Weil die Stellen für Ein-Euro-Jobber zusammengestrichen werden, fehlt das Personal. Die Einrichtung in Barsbüttel ist auch schon dicht

Reinbek/Barsbüttel. Beim Öffnen der Tür ertönt eine Glocke, wie in einer richtigen Boutique. An der Kasse sitzt Petra Martens, 49, und begrüßt freundlich die Kunden. In den drei vorderen Verkaufsräumen hängen Abendkleider und Pelzjacken zu unglaublich günstigen Preisen: T-Shirts gibt es ab 50 Cent, Hemden ab zwei Euro und Winterjacken für acht Euro. Dahinter in der großen Halle gibt es auch Möbel und Haushaltswaren. Ein Fernseher kostet 60 Euro, ein Hochbett für Kinder 120.

Die Türklingel ertönt oft an diesem Wintermorgen. Das Sozialkaufhaus "Kreislauf" der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Stormarn (BQS) in der Reinbeker Gutenbergstrasse ist gut besucht. Trotzdem läuft hier der Ausverkauf. Auf alles gibt es derzeit noch einmal 50 Prozent Rabatt, denn Ende Februar 2011 macht das soziale Kaufhaus nach drei Jahren dicht.

Die Barsbütteler Filiale ist bereits seit dem 15. Dezember geschlossen. Erst im Februar 2010 war sie eröffnet worden, weil die Nachfrage nach gebrauchter Kleidung in den Sozialkaufhäusern der BQS sich im vergangenen Jahr vervierfacht hatte. Wegen der großen Nachfrage und der schlechten Busverbindung nach Reinbek hatte die BQS eigens einen zweiten Standort im Süden Stormarns gesucht. Doch die Gesellschafterversammlung der gemeinnützigen GmbH, in dem der Kreis, zehn Kommunen und die Sparkasse Holstein Gesellschafter sind, hat das Aus für beide Standorte beschlossen. Der Grund: Wegen der guten Arbeitsmarktsituation werden bei der BQS-Reinbek keine Ein-Euro-Jobs mehr gebucht.

Ab März 2011 gibt es damit nur noch zwei Sozialkaufhäuser in Stormarn: in Ahrensburg, Kurt-Fischer-Straße 27a, und in Bad Oldesloe, Industriestraße 19. Für die Käufer aus dem Süden Stormarns wird es dann schwierig werden, zumal die meisten haben kein Auto. "Wir bedauern sehr, dass wir die beiden Standorte schließen müssen, aber wir bekommen keine Mitarbeiter mehr. Die Arge hat die Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose hier gestrichen.", sagt BQS-Geschäftsführer Rüdiger Dumke. Er hatte gehofft, das Sozialkaufhaus in Reinbek halten zu können. Es gäbe Langzeitarbeitslose, die sich darauf freuten, endlich wieder eine Aufgabe zu haben. Die Ein-Euro-Jobs täten ihnen und ihren Familien gut. "Es geht hier nicht nur darum, die Menschen zu qualifizieren, sondern darum, dass sie wieder ein vernünftiges Selbstbewusstsein kriegen.", sagt Dumke.

Genau das hatte Figen Özcan geschafft. Die 38-Jährige erlebte in den neun Jahren bei der BQS in Reinbek ihre persönliche Erfolgsgeschichte. Sie fing 2001 als Ein- Euro-Jobberin an und arbeitete sich bis zur Vollzeitstelle als Anleiterin für Langzeitarbeitslose hoch. Sie zeigte den Hartz IV-Empfängern, wie man Ware präsentiert und schulte sie in Verkaufsgesprächen oder in der Lagerverwaltung. Trotzdem steht sie jetzt vor dem Aus. Figen Özcan verliert ihren Job als Letzte - sie bleibt noch bis zum 31. März, bis alles abgewickelt ist. Die alleinerziehende Mutter zweier Kinder im Alter von zwölf und 17 Jahren würde danach gerne im Einzelhandel arbeiten. Zurück in ihren alten Beruf kann die gelernte Friseurin nicht, weil sie unter Allergien leidet. Trotz der Angst um ihre eigene Zukunft sorgt sie sich vor allem um ihre Mitarbeiter:"Die Ein-Euro Jobber sind alle traurig. Das war kein tolles Weihnachtsgeschenk."

