Katastrophenschützer testen in Trittau neues Rettungskonzept des Landes

Trittau. Männer, Frauen und Kinder stehen in einer Schlange vor den Zelten, die eilig auf dem Sportplatz der Grundschule aufgebaut wurden. Menschen mit Mundschutz und weißer Schutzkleidung prüfen bei allen nacheinander mit einem kleinen Gerät die radioaktive Strahlung. Fahrzeuge vom Deutschen Roten Kreuz, der Feuerwehr und dem Löschzug Gefahrgut Stormarn stehen dort, wo sonst Schulbusse halten.

Am Schulzentrum in Trittau stehen die Helfer vor einer Situation, an die keiner denken mag: ein atomarer Notfall. "Der kann eintreten, wenn zum Beispiel aus Krümmel oder einem anderen Kernkraftwerk radioaktiver Wasserdampf austritt, nach einem Unfall während eines Transports von radioaktivem Material oder auch nach einem terroristischen Anschlag mit einer sogenannten schmutzigen Bombe", sagt Andreas Rehberg, Fachdienstleiter Recht und Gefahrenschutz des Kreises Stormarn.

Auf Landesebene wurde ein neues Konzept entwickelt, das den Aufbau, die Einrichtung und den Ablauf in einer Notfallstation regelt. Dieses Konzept wurde nun in Trittau ausprobiert. Neben dem Löschzug Gefahrgut des Kreises wirkten etwa 200 freiwillige Helfer von Organisationen wie dem Deutschen Roten Kreuz, der Feuerwehr und dem Arbeiter-Samariter-Bund mit.

Die Organisatoren haben mehr als 200 fiktive Datensätze vorbereitet

Bei einer atomaren Katastrophe wird durch die Radiosender ausgerufen "Bitte suchen Sie die Notfallstation auf". "Es ist eine freiwillige Aktion, die Menschen können sich in der Station durchchecken lassen", sagt Rehberg.

Das Gelände der Mühlau-Grundschule in Trittau wurde für die Notfallstation ausgewählt, weil dort die benötige Infrastruktur vorhanden ist. Für die Behandlung der Kontaminierten werden zum Beispiel Duschen benötigt, um radioaktive Verunreinigungen vom Körper zu entfernen, bevor die Strahlung absorbiert wird. "Zudem wird Platz gebraucht. Kontaminierte und nicht Kontaminierte dürfen sich nicht über den Weg laufen", sagt Rehberg.

Die Verantwortlichen rechnen mit etwa 90 Menschen, die pro Stunde zu der Station kommen. "Das ergibt schnell vierstellige Personenzahlen pro Tag", sagt Rehberg, "es gibt ja noch keine Vergleichszahlen."

Am Übungstag durchlaufen die Freiwilligen, die die Opfer spielen, elf Stationen. "Wir haben mehr als 200 fiktive Datensätze vorbereitet", so Rehberg. Jeder Helfer schlüpft in die Rolle einer anderen Person. Auf einem Zettel stehen der Wohnort im Katastrophengebiet und die Stärke der Vergiftung.

Gerd Mittelstedt von den Maltesern aus Ahrensburg spielt einen jungen Türken aus Lasbek. Er ist vermutlich kontaminiert und muss direkt in eines der aufgebauten Zelte. Dort messen Einsatzkräfte in Schutzanzügen und mit Mundschutz die Strahlung mit einem Strahlenmessgerät. Das bekannte hektische Piepsen der Geräte wurde abgestellt, damit die Untersuchten nicht panisch reagieren. Der Wert wird nur auf dem Gerät angezeigt. Bei Mittelstedt sind es laut Anweisung acht Mikrosievert. Ab einer Belastung von 0,1 Mikrosievert werden die Personen direkt unter die Dusche geschickt. Anschließend wird noch einmal gemessen. Diese Prozedur wird bei Bedarf noch zweimal wiederholt.

Um Strahlung im Körper festzustellen, wird die Schilddrüse untersucht

"Selbst wenn die Person danach noch kontaminiert ist, gehen wir davon aus, das dies innerhalb von zwei Wochen vergeht. Die Kontaminierung ist meist nur oberflächlich", sagt Rehberg. Um weiter festzustellen, ob im Körper Strahlung aufgenommen wurde, wird die Schilddrüse untersucht - auch bei den Personen, die zuvor noch als nicht-kontaminiert eingestuft wurden. Ein Arzt beurteilt die Ergebnisse und überweist die Opfer gegebenenfalls in ein Krankenhaus.

Die Helfer müssen auch üben, mit besonderen Fällen umzugehen. Der 23-jährige Mike Kosielowsky aus Jersbek etwa spielt einen 74-Jährigen, der zwar nicht kontaminiert ist, aber an einer chronischen Lungenkrankheit leidet und daher medizinische Versorgung benötigt. Und in der Notfallstation kümmern sich die Helfer auch um Unterkünfte für alle, die aufgrund der Strahlenbelastung nicht mehr nach Hause können. Die Übung ist nach dem Auftakt in Stormarn auch in weiteren Kreisen geplant.