Stormarner Landwirte trommeln bei Ministertreffen in Lübeck für faire Preise. Zurzeit bekommen sie 32 Cent je Liter

Travenbrück/Lübeck. Manchen ist der Protest zu friedlich. "Schande", ruft ein älterer, grauhaariger Mann. Er steht im Zelt der Demonstranten und nimmt einen Becher Milch. Eine Schande sei es, dass man so gute Milch heute nirgends mehr bekomme. Dass die Branche industrialisiert sei, die Bauern zu wenig Geld bekämen. "Ihr müsst das Auto der Ministerin baden, das muss weiß sein, wenn sie wegfährt!", ruft der Mann.

Die Limousinen stehen vor dem Mövenpick-Hotel in der Lübecker Innenstadt. Sie sind noch schwarz und silbern. Im Hotel treffen sich die deutschen Agrarminister zur Konferenz. Gestern war Bundesministerin Ilse Aigner (CSU) da, heute kommt EU-Kommissar Dacian Ciolos.

Auf der anderen Straßenseite steht eine Abordnung vom Bund Deutscher Milchbauern. Die Demonstranten haben ein Dutzend schwarz-rot-goldene Plastikkühe mitgebracht, in ihrem Zelt lagert palettenweise "faire Milch" aus eigener Herstellung. Ein Plakat droht den Teilnehmern der Konferenz: "Wir haben die Milchpolitik im Auge!"

Friedlich protestieren, das haben sich die Milchbauern geschworen. Keine Feuerwerkskörper mehr. Kein Straßenkampf. Nur Lautstärke, und dafür haben sie Jörg Schwieger engagiert, Schrotttrommler aus Lüneburg. Im Halbkreis hat er Ölfässer und Wassertonnen aufgestellt. Er soll den Bauern ein Lied beibringen, das sie darbieten wollen, wenn sie am Abend durch die Straßen ziehen.

Jürgen Teege schlägt auf eine Wassertonne ein. Teege kommt aus dem Travenbrücker Ortsteil Sühlen, er ist einer der Stormarner beim Protest in Lübeck. "Wir müssen unsere Interessen vertreten", sagt er. Dafür greift er auch zu Trommelstöcken. Die Milchbauern stehen im Halbkreis. "Wie soll ich die Stöcke denn halten?", fragt einer. "Na, wie 'ne Mistgabel", sagt sein Nebenmann. Zuerst üben sie einfache Rhythmen, dann stellt Schwieger nach und nach ein Ensemble zusammen, bis das Trommeln eine Melodie hat. Die Polizisten, die die Demo bewachen, klatschen Beifall.

"Das muss grooven", sagt Schwieger. "Wir müssen Drive in die Sache bringen." Er dreht den Kopf zur Straße, wo sich an der Ampel die Autos stauen. Wenn da jemand einen Auffahrunfall baue, sagt Schwieger, "dann habt ihr es geschafft". Die Bauern blinzeln hinüber zum Mövenpick-Hotel. Vielleicht hört man sie in den Konferenzräumen, wenn sie laut genug trommeln.

Sie sind erfahrene Demonstranten. Im vergangenen Jahr waren sie vier Mal in Brüssel, Ende Oktober fahren sie wieder nach Straßburg. Wo Agrarminister tagen, tauchen die Milchbauern auf. Kirsten Wosnitza, ebenfalls Milchbauerin, rechnet vor, dass nach wie vor kein Milchbauer vom Geld der Molkereien leben könne. Die zahlen aktuell 32 Cent pro Liter Milch. Das ist noch relativ viel, der Preis lag schon mal bei 18 Cent. "Unsere Produktionskosten deckt das noch lange nicht", sagt Wosnitza. 39 Cent koste die Herstellung.

Die Lücke stopfen die Subventionen. Und um die geht es in Lübeck. 2013 laufen die Verträge aus, die die Zuschüsse regeln. Deutschland muss innerhalb der EU eine Position erarbeiten, wie es weitergehen soll. "Langfristig kann man den Bürgern nicht erklären, warum die Landwirtschaft so viel Geld bekommt", sagt Kirsten Wosnitza. "Wir müssen autark werden." Autark bedeutet: höhere Milchpreise.

"2009 haben wir alle Kredite aufgenommen", sagt der Stormarner Jürgen Teege. "Sonst wären wir nicht über die Runden gekommen." Teege hat auf seinem Hof 80 Milchkühe. Im Moment laufe es besser, wegen des etwas höheren Preises, nur: "Jetzt müssen wir die Kredite abzahlen." Das koste zwei Cent pro Liter Milch, meint Teege. Er sei froh, wenn seine Jahresbilanz "bei plus/minus null" liege. "Drei Viertel aller Betriebe kommen überhaupt nicht klar."

Wenn der Milchpreis wieder sinke, sagt Teege, "dann würde es schlecht aussehen". Und die Bauern sind sicher: Der Preis wird sinken, so wie er in den vergangenen Jahren immer schwankte.

Ihr Problem sei, sagen sie, dass sie keinen Einfluss auf den Preis hätten. Per Gesetz gehört die Milch der Molkerei, sobald sie aus dem Euter kommt. Die Molkerei bestimmt, wie viel der Bauer abliefern soll. Und am Ende eines Monats teilt sie ihm mit, wie viel sie für die Milch bezahlt.

Jürgen Teege macht Pause vom Trommeln. Er trinkt seinen Kaffee mit viel Milch. Die Bauern stünden in der Kreide, und die Molkereien erwirtschafteten Gewinne, sagt er. "Wir müssen uns zusammentun." Gegen die Molkereien, für Milch zu einem fairen Preis. Die "faire Milch", die sie in Lübeck verkosten, stellen sie in ihrer Erzeugergemeinschaft her. In der eigenen Molkerei. Für sie bekommen sie einen Fixpreis, 40 Cent pro Liter.

"Wir wollen nur normal leben können", sagt Jürgen Teege. Dann greift er wieder zu den Trommelstöcken.