Der grenzüberschreitende Schulbesuch bleibt trotz Einigung ein Problemfall

Ahrensburg. Am vergangenen Montag hatten die Gastschüler einen rabenschwarzen Tag: In Schleswig-Holstein fiel die Schule aus, in Hamburg nicht. Der Mittwoch war dann der Tag, den sie seit langem herbeigesehnt haben: Die beiden Bundesländer unterzeichneten ein neues Gastschulabkommen. Damit ist klar, dass Kinder aus Schleswig-Holstein auch weiterhin an Hamburger Schulen unterrichtet werden können - allerdings nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Am größten war der Jubel gestern bei den Eltern, deren Kinder Waldorf- oder Rudolf-Steiner-Schulen in der Hansestadt besuchen. "Wir sind super happy", sagt Andrea Meyer-Stoll aus Ahrensburg. In den vergangenen Monaten hatten Eltern mit hohem Einsatz für ein neues Abkommen gekämpft. Mahnwachen vor dem Kieler Landtag, Besuch von Ausschusssitzungen in Kiel und Hamburg, eine eigene Internetseite: Vieles wurde in die Waagschale geworfen, um vor Ablauf der alten Regelung am Jahresende Gewissheit zu bekommen, wie es nun weitergeht mit den Steiner-Schulen. Denn die wären in eine finanzielle Schieflage geraten, wenn sie Kinder aus Schleswig-Holstein nicht mehr hätten aufnehmen dürfen. Ein Beispiel: Von den 350 Schülern der Bergedorfer Steiner-Schule kommen 171 aus dem Nachbarbundesland. Ein Verzicht auf deren Schulkostenbeiträge hätte katastrophale Folgen gehabt.

Allerdings hat auch das neue Abkommen finanzielle Folgen für die Schulen in freier Trägerschaft. Die Stadt Hamburg zahlt pro Schüler einen bestimmten Betrag an die Privatschulen - und will bei Kindern aus dem Nachbarbundesland diesen Betrag jetzt kürzen. Unklar ist noch, wie hoch der Abzug ist.

Beim grenzüberschreitenden Besuch einer staatlichen Schule ändert sich wenig. Letztlich wird hier nur der bestehende Zustand fortgeschrieben. Und der ist für viele Eltern unbefriedigend. Und er trägt nicht dazu bei, sich öffentlich dazu zu äußern oder gar zu protestieren. Denn wer mit seinem Namen in der Zeitung steht und erzählt, welcher Tricks er sich bedient hat, um einen Platz in einer Hamburger Schule zu bekommen, dessen Kind könnte schon morgen von eben jener Schule fliegen. Dorthin kommen Schleswig-Holsteiner auch weiterhin nur dann, wenn sie als Härtefall anerkannt werden, was in den seltensten Fällen geschieht. Die sichere, aber illegale Methode ist seit Jahrzehnten bekannt. Die Eltern beschaffen sich eine Meldeadresse in Hamburg. So machen sie aus ihrem eben noch schleswig-holsteinischen Kind einen Hamburger Jung oder eine Hamburger Deern.

Für Reinbeks Bürgermeister Axel Bärendorf ist das neue Abkommen deshalb nur "ein Schritt in die richtige Richtung". "Es gibt keinen Grund zum Jubeln", sagt er. "Die beiden Länder müssen nun dafür sorgen, dass Bildung grenzüberschreitend und ohne Hemmnisse wahrgenommen werden kann."

Davon sind die beiden Länder allerdings noch weit entfernt. Im neuen Gastschulabkommen, das bis Ende 2015 gelten soll, wird wie in der alten Vereinbarung betont, dass es ein Recht auf den Schulbesuch im jeweils anderen Land nicht gibt. Wörtlich heißt es: "Beide Länder streben an, grundsätzlich den Schulbesuch ihrer Schülerinnen und Schüler im eigenen Land zu ermöglichen." Abgesehen davon, dass viele Jugendliche genau das nicht wollen, wäre es momentan auch gar nicht möglich. Bürgermeister Bärendorf: "Wenn die Reinbeker, die jetzt in Hamburg ein Gymnasium besuchen, in unserem Sachsenwaldgymnasium unterrichtet werden sollten, dann müssten wir erst mal anbauen." Deshalb hält er es auch für ausgleichende Gerechtigkeit, wenn Reinbek in Zukunft einen Teil der Kosten für die Gastschüler trägt. Der Kieler Bildungsminister Ekkehard Klug (FDP) hatte bei Unterzeichnung des neuen Abkommens gesagt, die schleswig-holsteinischen Umlandgemeinden müssten sich an Ausgleichszahlungen für den Besuch von öffentlichen Schulen beteiligen. Auf diese Weise will das Land wenigstens einen Teil der 12,4 Millionen Euro wiederbekommen, die 2011 für die Gastschüler an Hamburg überwiesen werden.

Für den Besuch privater Schulen zahlen die Umlandgemeinden schon jetzt. Ein Beispiel: Für 186 Schüler überwies Ahrensburg in diesem Schuljahr rund 166 000 Euro an Hamburger Schulträger.