Professor am Reinbeker St.-Adolf-Stift hat im weltweit erst dritten Eingriff eine neuartige Prothese implantiert

Reinbek. Das Reinbeker St.-Adolf-Stift hat sich an die Spitze einer neuen medizintechnischen Entwicklung gesetzt: In dem weltweit erst dritten Eingriff hat Prof. Gerit Krupski-Berdien einer Patientin eine Arterienprothese eingesetzt, die erst im Juli auf den Markt gekommen ist. Der Chefarzt der Radiologie implantierte der 67-jährigen Hannelore Wulff in ihren linken Oberschenkel eine sogenannte Viabahn - einen mit 25 Zentimetern extrem langen Arterienersatz, der das Aneinandersetzen mehrerer Gefäßprothesen zur Verbesserung der Beindurchblutung unnötig macht. So werden mögliche Ablagerungen in den Verbindungsstücken vermieden, wird das Risiko eines erneuten Verschlusses gemindert.

"Das neue Material verspricht exzellente Offenheitsraten. Mit anderen Worten: Es stellt sicher, dass es nicht so leicht wieder verstopft", erläutert der Chefarzt der Radiologie, der gern mit dieser neuen Generation von Stents arbeitet- einem Goretex-Schlauch mit Metallarmierung und in Extra-Länge. Prof. Krupski-Berdien: "Die bisherigen metallischen Gefäßstützen gab es nur in einer Länge von 17 Zentimetern und sie zeigten erneute Verschlüsse und an bewegungsreichen Stellen wie eben den Oberschenkeln oder den Knien auch vermehrt Materialbrüche." Die neuartige Viabahn, die das Blut in den Beinen wieder frei zirkulieren lassen soll, ist zudem mit Heparin beschichtet, das die Blutgerinnung hemmt und so Thrombosen vorbeugt.

Für Hannelore Wulff, die jetzt in Reinbek am linken Bein operiert wurde und die Ende August auch im rechten Bein den neuen Stent erhalten soll, bringt der Eingriff die lang ersehnte Linderung. Ihre Schmerzen waren so stark geworden, dass an Weitergehen oft schon nach wenigen Minuten nicht mehr zu denken war. In ihrer Not blieb die 67-Jährige vor Geschäften stehen. Ihr Hund musste warten, bis Frauchen wieder durchatmen konnte. Es sollte so aussehen, als sei sie an den Schaufenstern der Läden interessiert. In Wirklichkeit wollte sie nur in der allgemeinen Betriebsamkeit auf der Straße nicht auffallen. In Wirklichkeit war es ein Zwangs-Stopp: Ablagerungen hatten die Arterien in ihren Beinen verstopft, die Beine wurden nicht ausreichend durchblutet, jeder Schritt war eine Qual, der Atem wurde schwer.

Insbesondere ältere Menschen leiden unter dieser "Schaufensterkrankheit" - und das häufig ohne Aussicht auf Besserung. Denn oft sind bei den Betroffenen nicht nur die Arterien der Beine verschlossen, sondern auch die Herzkranzgefäße verstopft. So sind sie allgemein geschwächt. Für sie würde das herkömmliche Verlegen eines Bypasses und das dafür erforderliche Öffnen des Beines von der Leiste bis hin zum Knie ein zu hohes Risiko bergen.

Die in Reinbek angewandte alternative Methode ist für Patienten schonender und bedeutet zudem nicht eine Woche Krankenhausaufenthalt, sondern nur eine Nacht. Und so funktioniert's: Bei lokaler Betäubung wird in die nicht mehr funktionsfähige Arterie ein Katheter eingeführt, dessen Sitz der Chefarzt durch lokales Röntgen des Oberschenkels immer wieder überprüft. Ist der Katheter vollkommen verlegt, wird in sein Inneres die Viabahn, die Ersatzarterie, eingeführt und schließlich wie ein Ballon aufgedehnt. Das Blut kann wieder frei fließen.

Für Hannelore Wulff war dieser neue Weg der Behandlung äußerst angenehm. "Ich konnte gleich am nächsten Tag entlassen werden. Ich hatte keine Vollnarkose und weniger Schmerzen als nach einer großen Operation", sagt die 67-Jährige. Der Reinbeker Radiologe macht noch auf den finanziellen Vorteil aufmerksam: Aufgrund des deutlich kleineres Eingriffs sind auch die Kosten für diese innovative Methode für die Krankenkassen geringer. Prof. Gerrit Krupski-Berdien ist sich sicher: "In Zukunft werden immer mehr Menschen mit diesem schonenden Verfahren behandelt werden, nicht nur ältere Menschen. Die langen und flexiblen Stents werden diesen Trend noch weiter verstärken."

Die Zulassung für Gefäßprothesen, die mit Heparin beschichtet sind, wurde vor einem Jahr erteilt. Seitdem erhielten in der Radiologie des Reinbeker Krankenhauses 15 Patienten mit der Schaufensterkrankheit diese neuen Implantate. Auch sieben Patienten mit Nierenversagen profitierten von der Neuerung. Sie erhielten zur Vorbereitung für die Blutwäsche einen sogenannten Hämodialyse-Shunt - eine Verbindung zwischen Arterie und Vene, die einen hohen Blutfluss ermöglicht. Mit Heparin beschichtet, ist die Gefahr gemindert, dass sich der Goretex-Verbindungsschlauch verschließt.