Bank-Geheimnis: In unserer Serie treffen wir Menschen auf ihrer Lieblingsbank. Heute ist es Johanna Lange

Trittau. Sie ist die Nummer fünf in der Riege der Trittauer Persönlichkeiten, die für ihr Wirken die Ehrenbürgerschaften erhielten. Sie ist jedoch die erste Frau und zugleich die erste Sozialdemokratin, der diese Ehre zuteil wird. "Das wurde auch mal Zeit", sagt Johanna Lange. Ihr schelmisches Lächeln verliert sich, mit ernster Mine fügt sie hinzu: "Ich bin sehr stolz darauf." Johanna Lange zählt zu den raren Menschen, die fast ihre ganze Zeit für soziale Aufgaben einsetzen.

Mehr als die Hälfte ihres Lebens hat die gebürtige Ostpreußin dem Ehrenamt gewidmet. Als Vorsitzende bei der Arbeiterwohlfahrt (Awo), als Mitbegründerin der Trittauer Tafel, in der Landsmannschaft und im Seniorenbeirat. "Auf ein Ehrenamt folgt das nächste. Das wächst mit der Zeit", sagt die 80-Jährige.

Am Anfang stand der Eintritt in die SPD. Als Tochter eines Handwerkers, Schwiegertochter eines Arbeiters und Ehefrau eines Sozialdemokraten war die politische Überzeugung vorgezeichnet. 1977 also wird sie Mitglied im Ortsverein und arbeitet bald schon im Vorstand mit. Sie ist Beisitzerin, zeitweise auch zweite Vorsitzende und löst ihren Mann als Kassenwart ab. "Manchmal war ich einfach auch mal 'Mädchen für alles'", sagt Johanna Lange.

Sie hat viel Energie. Ist da, wenn sie gebraucht wird, und versteht sich aufs Organisieren. Hans, ihr Ehemann, hat sie immer sehr unterstützt und später auch die Kinder. So schafft sie den Spagat zwischen Familie, Beruf und Ehrenamt. Fünf Kinder zieht sie in dem Eigenheim am Rausdorfer Weg groß. Sie arbeitet im Büro einer Hamburger Versicherung, schmeißt den Haushalt und den Garten und verbringt zahlreiche Abende im Monat auf Sitzungen: Gemeindevertretung, Schulverband, Amtsausschuss. Von 1982 bis 1994 mischt sie politisch in Trittau mit. Sie ist dabei, als der Ortsverband die Arbeitsgemeinschaft "Kinderfreund" gründet, die bis heute erfolgreich das Kinderfest an der Wassermühle organisiert. Lange: "In diesem Jahr nahmen 220 Kinder daran teil."

Über die Partei findet sie 1984 zum Ortsverein Trittau der Arbeiterwohlfahrt und steht auch hier bald wieder an vorderster Front. Ab 1987 wird sie 20 Jahre lang den Vorsitz führen. Sie vermittelt Mutter-Kind-Kuren, organisiert Ausfahrten für Senioren, verhilft Ratsuchenden in sozialen Angelegenheiten zu ihrem Recht und hört manchmal auch einfach nur zu. Das kann sie gut.

Sie ist hartnäckig, wenn es sich lohnt und streitbar, wenn es die Sache erfordert. Die Einrichtung eines Seniorenbeirates war so eine Sache. "In jedem größeren Ort sollte eine Interessenvertretung für die älteren Mitbürger eingerichtet werden. Das war eine Prämisse des Landes", sagt Johanna Lange. Sie nimmt das für Trittau in die Hand, findet fünf interessierte Mitstreiter, von denen sich jeder einzelne standhaft weigert, den Vorsitz zu übernehmen. "Das mach du mal. Du hast doch die Erfahrung - mit diesem Schmus haben sie versucht, mich zu ködern. Na ja, das hat ja auch geklappt." Die 80-Jährige lächelt leise in sich hinein. Sie hätte die Frontfrau auch ohne diesen Köder gemacht, weil halbe Sachen nie ihr Ding waren. Die Bürger haben zunächst wenig Interesse, die Politik schenkt den Vorschlägen des Beirats wenig Gehör. "Unsere Forderung nach einer öffentlicher Toilette wurde erst viel später verwirklicht", sagt sie. 2003 scheidet sie aus dem Gremium aus. "Man muss aufhören können."

Das hatte sie sich neun Jahre zuvor auch gesagt, als sie aus dem Gemeinderat ausschied, nachdem Sohn Peter Mitglied geworden war. "Zwei Langes sind einer zuviel", befand sie.

In den vergangenen Jahren ist sie kürzer getreten. Nur den Vorsitz der Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen hat sie behalten. "Solange die mich wollen, mache ich weiter", sagt die siebenfache Oma und zweifache Uroma. Dem Verein war sie 1956 beigetreten, elf Jahre nach der Flucht mit den Eltern und drei Geschwistern von Gehlenburg in Masuren nach Trittau. 50 Mitglieder hat die Landsmannschaft heute. Natürlich werde der Kreis kleiner. Dafür würden mitunter aber auch Jüngere dazu stoßen. Nur selten sind es die eigenen Nachkommen, sondern Menschen, die in den letzten Kriegsjahren oder kurz nach Kriegsende in ihrer alten oder neuen Heimat geboren wurden. "Wir machen Ausflüge und treffen uns einmal im Monat zum Kaffeenachmittag im Bürgerhaus", erzählt Johanna Lange. Sie halten die Erinnerung an die alte Heimat, die immer Heimat bleiben wird, hoch. Auch kulinarisch mit Königsberger Klopsen oder typischem Gebäck zur Weihnachtszeit.

Viele ihrer Wegbegleiter und etliche Familienmitglieder werden heute Abend in der Wassermühle dabei sein, wenn Bürgervorsteher Thomas Mertens-Ammermann der 80-Jährigen die Ehrenbürgerwürde verleiht. Sie selber wird auch ein paar Worte sprechen. Im Anschluss trägt Ex-Bürgermeister Jochim Schop plattdeutsche Geschichten vor. Johanna Lange freut sich darauf. "Das kann er richtig gut."

Die Auszeichnung ist eine Ehrung für soziales Engagement. Vorteile sind damit nicht verbunden. Gleichwohl habe neulich jemand zu ihr gesagt: "Mensch Johanna, jetzt kannst du immer gratis ins Schwimmbad gehen". Wenn sie gesundheitlich fitter wäre, würde sie das vielleicht sogar in Anspruch nehmen, sagt sie. Für sie zählt die Ehre. Für all das, was sie gemacht hat - nie für sich selbst, sondern für die Allgemeinheit. Sie sagt: "Wer sich sozial engagiert, wird nicht die ganze Welt verändern. Aber er kann einigen Menschen helfen. Das ist doch schon ganz schön viel, oder?"