Unser Dorf: Die Stormarn-Ausgabe des Abendblattes auf Sommertour. Die Menschen lieben den ländlichen Charme in und um Tralau

Tralau. Einmal Tralau, immer Tralau - das ist seine Devise. Wenn Ernst-Otto Borcherding mit seinem weinroten Passat Kombi durch sein Dorf fährt, erkennt ihn fast jeder. Und jeder winkt ihm oder nickt mit dem Kopf. Borcherding wurde 1935 in Tralau geboren und ist einer der wenigen alten Bauern, die noch dort leben. Er bescheinigt seinem Dorf eine "urige Primitivität mit Niveau" und lacht. Zugleich gibt der Rentner aber zu: "Wenn ich 40 Jahre jünger wäre und ledig, würde ich nach Amerika auswandern." Ein Cousin von ihm lebt in Chicago. Borcherding war schon mehrmals "drüben".

Seine Frau Helga zieht es dagegen nicht in die Ferne. "Ich fahre viel lieber nach Büsum." Und weil Haus und Hof nun mal in Tralau stehen, bleiben auch die beiden, wo sie 1966 geheiratet haben. Die 25 Hektar Land hat er längst verpachtet. "Früher gab es allein in Tralau sieben Bauern. Heute ist kaum noch einer übrig."

Jobst Freiesleben hält einen kleinen Plastik-Korb mit Kartoffeln in den Händen. Gleich gibt es Mittagessen. Mit seinem Bruder Cord und dem Enkel seiner Frau, Olaf Groth, wartet der Landwirt in einem kleinen Raum seiner Scheune auf Kunden, die einen Sack seiner Kartoffeln kaufen wollen. Die beiden Brüder führen einen der letzten Bauernhöfe von Tralau. Der Strukturwandel in der Landwirtschaft habe im Dorf Spuren hinterlassen, so Jobst Freiesleben. Sein Bruder nickt und ergänzt: "Ohne staatliche Beihilfen ginge schon lange nichts mehr." Zurzeit packt der zwölfjährige Olaf bei der Ernte mit an. "Er kann schon richtig gut mit dem Trecker umgehen", lobt Cord den Ferienbesucher aus Rendsburg. Und Olaf weiß schon genau, dass er später auch in der Landwirtschaft arbeiten will. Beweisen kann sich Olaf nach dem Mittagessen. Dann geht es raus auf den Acker - Weizen dreschen.

Früher gehörten fast alle Ländereien und viele der Katen im Dorf zum Gut von Graf Kerssenbrock. Heute zeugt das restaurierte Herrenhaus vom Glanz alter Tage. Besucher erreichen es nur über ein raues Kopfsteinpflaster. Ein kleines Schild weist darauf hin, dass man Privatbesitz betritt. Einen Besucheransturm will die Eigentümerfamilie vermeiden. "Wir haben dafür gar nicht die Infrastruktur", sagt der Eigentümer, der namentlich nicht genannt werden will. Auch die vielen großen Bäume seien eine Gefahr für Besucher, weil die meisten krank seien und Äste herunterfallen könnten. Neben dem gelben Herrenhaus sind die vielen alten Bäume eine der Attraktionen von Tralau. Die Straße, die das Dorf mit dem Ortsteil Nütschau verbindet, ist gesäumt von hohen Eichen.

Am Straßenrand warten Ruth und Rolf Kröger mit ihren Fahrrädern. Mit anderen Mitgliedern des Seniorenclubs radeln sie jeden Montag. "Wo es heute hingeht, wissen wir noch nicht", sagt der 70-jährige Kröger. "Günter Joost denkt sich die Routen aus." Keine fünf Minuten dauert es, bis sich alle Radler eingefunden haben. Weil Urlaubszeit ist, sind sie nur zu zehnt. "Manchmal haben wir auch 18 Teilnehmer", sagt Joost. Die wöchentlichen Touren muss er nicht vorbereiten. "Die Umgebung kenne ich wie meine Westentasche." Heute führt der Rentner, der früher für das Katasteramt arbeitete, die Gruppe in Richtung Oldesloe nach Düpenau und an der Trave wieder zurück. Der Seniorenclub ist eines der wenigen Bindeglieder zwischen den sechs Ortsteilen. Zu den Veranstaltungen kommen mittlerweile auch Einwohner aus Sühlen oder Schlamersdorf jenseits der Trave.

Ein anderes verbindendes Element ist der Kindergarten. Zwar sind zurzeit gerade Ferien, doch wuseln und spielen die Kleinen überall in den hellen Räumen herum. "Ich habe meine Rennautos dabei", ruft der fünfjährige Carl. Und sein Freund David antwortet: "Ich auch." Die beiden wohnen mit ihren Eltern in Tralau. Die meisten der Spielkameraden kommen aus anderen Dörfern. "Wir betreuen auch Kinder aus Grabau", sagt Karin Bock. Die 52-Jährige leitet den Kindergarten. "Wir sind ein Elternverein und so bringen sich Einwohner aus den verschiedenen Ortsteilen ein." Ansonsten gebe es aber kaum gemeinsame Veranstaltungen. "Selbst das Vogelschießen machen wir getrennt. Die Ortschaften liegen einfach zu weit auseinander."

Die Traditionsveranstaltung organisieren die Feuerwehr und der Sportverein. "Dass die Gemeinde nicht ein gemeinsames Vogelschießen veranstaltet, liegt an den gewachsenen Strukturen", sagt Alfred Neumann, Vize-Wehrführer in Tralau. "Und das ist ja auch gut so." Die 29 aktiven Feuerwehrleute sind neben Tralau auch für Nütschau, Neverstaven und Vinzier verantwortlich. Erst vor einigen Jahren ist die Wehr von der Kreisfeuerwehrzentrale in Nütschau in ein eigenes Gerätehaus in Tralau umgezogen. Direkt neben den Sportverein.

"Unser Flutlicht ist teilweise defekt", klagt Dietmar Krebs, Vorstandsmitglied des Tralauer SV. Mit Kai Nagorsnik, Obmann der Herren-Fußballsparte, steht er auf dem grünen Rasen des Vereins. "Die Hecken hinter den Sitzbänken müssen wir noch schneiden", sagt der 45-Jährige. Die Fußballer halten den Platz selbst in Schuss. "Kai ist zugleich Platzwart und hat sich nach dem harten Winter um den Rasen gekümmert", lobt Krebs seinen Vereinskollegen.

Helga Borcherding ist schon lange im Sportverein aktiv. "Jeden Montag gehe ich zum Turnen", sagt die 73-Jährige und zeigt eine Broschüre der Gruppe aus dem Jahr 1988. Ihr Mann dagegen hält sich im Vereinsleben des Dorfes zurück. Er zwinkert mit den Augen, lächelt und sagt: "Aus der Feuerwehr wurde ich wegen Übereifers entlassen."