Unsere Schule: Das Abendblatt stellt die Theodor-Storm-Schule in Bad Oldesloe vor

Bad Oldesloe. Mit ihren kleinen Fingern ertastet Antonia den Schraubenkopf. Die andere Hand umfasst fest den schwarz-roten Griff des Schraubenziehers. Vorsichtig dreht die Zehnjährige das Metall in den Holzblock. "Das wird ein Eisenbahnwaggon", sagt die Fünftklässlerin. "Ich habe meinem kleinen Bruder Noah zu Weihnachten die Lokomotive geschenkt, und jetzt baue ich die Anhänger." Antonia liebt es, nach Unterrichtsschluss in die kleine Schulwerkstatt zu kommen. Es riecht nach Holz und Leim. Die Kreissäge kreischt.

Der Nachmittagskursus "Holzmodelle" ist einer von mehr als 20 Kursen, die die Theodor-Storm-Schule anbietet. Die Oldesloer Gemeinschaftsschule ist eine offene Ganztagsschule, in der die Kinder montags bis donnerstags von 14 bis 15.30 Uhr betreut werden können. "Ältere Kinder nutzen besonders gern das Sportangebot", sagt Petra Adelmeier, die das Ganztagsangebot koordiniert. "Beispielsweise können sie Volleyball oder Tischtennis spielen. Wir haben sogar einen Mädchenfußballkursus." Auch für musikalisch interessierte Schüler gibt es eine bunte Palette an Angeboten. Die Kinder können Gitarren- oder Geigenunterricht nehmen, in einer Big Band spielen oder in die Pop AG eintreten. "Der Renner ist allerdings der Kochkursus", sagt Adelmeier.

Von den circa 700 Schülern der Theodor-Storm-Schule nutzen rund 380 das Nachmittagsangebot. "Insbesondere für Eltern, die beide berufstätig sind, ist dies in Zeiten mangelnder Betreuungsplätze eine gute Möglichkeit", sagt Karin Schmidt, Vorsitzende des Elternbeirats. Sie findet die offene Ganztagsschule besonders gut, da sie selbst bestimmen kann, an welchen Tagen ihre Tochter nachmittags betreut wird.

Die Kurse sind fast alle kostenlos. Nur für ganz wenige müssen die Eltern einen kleinen Beitrag zahlen. Bei Antonia sind es zum Beispiel rund zwei Euro für Holz und weiteres Baumaterial für die Holzeisenbahn. Aber nicht nur Spiel- und Freizeitkurse werden nach Schulschluss angeboten. "Es gibt auch Nachhilfe in Englisch oder Mathe und eine Hausaufgabenhilfe", sagt Adelmeier.

Um schwache Kinder zu fördern, haben Lehrer im vergangenen Jahr das OASE-Projekt ins Leben gerufen. "Es richtet sich eher an junge Schüler, die ihren Alltag nicht organisieren können, keine Strukturen kennen", sagt Adelmeier. Das seien Kinder, die häufig ihre Bücher oder Hefte vergessen, ohne Pausenbrot kommen oder unpünktlich sind. In Gruppen von maximal vier Kindern geht es unter anderem darum, wie abends der Schulranzen gepackt wird.

"Einige Eltern nehmen sich nicht die nötige Zeit für ihre Kinder oder stehen morgens vielleicht selbst nicht auf", sagt Schulleiterin Barbara Richter-Conrad. Sechs OASE-Gruppen gibt es derzeit. "Vor einem Jahr haben wir mit zwei Gruppen angefangen, jedoch wird der Bedarf immer größer", sagt Petra Adelmeier. Die Eltern können selbst bestimmen, ob ihre Kinder nachmittags in die OASE-Gruppe gehen.

Eine Chance auf einen Schulabschluss sollen auch Kinder bekommen, die kein Deutsch sprechen können. Seit rund vier Jahren gibt es an der Oldesloer Gemeinschaftsschule das DAZ-Projekt (Deutsch als Zielsprache). Die Kinder lernen in kleinen Gruppen. "Wir haben beispielsweise Kinder aus dem Kosovo, aus Afghanistan, aus der Türkei und aus Polen", sagt Lehrerin Barbara Stenzel-Buchholz. Sechs Kinder werden täglich vier Stunden lang unterrichtet und lernen spielerisch Deutsch. "Treffen wir uns, Johanna?", liest der 14 Jahre alte Murteza aus Afghanistan langsam und holprig von einer kleinen Spielkarte ab. "Ich bin nicht Johanna", antwortet Fatlum, 15, aus dem Kosovo und schiebt seine Spielkarte neben die von Murteza. Beide spielen "SMS für dich". Ziel ist es, aus einem Stapel von Spielkarten, auf denen Fragmente eines Gesprächs gedruckt sind, einen Dialog zusammenzusetzen.

