Gutachten sieht bis 2025 einen Bedarf von 130 Hektar in Stormarn. Kreis plant erstes länderübergreifendes Projekt

Hamburg/Ahrensburg. Der Kreis Stormarn muss bis zum Jahr 2025 deutlich mehr Gewerbeflächen ausweisen, wenn er seine Wirtschaftschancen nutzen will. Das geht aus einem gestern veröffentlichten Gutachten über Gewerbeflächen in der Metropolregion Hamburg hervor. Das Abendblatt hatte darüber vorab berichtet.

Laut Gutachten zählt Stormarn zu den Hamburger Randkreisen mit dem größten Flächenbedarf. Rund 130 Hektar werden hier in den kommenden 15 Jahren benötigt. Derzeit gibt es aber im Kreis bei den besonders wertvollen, weil gut zu nutzenden Grundstücken in Gewerbegebieten nur eine Reserve von 47 Hektar. Norbert Leinius, der Geschäftsführer der Wirtschafts- und Aufbaugesellschaft Stormarn (WAS), stellte die 180 000 Euro teure Expertise gestern im Hamburger Rathaus vor - und kündigte zugleich an, weitere Flächen ausweisen zu wollen.

"In Barsbüttel werden wir das Gewerbegebiet vergrößern, in Reinbek ebenfalls", sagte er. In Braak ist man am weitesten voran: Die Landesplanung hat dort bereits eine Erweiterung des Gewerbegebiets an der Stapelfelder Müllverbrennungsanlage genehmigt. 30 Hektar werden hinzukommen - auf der anderen Seite der Autobahn, eben auf Braaker Gebiet. In Reinbek geht es um das Gewerbegebiet, in dem auch das Lager von Peek und Cloppenburg steht. In Barsbüttel ist neben Möbel Höffner noch Platz - dort, wo dem Kreisverkehr noch eine Abfahrt fehlt.

Die Gutachter, die fast zwei Jahre an der Expertise gearbeitet und dazu rund 450 Unternehmen befragt haben, sehen Stormarn und die anderen Kreise im "Speckgürtel" unter anderem als "Überlaufbehälter", die diejenigen Firmen aufnehmen können, für die in Hamburg keine adäquaten Flächen mehr zur Verfügung stehen.

Je dichter an Hamburg dran, desto beliebter sind Flächen

Dieser schon in der Vergangenheit zu beobachtende "Spill-over-Effekt" (Gutachterdeutsch) wird sich in Zukunft noch verstärken. Denn nach Ansicht der Experten werden Hamburg in spätestens acht Jahren die Gewerbeflächen ausgehen, wenn dort keine Anstrengungen unternommen werden, neue Gebiete auszuweisen.

Eine Einschätzung, die Guido Sempell, der Vertreter der Stadt Hamburg, auf der Pressekonferenz so nicht teilen wollte. "Ich glaube, es ist nicht ganz so dramatisch", sagte Sempell, der im Bereich Landesplanung der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt tätig ist. "Allerdings gibt es in den verschiedenen Hamburger Behörden auch andere Auffassungen", räumte er ein.

Uwe Mantik von der Gutachterfirma CIMA wies darauf hin, dass für die meisten Unternehmen immer noch die Hamburgnähe das wichtigste Auswahlkriterium sei. Es mache deshalb auch keinen Sinn, in entfernteren Gegenden, beispielsweise in Uelzen oder im Kreis Dithmarschen, weiterhin große Flächen vorzuhalten, für die schon seit Jahren keine Nachfrage bestehe. Mantik wie Leinius sehen deshalb auch eine Zweiteilung der Metropolregion: Hier das Zentrum Hamburg mit seinen direkt benachbarten Kreisen, dort der äußere Rand der Metropolregion, der letztlich nur wenig von der Wirtschaftskraft des Kerns profitiert.

Um die Entwicklung gerade in Hamburg und den Nachbarkreisen besser steuern zu können, um Doppelangebote und Kannibalisierungseffekte zu vermeiden, schlagen die Gutachter vor, dass benachbarte Kommunen wenigstens bei gleicher Interessenlage zusammenarbeiten sollten. "Bilateral oder trilateral", also Kooperationen zwischen zwei oder drei Städten oder Kreisen, damit wäre Uwe Mantik schon zufrieden. Aber die Wünsche des Experten gehen noch weiter. "Als Gutachter kommt man ja auch mal ins Träumen", sagte er, "und da stelle ich mir dann eine gemeinsame Landesplanung für Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen vor."

Kirchturmpolitik soll der Vergangenheit angehören

Davon ist der Norden noch weit entfernt. Aber im Kleinen tut sich vielleicht etwas. Norbert Leinius träumt von einem ersten länderübergreifenden Gewerbegebiet und hat darüber schon mit der Hamburger Wirtschaftsbehörde gesprochen. Barsbüttel oder Stapelfeld kämen als Standorte in Frage. "Wir müssen von der Kirchturmpolitik wegkommen", sagte er. Weg von der Nabelschau - das ist auch das Prinzip des Netzwerks Norderelbe, das im November starten soll. Mit diesem unter anderem von der Europäischen Union finanzierten Projekt soll Betrieben geholfen werden, untereinander zu kooperieren und Partner in der Wissenschaft zu finden. Stormarn ist dabei, ebenso die anderen direkten Hamburg-Nachbarn in Schleswig-Holstein, aber auch die Kreise Steinburg und Dithmarschen.

Die Resonanz auf die erste zusammenfassende Betrachtung von Gewerbeflächen in der Metropolregion ist offenbar gut. In der vergangenen Woche ist sie in Reinbek Politikern aus der Metropolregion vorgestellt worden. Leinius: "Alle wollten, dass wir die Ergebnisse noch mal im Detail besprechen."