Hermann Becker zeigt Senioren seine Heimatstadt Reinbek aus einem neuen Blickwinkel. Die Rundfahrt geht in unbekannte Ecken in allen Stadtteilen

Reinbek. Hundertwasser, Bismarck oder Toblerone-Häuser - Hermann Becker kennt so manche Anekdote zu seiner Stadt. Reinbek mal aus einem anderen Blickwinkel entdecken, bisher unbekannte Ecken sehen und dabei spannende Details über die Geschichte der Stadt erfahren - das ist die Idee der Rundfahrten, die der Seniorenbeirat regelmäßig anbietet. "Viele kennen nur ihre gewohnte Umgebung, nicht aber die weiter entfernten Stadtteile", sagt Hermann Becker, Ur-Reinbeker und ehrenamtlicher Stadtführer.

An diesem Tag geht es auf der Nordtour nach Ohe, Schönningstedt und Neuschönningstedt. Aber zuerst steht Krabbenkamp an. "Zu der Insel-Siedlung zwischen Bille und Bahnlinie gibt es nur eine Zufahrt", erzählt Becker den gespannt lauschenden Mitfahrern. Als Kind habe er hier auf der früheren Bismarckschen Ackerfläche bei der Kartoffelernte geholfen. "Dabei haben wir auch Engerlinge gefunden - plattdeutsch: Krabben. Daher hat die Siedlung ihren Namen."

Für die erste Sehenswürdigkeit auf dieser Fahrt müssen die Senioren an der Sackgasse Krummbögen aussteigen. Über einen Fußweg im Wald erreichen sie ein Holzhaus "im Hundertwasser-Look", wie Hermann Becker den Jugendtreff präsentiert. Bunte Säulen aus Keramik im Stil des berühmten Künstlers stützen das Vordach. "Von den Krabbenkampern selbst gebaut", sagt der Reiseführer. Nach einem Abstecher zur Bille, Reinbeker Grenzfluss, Naturschutzgebiet und Heimat von Eisvögeln, geht die Busfahrt weiter.

Im Dorf Schönningstedt passiert die Gruppe einen Stolperstein im Johannes-Kröger-Weg, erfährt, dass es hier vier Teiche gibt, und erreicht schließlich ein Wohngebiet. "Wir nennen es 'Blankenese'", verrät Hermann Becker mit einem Augenzwinkern, als rechts und links die ersten Häuser mit weißen Säulen, Skulpturen im Vorgarten und BMW im Carport auftauchen. In der "Getreidesiedlung", kurvt der Bus dann durch Kornblumenring und Haferkamp. An einer Ecke ein Betonplatz, auf dem sich das Gras schon an einigen Stellen durchgesetzt hat. "Das war früher der Zuckerrübensammelplatz", sagt Becker. Die Bauern gingen, der Beton blieb. Jetzt weist ein kleines Schild hier auf einen Landeplatz für Rettungshubschrauber hin. "Das ist eine Reinbeker Erfindung", sagt Hermann Becker. "Tüdelkram."

Kurt Martens, Mitglied des Seniorenbeirats und an diesem Tag Busfahrer, steuert auch Relikte des alten Bauerndorfes an: die Kirche, einen Restbauernhof, die alte Dorfschule und eine Strohdachkate. "Eines der beiden ältesten Häuser von Schönningstedt", sagt Hermann Becker.

Auf dem Weg nach Neuschönningstedt macht er auf die Landschaften zu beiden Seiten der Straße aufmerksam. "Links ist noch die dänische Knicklandschaft zu erkennen, rechts die Bismarcksche Ackerfläche." Dann geht es an der "schwarzen Siedlung" mit einheitlichen Dächern vorbei. "Hier wohnten die Landarbeiter vom Gut Schönau", erzählt Hermann Becker. Er weiß auch, dass das Wohngebiet "Robinien" auf einem ehemaligen Fabrikgelände entstanden ist, und ein früherer Müllabladeplatz entgast werden musste - wegen Explosionsgefahr. "Und hier haben wir die Toblerone-Siedlung", sagt Hermann Becker und zeigt auf eine Häuserreihe mit spitzen schwarzen Dächern.

In der Waldsiedlung Langeloher Weg gibt es ein Haus mit Grasdach zu sehen. Die Siedlung sei im Zweiten Weltkrieg entstanden, als ausgebombte Hamburger her zogen, sagt Becker. "Reine Maurerarchitektur." Heute müssen die Häuser einen Mindestabstand zu den Oher Tannen einhalten. "Das Gebiet wurde von den Dänen aufgeforstet. Die brauchten Holz für ihre Schiffe." Eines darf bei der Tour nicht fehlen: Der alte Grenzstein, der früher den Rand der bis 1974 selbstständigen Gemeinde Schönningstedt markierte.

Der nächste Ortsteil liegt Hermann Becker besonders am Herzen. Im Dorf Ohe ist er aufgewachsen.

Doch seinen Reinbek-Reisenden erzählt er lieber von einem anderen Einwohner: Maximilian Graf von Bismarck, Urenkel des Reichskanzlers. "Maximilians Mutter war die Tochter einer schwedischen Architektin." Deshalb sei das Gut Schönau im skandinavischen Stil gebaut worden. Und der schwedische König Karl Gustav, nur wenige Monate älter als Maximilian, sei oft zu Besuch gewesen. Die schwarze Eisenpforte schmückt das Familienwappen mit einem Dreizack aus Eichenblättern. Becker: "Die Symbole hat Reinbek für sein Wappen geklaut."

Noch mehr internationale Verbindungen sind in der Dorfmitte zu erkennen. Der Padasjoki-Platz erinnert an die finnische Partnergemeinde. Auf dem Rückweg nach Alt-Reinbek beeindruckt Hermann Becker mit einem landschaftlichen Höhepunkt: Hinter Feldern erhebt sich dezent der Klingelberg. "Fast 60 Meter, der höchste Berg Reinbeks."

Die nächsten Stadtrundfahrten mit dem Seniorenmobil starten am Mittwoch, 6. Oktober, um 14 Uhr und um 16 Uhr. Die Teilnahme ist kostenlos. Eingeschlossen sind Kaffee und Kuchen im Jürgen-Rickertsen-Haus vor oder nach der Tour. Anmeldung unter der Telefonnummer 040/727 94 29.