"Für viele der Langzeitarbeitslosen war das hier wie eine Familie", ergänzt ihr Kollege Matthias Studt. Der 30-Jährige aus Siek hat wahrscheinlich noch mal Glück gehabt. "Ich bleibe der BQS erhalten", sagt der Vater eines sechsjährigen Sohnes. Auch er hat sich von der Ein-Euro-Kraft zum Festangestellten hochgearbeitet. Der gelernte Metallbauer ist seit zwei Jahren bei der Beschäftigungsgesellschaft und arbeitet als zweiter Anleiter in Reinbek. Er hofft auf eine Weiterbeschäftigung in der Ahrensburger Filiale. Sicher ist das jedoch nicht. "In Ahrensburg wird auch radikal gekürzt," sagt Studt.

In Reinbek waren zu Hochzeiten bis zu 40 Ein-Euro-Jobber beschäftigt. Einer von ihnen hat es vor einem halben Jahr in den ersten Arbeitsmarkt geschafft. Darauf sind sie hier alle stolz. Der ehemals selbstständige Tischler hatte nach der Scheidung seinen Betrieb verloren. Über ein Praktikum bekam er eine feste Stelle angeboten. Seine ehemaligen Kollegen bauen jetzt die Werkstatt ab, die ihm den Neustart ermöglichte. Hier wurden die Möbel aufgearbeitet, die es im Sozialkaufhaus gibt. "Die packen hier kräftig an, obwohl es nun zu Ende geht", sagt Matthias Studt anerkennend.

Stanislaw Kiritschenko ist mit seinen 17 Jahren der Jüngste in der Werkstatt und erst seit drei Monaten bei der BQS. Er hat schon als Zimmermann, Mechaniker, Maurer und Friedhofsgärtner gearbeitet. Nun muss er sich nach einer neuen Arbeit umsehen. Maschinenführer Sedat Tüzner ist mit 56 Jahren der Senior im Werkstatt-Team, zu dem auch Ernst Dreckmann, 49, und Andreas Lafrenz gehören. "Ich darf keine schweren Sachen mehr machen", erzählt der 50-Jährige, der früher zur See gefahren ist, "ich habe mich schon beworben, es muss ja weitergehen."

Auch Petra Martens sucht nach zwei Jahren bei der BQS einen neuen Job. Die Arbeit an der Kasse und in der Kleiderkammer - Kleidung waschen, bügeln, auszeichnen und dann verkaufen - hat ihr Spaß gemacht. Die 49-jährige hat vier Kinder, zwei davon sind nochschulpflichtig. Sie würde gerne weiter mit Textilien arbeiten, wenn das Sozialkaufhaus schließt.

Die Kunden reagieren bestürzt auf die bevorstehende Schließung. "Ich finde, das ist eine Zumutung. Das war für sozial schwache Menschen ein echter Anlaufpunkt hier", sagt der Hamburger, der seine Glinder Bekannte beim Möbelkauf begleitet. Beide sind Hartz IV-Empfänger und mögen ihren Namen nicht nennen. Die 39-jährige Verkäuferin ist seit fünf Jahren arbeitslos und hat nach der Trennung von ihrem Freund, mit ihren zwei Kindern gerade eine neue Wohnung gefunden. Doch für neue Möbel fehlt ihr das Geld. Nun hofft sie, hier etwas zu finden.

40 bis 50 Menschen besuchen täglich das Kaufhaus der kleinen Preise. An guten Tagen sind abends 150 bis 200 Euro in der Kasse. Auch Studenten oder Familien mit Kindern sind unter den Kunden. Das Sortiment wurde aus Spenden bestückt, die nun künftig in Ahrensburg oder Bad Oldesloe abgegeben werden müssen. "In Reinbek wohnen viele reiche Leute, die spenden gern. Ich habe auch selbst schon Sachen hergebracht", sagt Marlene Gaertner. Die Wentorferin ist öfter im Sozialkaufhaus. Heute sucht sie für den Sohn einer Bekannten nach Winterjacken. "Die sieht gut aus", sagte sie und hält eine blaue Regenjacke in die Höhe. Dass das Kaufhaus im Februar schließt, wusste sie nicht. "Das finde ich sehr schade."