Wir ziehen Konsequenzen aus dem Verbrechen im Haus Rümeland, verspricht Heiner Garg in einem Brief an die Familie. Doch geschehen ist noch nichts

Großhansdorf. "Ich stimme Ihnen (...) darin zu, dass es nicht reicht, nur die Hintergründe der Tat selbst aufzuklären." Der Brief, dessen dritter Absatz mit diesen Worten beginnt, ist mit blauer Tinte unterschrieben. "Garg". Dr. Heiner Garg, Sozialminister des Landes Schleswig-Holstein, hat ihn persönlich unterzeichnet. Adressat: Alexandra Brockmann, älteste Schwester der am 18. März im Großhansdorfer Haus Rümeland ermordeten Nachtwache Vasthi G. In dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt, heißt es weiter: "Wie Sie es selbst in Ihrem Brief ausgeführt haben, müssen über den Einzelfall hinaus die Arbeitsbedingungen betrachtet werden und insbesondere die Schutzbedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eine angemessene Berücksichtigung erfahren."

Der FDP-Politiker "versichert" ferner, "bei den kommenden Beratungen mit den für die Aufsicht zuständigen Kreisen und kreisfreien Städten und den Verbänden der Einrichtungsträger Arbeitsbedingungen und Schutzansprüche der Beschäftigten vor diesem besonderen Hintergrund zu besprechen". Die Zeilen aus der Feder des Ministers sind bereits einige Wochen alt. Um das laufende Strafverfahren gegen Vasthi G.s Mörder nicht zu gefährden, haben die Hinterbliebenen den Brief bislang zurückgehalten. Nun ist der Prozess vor der I. Großen Strafkammer des Landgerichts Lübeck abgeschlossen, ist der Täter Martin H. wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt.

Und nun stellt sich heraus, dass seitens des Landes noch nichts geschehen ist. Konsequenzen oder Lehren aus dem Fall Vasthi G.? Fehlanzeige, bis jetzt zumindest. Das ist auch den Verantwortlichen in der Stormarner Kreisverwaltung aufgefallen.

Anja Kühl, Leiterin des Fachbereichs für Ordnung und Veterinärwesen, die in dieser Funktion die Heimaufsicht verantwortet, sagt: "Wir haben beim Sozialministerium nachgefragt, ob das auf Landesebene zum Thema gemacht wird, ob sich das Land Gedanken macht, ob Regelungen nicht anders gefasst werden müssten." Sie spricht insbesondere das "Gesetz zur Stärkung von Selbstbestimmung und Schutz von Menschen mit Pflegebedarf oder Behinderung" an. Darin sind unter anderem "Anforderungen an den Betrieb besonderer Wohn-, Pflege- und Betreuungsformen" geregelt. Bislang habe sich das Land noch nicht mit dem Thema beschäftigt, meint Kühl.

Christian Kohl, Sprecher des Sozialministeriums, bestätigt das. "Es hat keine gesetzlichen Änderungen gegeben", sagt er. Im sogenannten gemeinsamen Ausschuss, dem Vertreter der Kreise und des Landes angehören, solle das Thema aber erörtert werden. Ein Termin für die nächste Sitzung des Gremiums stehe aber noch nicht fest.

Dabei ist es den Hinterbliebenen der ermordeten Vasthi G. so wichtig, dass Konsequenzen aus dem Fall gezogen werden. So etwas dürfe sich niemals wiederholen. Außerdem wünscht sich die Familie, dass auch jene zur Rechenschaft gezogen werden, die Vasthi G. zwar nicht selbst getötet haben, die durch ihr Verhalten aber dazu beigetragen hätten, dass die Tat geschehen konnte. Während des Strafverfahrens waren immer wieder auch die Begleitumstände der Tat zur Sprache gekommen. Zuweilen konnte der Eindruck entstehen, eine sonderbare Mischung aus Blauäugikeit und Laisser-faire habe diejenigen beseelt, denen Martin H. anvertraut war.

Doch die Staatsanwaltschaft sieht bislang keine Ansätze für weitere Ermittlungen. "Die Frage, ob sich neben dem Verurteilten auch andere Personen in strafrechtlich relevanter Weise zu verantworten haben, ist schon bei Anklageerhebung geprüft worden", sagt Oberstaatsanwalt Günter Möller, Sprecher der Anklagebehörde. Das Verfahren habe keine neuen Aspekte ergeben.

Möller will aber nicht ausschließen, dass sich aus der Argumentation der Nebenkläger-Vertreter neue Ansätze ergeben könnten. Niko Brill, Anwalt der Hinterbliebenen, hat angekündigt, Anzeige gegen die Heimleiterin des Hauses Rümeland und gegen den gesetzlichen Betreuer Martin H.s zu stellen.