Bank-Geheimnisse: Stormarner an ihrem Lieblingsplatz. Heute: Joachim Stapelfeldt

Steinburg. Einmal habe er einen großen Anlauf genommen, in die weite Welt hinauszukommen, erzählt Joachim Stapelfeldt. Er ging nach Hamburg zum Studieren. Die Eltern spendierten ihm ein Auto. Die Uni in Kiel und eine eigene Bude wären die Alternative gewesen. Allein die Perspektive, er könnte als Lehrer in Schleswig-Holstein an eine Schule an der Westküste geschickt werden, behagte ihm gar nicht. Da wollte er auf keinen Fall hin. Stapelfeldt wurde Lehrer an der Berufsschule in Hamburg-Bergedorf, blieb in seinem Heimatdorf Mollhagen wohnen. "Andere ziehen aufs Land. Warum hätte ich weggehen sollen?" Die Familienwurzeln reichen bis ins Jahr 1750 zurück. Er ist der erste Stapelfeldt, der studiert und politische Ämter übernimmt.

21 Jahre lang war er Bürgermeister in Steinburg. Für seine Verdienste wird der 63-Jährige heute um 19 Uhr in der Bahnhofsgaststätte Bern in Mollhagen zum Ehrenbürgermeister ernannt.

Wir sitzen im Arbeitszimmer des Einfamilienhauses an der Twiete. An jenem "strategischen Dreieck" zwischen ehemaliger Meierei, dem alten Mollhagener Amtsgebäude und der Schuhmacherwerkstatt seines Vaters, wächst er als Einzelkind heran. Bei Stapelfeldt senior trifft sich, wer im Dorf Rang und Namen hat, um Neuigkeiten auszutauschen. "In dieser Konstellation kriegte man Dorfpolitik mit."

"Das Amt des Bürgermeister war in meiner Planung nicht vorgesehen"

1969 tritt er dem SPD-Ortsverein bei, weil er politisch interessiert ist, aber nicht in die Verantwortung genommen werden möchte. Dafür war die SPD eine Garant. Jahrzehntelang waren die politischen Mehrheitsverhältnisse Mollhagen dieselben, die Sozis über drei Sitze im neunköpfigen Gemeindrat nie hinausgekommen. 1978 aber schließen sich Mollhagen, Sprenge und Eichede zur Gemeinde Steinburg zusammen, Stapelfeldt wird erst stellvertretender, vier Jahre später Bürgermeister von Steinburg. "Das Amt war in meiner Lebensplanung nicht vorgesehen. Aber wenn die Kugel erst einmal rollt, dann rollt sie."

Er startet mit einem Paukenschlag: Bei der konstituierenden Sitzung soll der Gemeinderat gleich über eine Beregnungsanlage und ein Mähgerät für den neuen Sportplatz mit abstimmen. "Der Platz wurde einfach nicht grün. Die Wurzeln reichten bis ins Grundwasser. Nur oben kam nichts raus", sagt Stapelfeldt. Zwei Jahre ging das schon so. Der Gemeinderat stimmte zu. Vier Monate später, im August 1982, liefen die Eichedeer auf ihrem Platz gegen den HSV auf. Die Bürger waren begeistert, der Bürgermeister zufrieden.

Nun zieht eine Sache häufig eine andere nach sich. Mit Stapelfeldts Worten: "Kommunalpolitik ist wie Pool-Billard: Wenn eine Kugel versenkt wurde, werden zwei neue oben draufgelegt." Im Falle des Sportplatzes hieß das: Der Rasen war nun saftig grün. Umkleiden und Duschen aber fehlten. Stapelfeld kann seinen "Uralt-Kumpel" Manfred Klitzke davon überzeugen, vieles in Eigenleistung zu stemmen. Klitzke motiviert seine Sportler. "Man muss auch Glück haben und zur richtigen Zeit die richtigen Menschen treffen." Joachim Stapelfedt hat's mit den Sprüchen.

