Klaus Wenderholm ist einer der wenigen Schulsozialarbeiter im Kreis Stormarn. Bad Oldesloe ist Vorreiter

Bad Oldesloe. Ein Lehrer sei er nicht, sagt Klaus Wenderholm, wenn ihn jemand fragt, was er denn an der Theodor-Mommsen-Schule mache. Er sei auch kein Arzt. Oder Psychologe. Klaus Wenderholm legt die Hände übereinander und sagt: "Manchmal bin ich Seelsorger."

Die Berufsbezeichnung heißt: Schulsozialarbeiter. Wenderholm bietet sich an, wenn Schüler, Eltern oder Lehrer Probleme haben, sei es in der Schule oder zu Hause. Er ist da, hält sich bereit, wenn man sich ihm anvertrauen will. Er versucht, zu helfen, bevor es Beratungsstellen, Psychologen, Polizisten tun müssen.

Wenderholms Zimmer im Erdgeschoss von Gebäude J der Mommsen-Schule liegt direkt neben dem Notausgang. An der Decke schwebt ein alter Lenkdrachen. Wendeholm war früher mit ihm fliegen, jetzt fand er, der Drachen passe eigentlich ganz gut zu seinem Job. "Er ist ein Schirm für die Sorgen und Probleme, über die in diesem Raum gesprochen wird." Damit die Tür des Notausgangs geschlossen bleiben kann.

Jeder kann jederzeit bei Wenderholm anklopfen. Er zieht dann die Jalousie am Fenster zu, damit vom Pausenhof aus niemand sehen kann, wer auf Wenderholms Korbstuhl Platz genommen hat. Er sichert absolute Anonymität zu. "Außerdem bin ich zur Verschwiegenheit verdonnert", sagt er. Egal, ob auf dem Stuhl ein Kind sitzt oder ein Lehrer oder eine Mutter: Nichts verlässt den Raum, was nicht eine Straftat ist. "Intervention", sagt Klaus Wenderholm und redet jetzt doch wie ein Therapeut. Eingreifen. Das sei das Eine. Die Konfliktlotsen oder Streitschlichter, die es an der Mommsen-Schule auch gibt, nähmen ihm aber viel ab. "Die machen eine hervorragende Arbeit." Das andere sei Prävention, vorbeugende Maßnahmen.

Wenn Wenderholm in eine Klasse kommt und sich vorstellt, macht er mit den Schüler Spiele. Sie müssen sich dann dem Geburtsdatum nach in einer Reihe aufstellen, danach der Größe nach. "Allein das stärkt schon das Gemeinschaftsgefühl", sagt Wenderholm. Es ist noch nicht lange her, dass es Menschen wie Wenderholm an keinen Schulen gab. Er selbst war der Erste in Bad Oldesloe, das war 2008. Inzwischen gibt es an fast jeder Schule eine Voll- oder Teilzeitstelle für einen Sozialarbeiter, zum zweiten Halbjahr will die Stadt weitere 1,5 Stellen schaffen. Dann gibt es keine Schule mehr in Bad Oldesloe, die ohne Sozialarbeiter auskommen muss.

Die Kreisstadt spielt damit eine Vorreiterrolle. Im restlichen Stormarn ist es um die Sozialarbeit an Schulen ganz unterschiedlich bestellt, aber überall schlechter als in Bad Oldesloe. In Bargteheide sind immerhin an den weiterführenden Schulen Sozialarbeiter im Einsatz. Laut Daniela Müller von der Personalabteilung im Rathaus sind das die Anne-Frank-Schule, die Dietrich-Bonhoeffer-Schule, die Emil-Nolde-Schule und die beiden Gymnasien Eckhorst und Kopernikus.

Schlechter sieht es im südlichen Kreis Stormarn aus. Die Stadt Ahrensburg bezahlt zwar neun Sozialarbeiter, die im Waldkindergarten arbeiten, im Gemeinschaftshaus Gartenholz, dem "Blockhaus" und in anderen Einrichtungen. Die Schulen gingen bislang leer aus, nur an der Selma-Lagerlöf-Gemeinschaftsschule und an der Heimgartenschule sind feste Sozialarbeiter im Einsatz - und das in Teilzeit.

In Reinbek gibt es eine einzige Stelle, im Schulzentrum. "Auch die anderen Schulleiter würden sich natürlich wünschen, Sozialarbeiter bezahlt zu bekommen", sagt Heike Bretzke, die in der Stadt Reinbek für Schulen zuständig ist. Aber noch scheitert das am Geld. Bretzke: "Die Mittel dafür sind bisher nicht bereitgestellt worden."

Klaus Wenderholm glaubt, dass das Geld, das er kostet, sinnvoll angelegt sei. "Es kommt bei den Kindern an", sagt er. Bad Oldesloe sei "eine der wenigen Kommunen, die das verstanden haben". Von 2008 an war er nur mit einer Viertelstelle an der Schule, seit Beginn dieses Schuljahrs arbeitet er hier in Vollzeit. Zu Beginn ist er durch alle Klassen gegangen und hat sich vorgestellt. Er sagte: "Von mir bekommt ihr keine Noten, und wenn ihr in der Pause zu mir kommt und das Gespräch dauert länger, dann schreibe ich Euch eine Entschuldigung."

"Viele", sagt Wenderholm, "wussten nicht, was ich tue." Einige hätten immer noch "etwas Scheu", zu ihm zu kommen. Er wolle ihnen die Angst nehmen, sie dürften auch in Begleitung kommen. Einmal waren acht Schüler gleichzeitig in seinem Raum. Alles ist in Ordnung. Wenn Wenderholm nicht da ist, hängt er einen Zettel an die Tür: Man kann ihn dann anrufen.

Nur, wenn er von einer Straftat mitbekommt, sagt Wenderholm, müsse er sein Schweigen brechen - und zum Beispiel Eltern anzeigen, wenn sie ihr Kind schlagen. "Ich hatte aber hier bisher niemanden mit Hämatomen", sagt er. Weiß er selbst nicht weiter, vermittelt er die Schüler an außerschulische Beratungsstellen - dort, wo sie früher nie gelandet wären, weil sie keine Anlaufstelle hatten. Klaus Wenderholm ist die Anlaufstelle.

Die Ansprüche liegen weit auseinander. Die Wissenschaft sagt, auf 160 Schüler sollte ein Sozialarbeiter kommen. Die Politik sieht bis heute teilweise gar keinen Bedarf. Und Klaus Wenderholm betreut immerhin 1350 Schüler. Die Mommsen-Schule ist die viergrößte Schule Deutschlands.

Die Sozialarbeiter wären auch deshalb dringend nötig, weil es in Stormarn kaum Schulpsychologen gibt - den gesamten Nordkreis betreut ein einziger Psychologe.

Auch früher schon, sagt Klaus Wenderholm, hätte es Sozialarbeiter gebraucht. "Man hat das einfach nicht gesehen", meint er. Als er an der Theodor-Mommsen-Schule ankam, da habe er das Gefühl gehabt: "Man hat auf mich gewartet."