen um sie herum. Im Führerhaus der blauen Sattelzugmaschine thront stolz Sohn Tim. Eine Mütze mit THW-Aufdruck ziert den Kopf des Dreijährigen.

In drei Jahren könnte der Filius selbst mitmachen. Im vergangenen September hat Ahrensburg die erste Mini-Gruppe des Landesverbands gegründet. Alle zwei Wochen treffen sich 15 Sechs- bis Neunjährige sonnabends im Rettungszentrum am Weinberg. "Wir schulen die Kinder in Erster Hilfe oder basteln, um ihnen technische Zusammenhänge näherzubringen", sagt Betreuerin Karmen Liiva.

Spätestens im April ziehen die Ahrensburger Helfer in ihren Neubau am Roggenweg, den ersten Musterbau im Länderverband, der nach aktuellem THW-Standard gebaut wird. Die Richtlinie sieht seit 2008 eine einheitliche Gestaltung beim Bau von Verbandsgebäuden und Fahrzeughallen vor, die dank Musterplanungen auch Zeit und Kosten sparen soll. Zum Gelände am Roggenweg gehört auch eine knapp 17 Meter lange unterirdische Übungsstrecke, wo Helfer die Beseitigung von Trümmern, Wanddurchbrüche oder das Abstützen trainieren können.

In den Jugendgruppen dürfen Zehn- bis 18-Jährige richtig mitarbeiten

In den THW-Jugendgruppen dürfen die Zehn- bis 18-Jährigen bereits richtig mitarbeiten. "Beim Stadtfest haben wir die Seilbahn aufgebaut", sagt Jan-Philipp aus Bad Oldesloe. Der 17-Jährige kam vor fünf Jahren durch seinen Freund Felix zum Hilfswerk, beide seien "technikbegeistert". Die Jugendlichen lernen den Umgang mit Bergungsgeräten wie dem Scherenspreizer, proben das Bewegen von Lasten oder das Binden von Dreiböcken für den Stegebau. 35 Jugendliche sind es in Ahrensburg, zwölf in Bad Oldesloe. Einmal im Jahr geht es ins Jugendlager auf ein Polizei- oder Militärgelände, zum Beispiel in Hamburg, Plön oder Ratzeburg.

Der Nachwuchs darf auch an THW-Übungen im Kreis teilnehmen. Laura, das einzige Mädchen der Oldesloer Jugendgruppe, war schon zweimal dabei. "Wir haben Einsätze bei Deichbruch, Unfall, Brand und Personensuche simuliert", sagt die 17-Jährige. Sie begleitete Fahrzeuge, kümmerte sich um die Betreuung von Verletzten, kommunizierte per Funk. Langeweile habe sie 2009 zum THW gebracht. Jetzt ist Laura entschlossen, die Grundausbildung zu absolvieren. Im April wird sie einen Tag lang theoretisch und praktisch geprüft: auf den richtigen Umgang mit Werkzeugen und Geräten, auf ihr Wissen über das THW und den Bevölkerungsschutz sowie auf ihr Verhalten im Einsatz. Besteht sie, gilt sie fortan als aktive Helferin. "Dann darf ich endlich bei Einsätzen mitmachen", sagt Laura. Drei Jugendliche pro Jahr blieben dem THW durchschnittlich als Helfer erhalten, sagt ihr Ortsbeauftragter. "Wir freuen uns über jeden, der bleibt."

Manchmal ist der Anlass eines Einsatzes alles andere als eine Katastrophe. Im Oktober vergangenen Jahres wurden die Ahrensburger zu den Dreharbeiten des No-Budget-Films "Domino Effekt" gerufen. Regisseur Janco Christiansen drehte in Ammersbek einen SEK-Einsatz. Vier Ahrensburger THW-Helfer sorgten nicht nur für Licht und Strom beim fiktiven Polizeieinsatz, sondern wirkten auch als Statisten mit. Während Tim Schumacher, Michael Seifert und Tracy Sommer als Helfer für die Betreuung der befreiten Geisel zuständig waren, durfte Jan Kaubek in die Rolle eines Polizisten schlüpfen.