Pastorin, als Kind missbraucht, fordert von Nordelbien rückhaltlose Aufklärung in Ahrensburg

Ahrensburg. Die Pastoren der Ahrensburger Kirchengemeinde, die sich für die Aufklärung der Missbrauchsfälle in den 80er-Jahren einsetzen, brauchen stärkere Unterstützung der Nordelbischen Kirchenleitung. Das fordert die Pastorin Susanne Jensen, die gestern Abend im Schulzentrum am Heimgarten über sexuellen Missbrauch referierte, im Gespräch mit der Regionalausgabe Stormarn des Hamburger Abendblattes.

"Die Pastoren hier in Ahrensburg haben sehr gute Arbeit geleistet", sagt Jensen. Aber die Kommunikation zwischen Kirchengemeinde und Kirchenleitung funktioniere nicht gut. "Von oben fehlt die Rückenstärkung der Pastoren vor Ort." Gerade die Aufklärung der juristisch verjährten "Altfälle", wie die Pastorin sie nennt, sollte oberste Priorität in der Kirche haben. "Es geht um das Vertrauen der Menschen."

Sie wolle die Kirche bei der Aufklärungsarbeit mit ihrer Kompetenz und ihrem Wissen über Opfergefühle unterstützen, sagt Susanne Jensen. "Denn ich trage selbst Opferhaut."

Als Kind sei sie jahrelang von ihrem Vater missbraucht worden, später habe sich ein katholischer Priester an ihr vergangen. Heute ist sie Pastorin im Kirchenkreis Eckernförde. "Ohne meinen Glauben hätte ich nicht überlebt", sagt sie. Doch die Qualen ihrer Kindheit haben Spuren hinterlassen. Die Frau mit den kurz geschorenen Haaren hat vier Selbstmordversuche hinter sich, war alkoholkrank, verletzte sich selbst mit brennenden Zigaretten. Ihre Krankheit heißt Borderlinesyndrom - Folge des frühen Traumas. "Meine Gegenwart ist stark von der Vergangenheit geprägt. Das Leid von damals quält mich auch heute noch."

Als sie hörte, dass in Ahrensburg der Pastor Dieter K. jahrelang Jugendliche missbraucht haben soll, hat sich Susanne Jensen verpflichtet gefühlt, zu helfen. Einerseits, weil sie den Menschen erklären will, warum Missbrauchsopfer oft so lange brauchen, um mit ihrem Leid aus sich herauszugehen. "Die Stimme der Missbrauchten wird laut", sagt sie. Aber sie will auch die Kirche, "meine Kirche", dabei unterstützen, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. "Ich handele aus großer Sorge um die Kirche", sagt die 47-Jährige.

Erst vor wenigen Wochen hat sie ihre Erlebnisse zum ersten Mal öffentlich erzählt. "Jetzt will ich anderen Opfern den Rücken stärken." Susanne Jensen hofft, dass die Kirchenleitung die Fälle in Ahrensburg äußerst ernst nimmt und der Aufklärung oberste Priorität einräumt. "Die Kommunikation mit der Kirchengemeinde und den Opfern muss auf Augenhöhe laufen." Darüber hinaus brauche es Gesten der Versöhnung, um wieder Vertrauen zu schaffen. Jensen: "Wenn Gerechtigkeit geschaffen ist, wird auch wieder Friede in Ahrensburg einkehren." Der Informationsabend der Kirchengemeinde Ahrensburg in Kooperation mit dem Verein Missbrauch in Ahrensburg sei ein wichtiger Schritt, sagt Jensen. "Es ist gut, dass die an einem Strang ziehen."

Mehr zu der Veranstaltung im Schulzentrum am Heimgarten lesen Sie in der Mittwochausgabe