Frauke Benox richtet in Bargteheide eine bislang in Stormarn einzigartige Beratung ein

Bargteheide. Der Sohn ist geistig behindert und lebt seit seiner Geburt zu Hause - und das seit fast 50 Jahren. Jetzt schafft es sein Vater nicht mehr. Er ist 75 Jahre alt und steht mittlerweile allein vor dem Problem. Seine Frau ist vor kurzem gestorben. Was soll nun aus dem Kind werden, das längst erwachsen ist und doch nicht für sich allein sorgen kann? Es ist ein Fall von vielen. Frauke Benox kennt sie. Jetzt kann sie etwas tun, denn jetzt ist die Diplom-Psychologin Anlaufstelle für Eltern, die sich in einer ähnlichen Lage befinden, und auch für Behinderte selbst, die ihren Weg in ein weitgehend selbstbestimmtes Leben gehen wollen.

Am 27. Januar wird Frauke Benox ihre erste Sprechstunde für Menschen mit Handicap und deren Angehörige abhalten - so wie künftig jeden vierten Donnerstag im Monat von 15 bis 17 Uhr im Beratungszimmer des Bargteheider Rathauses. Es ist ein in Stormarn völlig neues Angebot. Und es steht jedem offen, nicht nur den Bargteheidern. Die Gespräche sind kostenlos, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Träger ist die prosocial, eine 100-prozentige Tochter der Evangelischen Stiftung Alsterdorf, die bis 2010 noch Alsterdorf Assistenz Umland hieß.

"Während der beiden Beratungsstunden bin ich zu 100 Prozent für die Betroffenen da. Aber ich bin auch sonst jederzeit über Telefon erreichbar, um andere Termine zu vereinbaren", sagt Frauke Benox. Sie will nicht nur vom Schreibtisch aus agieren, sondern den Menschen in schwierigen Situationen auch wirklich beiseitestehen. "Beispielsweise bei der Besichtigung einer Wohnung, bei der Suche nach einer Wohnung, nach einem Lese- und Schreibkursus oder anderen Bildungsmöglichkeiten oder auch bei der Besichtigung eines infrage kommenden Arbeitsplatzes", sagt die Psychologin, die vorher Arbeitslose vermittelt hat. Jetzt möchte sie ihr Wissen und ihre Kontakte nutzen, um auch behinderte Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt unterzubringen. Benox: "Das kann beispielsweise eine leichtere Tätigkeit wie die Grundstückspflege sein."

Eine mögliche Beschäftigungsmöglichkeit schafft die prosocial gerade selbst. So können die geistig behinderten Menschen, die im Wohnprojekt in der Bargteheider Bahnhofstraße leben, bald Mitarbeiter einer kleinen Wäscherei sein. Die Boutique unten im Haus ist ausgezogen. "Nun bauen wir den Laden um", sagt der Geschäftsführer der prosocial, Raimond Jacob.

Im hinteren Teil werden Waschmaschine und Trockner angeschlossen. Sanitärräume werden hergerichtet. Und es wird eine Teeküche für die Selbstversorgung geben. Das Geschäftsmodell: Kleine Handtücher reinigen, die in öffentlichen Sanitärräumen für die Kunden bereitliegen. Im Juli soll die Eröffnung sein. Jacob: "Wir wollen zuerst in Verwaltungen und in Arztpraxen anfragen. Wenn das funktioniert, würden wir uns gern vergrößern und ins Gewerbegebiet ziehen.", sagt Jacob - und blickt hinüber zum Bürgermeister.

Von ihm kann er volle Unterstützung erwarten. Henning Görtz ist von dem Ziel, Behinderten ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, überzeugt. Das Beratungskonzept der prosocial, die in ein großes Netzwerk eingebunden ist und nicht nur eigene Angebote kennt und empfiehlt, sei dabei eine große Hilfe. Görtz: "Es gibt auf jeden Fall einen enormen Bedarf. Ich habe gerade mit Eltern gesprochen, deren Kind demnächst von der Woldenhornschule abgeht. Jetzt überlegen sie, was das Beste ist. Wo kann ihr Kind arbeiten? Wo kann es leben?"

Wie gut die Integration von Behinderten funktioniere, die in betreuten Wohngruppen leben, dafür sei Bargteheide das beste Beispiel. "Wir haben mittlerweile eine ganze Reihe von Einrichtungen, die in unserer Stadt betreutes Wohnen anbieten." Rund 60 Menschen mit Behinderungen leben Tür an Tür mit den Bargteheidern. "Die meisten Nachbarn merken das gar nicht", sagt der Bürgermeister, "und genau das ist das Ziel."

Frauke Benox von der prosocial ist jeden vierten Donnerstag für Behinderte und deren Angehörige da. Die zweistündige Sprechstunde im Rathaus beginnt um 15 Uhr. Wer einen bestimmten Termin wünscht, sollte vorher anrufen (Telefon 04532/28 30-120).