Vier Jahre und neun Monate für den Mann, der die 22-jährige Kira in den Tod riss

Lübeck/Reinfeld. Er war eine tickende Zeitbombe. In den vergangenen zwölf Jahren ist er immer wieder ohne Führerschein und betrunken Auto gefahren. Zahlreiche Sanktionen wie Bewährungs- und Freiheitsstrafen von sieben Monaten bewirkten nichts - kein Umdenken. Im November vergangenen Jahres stirbt die 22 Jahre alte Kira Mihm, weil Martin L. sich erneut völlig betrunken hinters Steuer gesetzt hatte.

Das Landgericht in Lübeck verurteilte den 36-Jährigen jetzt zu vier Jahren und neun Monaten Haft. Zudem bekam L. eine Führerscheinsperre von fünf Jahren. "Wir können nicht verstehen, dass dieser Mann erneut den Führerschein erwerben darf", sagt Claudia Mihm, die Mutter der Verstorbenen. Sie als Nebenklägerin und auch die Staatsanwaltschaft hatten gefordert, dass L. nie wieder einen Führerschein machen darf. "Uns ist die Freiheitsstrafe nicht so wichtig gewesen. Wir haben gefordert, dass dieser Mann nie wieder einen Führerschein bekommt", sagt die verwaiste Mutter.

Auch die Staatsanwaltschaft beantragte, dem Angeklagten die Fahrerlaubnis ein Leben lang zu entziehen. "Das Urteil bringt doch nichts", sagt Claudia Mihm verständnislos: "Sobald er aus dem Gefängnis kommt, kann er quasi seinen Führerschein beantragen."

Für die Mutter war auch der letzte Verhandlungstag eine Zerreißprobe. Im Gerichtssaal suchte sie immer wieder die Hand ihres Mannes, drückte diese ganz fest, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Denn erneut versuchten die Verteidiger des Angeklagten, die Schuld für den Tod ihrer Tochter nicht nur beim Angeklagten zu suchen. Er hatte in der Nacht zum 14. November mit mehr als zwei Promille im Blut auf der A 1 bei Reinfeld die Kontrolle über seinen 7er-BMW verloren, die Leitpranke durchbrochen und war als Geisterfahrer auf der Gegenfahrbahn weitergefahren - bis er den Ford Ka von Kira Mihm rammte. Eine Notoperation konnte das Leben der 22-Jährigen nicht mehr retten. Sie starb einige Stunden später im Krankenhaus. Martin L. überlebte den Unfall leicht verletzt.

Die Verteidigung bemängelte, dass die Leitplanke nicht den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung entsprochen habe. Sie stellte damit erneut ein Gutachten in Frage. Im Plädoyer fügte die Verteidigung sogar noch ein Beispiel an, das bei den Zuhörern im Saal Kopfschütteln verursachte: Die vermeintlich fehlerhafte Leitplanke sei mit einer fehlerhaften Ampelschaltung zu vergleichen, dessen Folge ein Unfall sein könnte - möglicherweise ein tödlicher. Auch die Bemessung der Geschwindigkeit sei fehlerhaft, so die Verteidiger, die auch am letzten Verhandlungstag Anträge für neue Gutachten stellten.

Zudem sollte laut Verteidigung berücksichtigt werden, dass Martin L. bereits vor Prozessbeginn in den Medien vorverurteilt worden sei. "Er ist sogar als Todesraser betitelt worden", sagte die Anwältin des Angeklagten. Doch die Richterin wies die Anträge zurück und verhängte letztlich eine harte Strafe. Martin L. entschuldigte sich bei den Hinterbliebenen. "Es tut mir Leid, ich kann mich nicht mehr daran erinnern", sagte er, als ihm die Richterin das letzte Wort erteilte. Fast hilflos wirkte der Mann, der während der gesamten Verhandlung den Kragen seiner hellgrauen Jacke hochgezogen und mit gesenktem Haupt neben seiner Verteidigerin gesessen hatte, als er sagte: "Ich hoffe, ich werde mich irgendwann daran erinnern."

Für die Familie des Opfers geht jetzt zwar die Belastung des Gerichtsprozesses zu Ende. Doch das Leben der Familie ist zerstört. "Mein jüngster Sohn hat Albträume. Im Schlaf sieht er seine Schwester auf ihn zulaufen, dann zerfließt sie", sagt die Mutter unter Tränen. Der ältere, elfjährige Sohn leidet unter Depressionen, ist in Therapie.

"Sie war so ein wunderbarer Mensch. Sie hat mir geholfen und sich um ihre drei jüngeren Brüder immer liebevoll gekümmert", sagt die Mutter. Auch am Tag vor ihrem Tod war Kira Mihm nach Norderstedt gekommen, um mit ihrem Bruder zu einer Sportveranstaltung zu gehen. "Sie wollte danach noch zu einer Freundin", erinnert sich die Mutter, "ich sagte: Fahr nach Hause, es ist schon spät, und dein Mann wartet auf dich." Doch die 22-Jährige antwortete nur "Mama, ich mach das schon alles", gab ihr einen Kuss und fuhr weg. Auf dem Weg nach Hause nach Timmendorfer Strand passierte der Unfall.

"Ich weiß, dass nicht nur unsere Familie leidet. Auch Martin L., seine Familie und seine drei Kinder werden darunter lange leiden."

Die Mutter hofft, dass die harte Strafe nun endlich Martin L. zum Umdenken bewegt und er sich nie wieder betrunken hinters Steuer setzt.