Das nächste Problem: Wohin nach dem Spiel? Stapelfeldt wirft die Idee für ein Dorfgemeinschaftshaus in den Ring. "Wenn wir schon bauen, dann ein Haus so groß, dass die Eichedeer auch in 50 Jahren da noch feiern können." Die CDU prophezeit den Untergang der beiden ortsansässigen Gastwirtschaften. "Das Lokal am Dorfplatz war zu jener Zeit schon hochantik und sehr ländlich. Mit einem Wort: ein Auslaufmodell", erinnert sich der 63-Jährige. Dem zweiten Gastwirt bietet er die Pacht für das neue Haus an. Der will aber nicht. "Dann maul auch nie wieder", hat Stapelfeldt ihm bedeutet.

Er kämpft für seine Idee, es gibt Zuschüsse aus dem Kreisfonds, der Zonenrandförderung, dem Förderfonds Hamburg-Schleswig-Holstein. "Damals konnten wir aus dem Vollen schöpfen", sagt er. Und schon hat er wieder einen Spruch parat: "Wenn irgendwo Geld liegt, musst du dich gleich danach bücken. Auf dem Rückweg liegt's da nicht mehr." Im August 1986 wird das Dorfgemeinschaftshaus eingeweiht.

Zahlreiche Projekte hat er in seiner Amtszeit angeschoben und zum Abschluss gebracht. Zum Beispiel im Juli 1988: Beginn der Dorferneuerung Eichede mit Umbau der Alten Schule. Einzug der Feuerwehr.

Sein Rat ist auch heute noch gefragt - und Joachim Stapelfeldt gibt ihn gern

"Auch so ein Abenteuer", sagt Stapelfeldt. Wieder spielt ihm das Glück in die Hände. Er kennt das Faible des damaligen Kreisbaudirektors Burkhard von Hennigs für den Eichedeer Dorfplatz und erzählt ihm also beiläufig, dass die Kameraden da ein neues Gerätehaus bauen wollen. Ausgeschlossen, sagt von Hennigs. Was tun? Wohin mit den neuen großen Fahrzeug? fragt Stapelfeldt. Von mir aus in die Alte Schule, antwortet von Hennigs. Es gebe da ein Dorferneuerungsprogramm, aus dem Mittel fließen könnten. Das machen wir, sagt erst Stapelfeldt und bald auch die Feuerwehr.

Er ist ein kleines Schlitzohr, legt, wenn's nützt, eine Grunddreistigkeit an den Tag. Ein kluger Taktierer ist er allemal. Chancen weiß er zu nutzen. 1998 wird er Amtsvorsteher. Im selben Jahr ist die Kanalisation in Steinburg fertig. Die Kreis- und Landesstraßen sind saniert, neue Baugebiete ausgewiesen, Kindergartenplätze geschaffen.

Everybody's Darling ist Stapelfeldt nicht. Bei der Kommunalwahl 2003 verliert die SPD in Steinburg die Mehrheit und Stapelfeldt sein Amt. Es trifft ihn unvermittelt und bis ins Mark. Er hat die Freiherr-vom Stein-Medaille abgelehnt. "Die Wiederwahl: Das ist der Orden", war seine Devise. Mit der Zeit erkennt er Fehler und Versäumnisse. Doch erst mit 60 schafft er den Rückzug aus der aktiven Politik. Drei Jahre zu spät, sagt er heute. Sein Rat ist weiter gefragt, er gibt ihn gern. Er hat "300-prozentig" nicht vor, jemals wieder einen Posten anzunehmen. Seit August ist er Pensionär, hat den Rückstau in Haus und Garten aufgearbeitet. Er will sich der Familien- und der Dorfgeschichte widmen, seinen drei Enkeln, seiner Frau Anne. "Ohne sie hätte ich das Amt niemals ausüben können."

Die Wunden sind verheilt. Das Kapitel ist abgeschlossen, auch im Kopf. "Ich muss mir und anderen nichts mehr beweisen. Ich weiß, dass ich Spuren hinterlassen habe. Sie bleiben, auch wenn die Welt sich ändert. Es ehrt mich, Ehrenbürgermeister zu werden."