Der Sülfelder Veterinär Thomas Busch setzt sich mit seinen Kollegen weltweit gegen das Elend von Straßentieren ein.

Sülfeld. Obwohl Thomas Busch gerade sechs Wochen in der Karibik war, zeigt sein Gesicht keine Spur von Urlaubsbräune. Der 44-Jährige war nämlich in Las Terrenas auf der Halbinsel Samaná im Nordosten der Dominikanischen Republik im Einsatz. Der Trip ins Urlaubsparadies bedeutete für ihn vor allem viel Arbeit. Statt auszuspannen, kastrierten Busch und seine Kollegen nahezu im Minutentakt Straßenhunde und streunende Katzen.

Seit zehn Jahren ist Thomas Busch Vorsitzender der Initiative Tierärztepool. Mit einem Dutzend Kollegen und freiwilligen Helfern aus Deutschland, Österreich und Portugal kämpft der Veterinär gegen die rasant steigende Zahl von Straßentieren. In südosteuropäischen Ländern wie Bulgarien und Rumänien, in den Slums der Kapverdischen Inseln, aber auch in Jetset-Hochburgen wie Tossa de Mar an der spanischen Costa Brava sind die Tierschützer im Einsatz.

"Gerade südeuropäische Länder haben Probleme mit Straßentieren", sagt Busch. Für genervte Hoteliers und vermutlich sogar für so manche überforderte Behörde ist es die effektivste Lösung, Giftköder auszulegen. Das ist für Thomas Busch jedoch nicht nur grausam, sondern auch sinnlos: "Die Tierpopulation hängt vom Futter- und Wasserangebot ab. Wenn zum Beispiel die Hunde vergiftet werden, kommen von außerhalb neue Hunde an die Futterstellen, die sich auch weiter vermehren. Werden die Tiere jedoch kastriert und bleiben da, sterben sie nach und nach - so löst sich das Problem."

Operiert wird meist im Zelt, in einer Garage oder im Hobbykeller

Der Fachmann hält auch nichts davon, die Tiere einzufangen und in eines der allzu oft miserabel geführten Tierheime zu sperren. In vielen Fällen können sich Katzen und Hunde auch dort ungehindert weiter vermehren. "Bevor man Tausende Euro in Tierheime investiert, die in keiner Weise das Übel an der Wurzel beseitigen, soll man das Geld in eine Kastrationsaktion stecken. Das versuchen wir in die Köpfe der Verantwortlichen zu kriegen." Der Tierärztepool kastriert sowohl Weibchen als auch Männchen. Da so auch der Sexualtrieb gestoppt wird, sind die Straßentiere weniger aggressiv und kopflos - und verursachen weniger Verkehrsunfälle.

Mal ist das Helferteam in Tierheimen im Einsatz. Manchmal müssen die Tiere auch zuerst im Dorf eingefangen werden. Wenn die Operationen beginnen, heißt es immer wieder: Improvisieren. Wenn es gut läuft, stellt ein einheimischer Arzt seine Praxis zur Verfügung. In den meisten Fällen muss aber das mobile OP-Zelt, eine Garage oder auch mal ein Hobbykeller reichen. Ein Tisch, ein steriles Tuch als OP-Feld, Strom und fließendes Wasser: Mehr braucht das eingespielte Team nicht.

Kastrierte Hunde und Katzen werden am Ohr markiert

Und so bewältigten Thomas Busch, seine Partnerin Ines Leeuw, Tierärztin Nina Schöllhorn aus Friedrichshafen und Tierpfleger Roman aus Dinslaken auch die stressige Akkordarbeit auf engstem Raum in der Dominikanischen Republik. Während das frisch operierte Tier zugenäht wird, ist der nächste Patient schon in Narkose versetzt und am Bauch rasiert. Jeder Handgriff sitzt. Busch ist stolz: "Die Bestzeit unserer Topchirurgin Ines liegt bei sieben Minuten für die Kastration einer Hündin. Normal sind bis zu zwei Stunden." Jedes Tier wird markiert - Katzen bekommen eine kleine Ecke aus dem Ohr geschnitten, Hunde werden unter dem Bauch tätowiert und bekommen einen Clip ins Ohr. Die perfekte Organisation beeindruckte auch den Amtsveterinär aus dem Gastgeberland, der zwischendurch neugierig vorbeischaute.

Viele Streuner sind abgemagert, krank, haben Tumore oder schlecht verheilte Knochenbrüche. Soweit möglich, helfen die Tierärzte auch dann. Operiert wird bis spät in die Nacht - an manchen Tagen bis zur völligen Erschöpfung.

Die Bilanz der sechs Wochen in der Dominikanischen Republik: 650 kastrierte und 70 anderweitig medizinisch versorgte Tiere. Thomas Busch und seine Kollegen haben ihr selbst gestecktes Ziel erreicht. Knapp 80 Prozent der Hündinnen in Las Terrenas und den umliegenden Dörfern sind kastriert. Pro Hündin sind das bis zu 20 Welpen weniger im Jahr.

Zu Hause erinnern drei fröhliche Mischlingshunde an die Einsätze

Wo auch immer der Tierärztepool hinkomme, seien die Menschen begeistert. Busch sagt: "Wo wir eingesetzt werden, gibt es oft meilenweit keinen Tierarzt. Per Mundpropaganda erfahren die Leute von uns. Sie bringen dann von zu Hause alles mit, was ein Fell hat, mit der Bitte, dass wir uns die Tiere mal angucken sollen."

Fördergelder aus der EU oder anderen öffentlichen Institutionen gibt es nicht. Im Gegenteil. Thomas Busch kämpft als Vorsitzender des Berliner Tierschutzvereins "Förderverein Arche Noah Kreta", in den der Tierärztepool integriert ist, jahrelang um eine Genehmigung, in Griechenland arbeiten zu dürfen. Vor allem die Urlaubsinsel Kreta hat mit geschätzt 500 000 Straßentieren ein massives Problem. Doch die griechischen Behörden blocken. "Die befürchten, dass wir den Tierärzten vor Ort die Jobs wegnehmen."

Trotz aller Widrigkeiten, Jetlags und Magen-Darm-Grippen - Thomas Busch kann sich keinen besseren Job vorstellen: "Wir können sehr viel Elend beiseite schaffen." Und obwohl die Ärzte den weißen Strand von Las Terrenas kaum gesehen haben, tauchen sie durch den Kontakt mit den Einheimischen viel intensiver in fremde Kulturen ein als die Urlauber. So manches Treffen lässt einen die Strapazen vergessen. "Neulich auf den Kapverden ist eine Frau sieben Kilometer zu Fuß bis zu unserem Einsatzort gelaufen", sagt Busch, "dabei wollte sie uns einfach nur zeigen, wie gut es ihrem Hund geht - wir hatten ihn vor fünf Jahren operiert."

Zu Hause erinnern drei fröhliche Promenadenmischungen den Sülfelder an seine Einsätze: der Rüde Sabatto stammt aus Griechenland, eine Hündin aus Rumänien und ein Rüde mit schweren Pfotenverletzungen von den Kapverden. Tiere mit komplizierten Brüchen bringt Thomas Busch auch immer mal wieder mit nach Deutschland. Die liegen dann ruckzuck bei befreundeten Spezialisten auf dem OP-Tisch.

www.tieraerzte-pool.de