Murteza lebt seit neun Monaten in Deutschland. Er kommt jeden Tag aus Bargteheide. Fatlum lebt seit August vergangenen Jahres mit seiner Familie in Ahrensburg. Seine 14 Jahre alte Schwester Brendona ist ebenfalls in der DAZ-Klasse und lernt gerade Grammatik. Sie muss Wörtern wie Hund, Haus oder Frau den richtigen Artikel zuweisen. Lehrerin Stenzel-Buchholz hilft den Kindern. "Wir frühstücken auch jeden Tag zusammen", sagt sie. Dafür hat die DAZ-Klasse eine eigene Küche. "Wichtig ist, dass wir uns unterhalten, von unseren Familien von unserer Freizeit erzählen. Und das geht nur auf Deutsch, da fast jeder eine andere Muttersprache hat", sagt Stenzel-Buchholz.

Wie gut das Integrationsprojekt an der Theodor-Storm-Schule funktioniert, beweisen Schüler wie Ahmet, 17, aus der Türkei. Er gehörte vor rund vier Jahren zu den ersten DAZ-Schülern. Heute ist er einer der Besten seines Jahrgangs und wird bald den Realschulabschluss ablegen. "Danach möchte ich das Abitur machen", sagt er in akzentfreiem Deutsch.

Mehr als die Hälfte der Jugendlichen geht nach dem Mittleren Abschluss weiter zur Schule, um Abitur zu machen. Denn nicht nur die schwachen Schüler werden in speziellen Kursen unterrichtet, auch begabte Schüler werden gefördert. Kinder, die beispielsweise gut in Fremdsprachen sind, haben in der siebten Klasse Erdkunde auf Englisch. "Lehrer schlagen Schüler für diesen Unterricht vor, und die Eltern müssen zustimmen", sagt Katharina Schulz, die das Fach unterrichtet. "Die Schüler haben im Unterschied zu ihren Klassenkameraden, die am regulären Erdkundeunterricht teilnehmen, pro Woche eine Schulstunde mehr. Schließlich müssen die Vokabeln gelernt werden." Atlanten und sämtliche Unterrichtsunterlagen zu den Themen Afrika, tropischer Regenwald oder Orient sind auf Englisch. Auch die Klausuren werden in der Fremdsprache geschrieben.

Unterrichtet wird im modernen Lernatelier der Schule. Dort ersetzt ein Touch-Screen-Monitor die Tafel. Wenn dort der afrikanische Kontinent erscheint, steht daneben eine Liste mit den Hauptstädten. Die Schüler müssen die "Capitals" den "Countries" zuweisen und schieben die Stadt an den richtigen Ort auf der Landkarte.

Die beiden Schulsprecherinnen Amelie, 17, und Leonie, 15, meinen, dass das Lernen mit moderner Technik viel mehr Spaß macht. Die Zehntklässlerinnen schätzen das konstruktive Klima an der Theodor-Storm-Schule sehr. "Beispielsweise ist vergangenes Jahr verboten worden, in den Pausen das Schulgelände zu verlassen. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass dieses Verbot in der einstündigen Mittagspause gelockert wird", sagt Leonie. Mit Erlaubnis der Eltern können Schüler das Areal jetzt wieder verlassen.

Auch Maximilian, 15, gefällt die gute Stimmung unter Lehrern und Schülern. Er ist der einzige Junge im Nähkursus, der Teil des Wahlpflichtfaches "Wohnen und Wohnraumgestaltung" ist. "Ich fühle mich wohl", sagt er, während er den Faden an seiner Nähmaschine einspannt. "Wir nähen heute ein Kissen."

Antonia, die schon den zweiten Waggon aus Holz baut, spielt mit dem Gedanken, Tischlerin zu werden: "Mein Opa ist Schreiner, und mir gefällt der Beruf." Allerdings endet der Kursus für sie in dieser Woche. "Wir ziehen nach Bargteheide", sagt sie. "Ich werde meine alte Schule vermissen."