Zahl der Austritte nimmt in Ahrensburg und Lütjensee weiter zu. Ermittlungen dauern an

Ahrensburg/Lütjensee. Die Austrittswelle bei der evangelisch-lutherischen und der römisch-katholischen Kirche in den Gemeinden Ahrensburg und Lütjensee hält an. Die katholische Pfarrei "Maria Hilfe der Christen", zuständig für Ahrensburg und Großhansdorf, hat die größten Verluste zu beklagen. Sie sieht sich seit Jahresbeginn mit einer Steigerung von knapp 80 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres konfrontiert. Während die evangelische Gemeinde in Ahrensburg bislang 20 Prozent mehr Austritte verzeichnete, erhöhte sich die Zahl in der Nachbargemeinde Lütjensee, zu der auch Großensee und Grönwohld zählen, um knapp 40 Prozent.

"Wir können davon ausgehen, dass der signifikante Anstieg der Austritte in den vergangenen Monaten mit dem Missbrauchsskandal zusammenhängt", sagt Pfarrer Michael Grodecki. Nach Angaben der Pfarrei traten in diesem Jahr 115 Katholiken aus der knapp 4000 Mitglieder zählenden Gemeinde aus. Und die Zahl steigt weiter. Das Standesamt Ahrensburg zählte bis Mitte Oktober 356 Austritte beider Konfessionen. 211 davon stammen aus der evangelisch-lutherischen Gemeinde. Das bedeutet, die katholische Gemeinde muss den Verlust weiterer 30 Mitglieder verschmerzen. Damit haben im Vergleich zum Vorjahr sogar mehr als doppelt so viele Menschen der katholischen Kirche den Rücken gekehrt.

Nachdem zu Jahresbeginn bundesweit Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche und ihren Einrichtungen bekannt geworden waren, kamen im Frühjahr weitere in katholischen Institutionen in Stormarn hinzu. Ein ehemaliger Kaplan des Kinderhauses St. Josef in Bad Oldesloe soll in den 50er und 60er Jahren mehrere Jungen sexuell missbraucht haben. Der gleiche Vorwurf wurde gegen einen ehemaligen Kaplan der Ahrensburger St. Marienkirche erhoben. Er soll 1975 einen Jungen mehrfach missbraucht haben.

Ein Schock für die Gemeindemitglieder, der sich nun in Zahlen niederschlägt. "Mich als Pfarrer berühren die Austritte sehr", sagt Michael Grodecki. "Alle ausgetretenen Katholiken werde ich persönlich anschreiben und ihnen ein Gespräch anbieten."

In Zusammenarbeit mit der Erzdiözese wolle er sich verstärkt darum bemühen, verlorenes Vertrauen zurück zu gewinnen. "Wir wollen vor allem den Opfern helfen", sagt Grodecki. Das Erzbistum Hamburg bietet ihnen Beratung an und hat eine "Projektabteilung für Prävention, Aufarbeitung und Opferschutz in Fragen des sexuellen Missbrauchs" gegründet. Gemeinsam mit seinen evangelischen Kollegen lud Grodecki in Ahrensburg zu Aufklärungsveranstaltungen ein.

Um Aufklärung ist auch die Lütjenseer Pastorin Britta Sandler bemüht, die bis Mitte Oktober 40 Gemeindemitglieder verlor. Derzeit ermittelt die Staatsanwaltschaft Lübeck gegen einen ehemaligen Kirchenmusiker wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Der Mann war von Juli 2008 bis März 2009 in Lütjensee und Großensee tätig und wurde entlassen, als seine Bewährungsstrafe wegen des Besitzes von Kinderpornografie bekannt geworden war. "Das Thema Missbrauch geht uns alle an. Wir tun alles, damit eventuelle Missbrauchsfälle aufgeklärt werden können", sagt Sandler. Jeder Austritt mache sie betroffen. Derzeit plane sie die Einrichtung eines runden Tisches, an dem sie Politiker und andere Institutionen beteiligen will. Sandler: "Ich lasse nicht locker. Was ich zur Aufklärung tun kann, werde ich tun."

Im Vergleich zu Lütjensee und der katholischen St. Marienkirche nehmen sich die um rund 20 Prozent gestiegenen Austritte aus der evangelischen Gemeinde in Ahrensburg relativ gering aus. Immerhin wurde die 13 500 Mitglieder zählende Gemeinde vom bislang bundesweit größten Missbrauchsskandal in der evangelischen Kirche in ihren Grundfesten erschüttert. Ein pensionierter Pastor soll von Ende der 70er bis Anfang der 80er Jahre mehrere Jungen und Mädchen sexuell missbraucht haben. Gegen seinen damaligen Kollegen wird der Vorwurf sexueller Übergriffe auf zwei 17 und 18 Jahre alte Mädchen Anfang der 80er Jahre erhoben. Seit Bekanntwerden der Vorwürfe bekundet die Gemeinde ihr Bemühen, die Fälle aufzuklären. Dafür bildete sie unter anderem mehrere Arbeitsgruppen und organisierte Informationsveranstaltungen. Das Nordelbische Kirchenamt ermittelt derzeit. "Wir sind traurig über jeden Austritt, aber wir müssen ihn respektieren", sagt Pastor Detlev Paschen. "Die Menschen artikulieren und distanzieren sich mit ihrem Austritt. Das müssen wir aushalten." Hilfe bei Missbrauch bieten die Kirchen hier:

meins.nka@nordelbien.de

referat-efl-beratung@kk-erzbistum-hh.de