Erste freiberufliche Helferinnen stellen wegen Versicherungsprämien Geburtshilfe ein

Ammersbek. Frauen, die sich eine Hausgeburt wünschen, werden in Stormarn künftig Schwierigkeiten haben, eine Hebamme zu finden. Grund: Viele Geburtshelferinnen versagen diesen Dienst wegen aus ihrer Sicht zu hohen Versicherungsprämien bei der Haftpflicht. Der Deutsche Hebammenverband verzeichnet für September einen Rückgang von 23 Prozent bei Mitgliedern, die freiberuflich Geburtshilfe anbieten - als Beleghebammen, bei Haus- oder Praxisgeburten. "Dieser Trend lässt sich auf Schleswig-Holstein übertragen", sagt Sprecherin Edith Wolber. Von 524 Mitgliedern in Schleswig-Holstein seien noch 129 freiberuflich in der Geburtshilfe tätig, Tendenz fallend. Am Donnerstag befasst sich der Sozialausschuss des Landtags mit dem Problem. Die SPD-Fraktion hatte im Juli beantragt, die Bedingungen für selbstständige Hebammen zu verbessern. Das monatliche Durchschnittseinkommen einer Hebamme beträgt zwischen 1100 und 1300 Euro netto. Die Gebührensätze verhandeln die Geburtshelferinnen mit den Krankenkassen.

Sie reagieren deshalb auf die jüngsten Zugeständnisse der gesetzlichen Kassen an niedergelassene Ärzte mit Wut. "Während der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung uns drei Monate vorher mit Minimal-Erhöhungen brüskierte, die es keiner Hebamme erlauben, ihren Lebensunterhalt mit ihrer Arbeit zu verdienen, schüttet derselbe Verband nun ein Füllhorn von einer Milliarde Euro über die Kassenärzte aus", kritisiert Susanne Schäfer, Vorsitzende des Bundes freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD). Rein rechnerisch dürfe sich jeder Kassenarzt über fast 6700 Euro mehr im Jahr freuen, während eine selbstständige Hebamme im Durchschnitt die ersten zwölf begleiteten Geburten im Jahr ohne Honorar leisten müsse - allein, um die hohe Versicherungsprämie bezahlen zu können. In einem offenen Brief an die Gesundheitsminister mahnt Schäfer, den Stellenwert des Hebammenberufs nicht länger gering zu schätzen. Schäfer: "Sonst wird in Deutschland in wenigen Jahren der Kernbereich eines Jahrtausende alten Berufes Vergangenheit sein." Sie spricht für viele der Hebammen im Kreis Stormarn. "Die Geburtshilfe ist das Herz meiner Arbeit", sagt Susanne Karwehl aus Ammersbek.

Seit 1. Juli ist die Jahresprämie ihrer beruflichen Haftpflichtversicherung für Entbindungen von 2370 auf 3700 Euro gestiegen. "Für dieses Jahr habe ich alle Hausgeburten abgelehnt." Doch sie will weitermachen. "Für 2011 habe ich bereits sechs Anfragen", sagt sie. "Zwölf brauche ich, damit ich am Jahresende plus/minus Null dastehe." Für ihren Lebensunterhalt setze sie ab 2011 auf ein zweites Standbein. Gerade macht die 48-Jährige eine Ausbildung zur Heilpraktikerin. Karwehl: "Das heißt für mich, mit einem Bein Geld zu verdienen und mit dem anderen einem teuren Hobby, nämlich der Hausgeburt, nachzugehen."

Andere geben diesen Teil ihrer Arbeit als Konsequenz aus der jüngsten Prämienerhöhung auf. "Ich kann mir Geburten nicht mehr leisten", sagt Angela Feldtmann aus Bargteheide. Viele werdende Mütter, die sich für eine Hausgeburt entschieden hätten, reagierten mit Entsetzen und Panik. Es werde künftig nicht einfacher für Gebärende in Stormarn, Alternativen zur Klinik zu finden. Auch sie sieht das Berufsbild in Gefahr: "Wahrscheinlich fällt auch noch die Hinzuziehungspflicht, die Ärzten auferlegt, bei Entbindungen grundsätzlich eine Hebamme dabei zu haben - dann verschwinden wir endgültig vom Markt."

Birgit Ute Petersen, Hebamme aus Bredstedt und stellvertretende Vorsitzende des Hebammenverbandes Schleswig-Holstein, hat ebenfalls die Geburtshilfe aufgegeben. "Wenn noch mehr Kolleginnen aufhören, haben Frauen in ländlichen Gebieten keine andere Wahl mehr, als zur Entbindung in die Klinik zu gehen", sagt sie. Petersen: "Wenn es dann schnell gehen muss, wird es kritisch. Rettungssanitäter sind für Geburtshilfe nicht entsprechend ausgebildet." Von 39 Stormarner Mitgliedern würden seit Juli nur noch sieben Hausgeburten anbieten.

In Bad Oldesloe halten die Geburtshelferinnen ihr Angebot noch aufrecht. Allerdings zu einem hohen Preis: 600 Euro kostet es Schwangere seit August, in der Hebammenpraxis oder zuhause zu entbinden. "Neben 300 Euro für die Rufbereitschaft werden weitere 300 Euro fällig, mit der sich die Frau an den Kosten unserer Versicherung beteiligt", sagt Judith Malessa. "Ohne diese Beteiligung sehen wir keine Chance für außerklinische Geburten." Doch diese Maßnahme könne nur eine Übergangslösung sein. Malessa: "Der Wunsch nach einer Hausgeburt darf nicht mit 600 Euro Kosten verbunden sein." Ihre Hoffnung ruht auf den Berufsverbänden der Hebammen und der Politik.