Mit Zwangsprüfungen will Kiel das Grundwasser vor Verunreinigung schützen. Mit Kanalinspekteuren unterwegs

Glinde/Oststeinbek. Das Thema erregt die Gemüter von Bürgern und Kommunalpolitikern in Stormarn seit Monaten. Die Ministerium für Umwelt und Landwirtschaft in Kiel hatte erlassen, dass die Abwasserleitungen jedes Hauses auf ihre Dichtheit zu überprüfen ist. Grundlage für den Erlass ist eine DIN-Norm als allgemein anerkannte Regel der Technik, ein vom Deutschen Institut für Normung (DIN) erarbeiteter freiwilliger Standard. Eine Bürgerinitiative sagte der Kontrollpflicht den Kampf an, witterte dahinter eine Begünstigung der "Kanalbranche".

Auch aus dem Kreis Stormarn und benachbarten Landkreisen kam Kritik. Wegen der Proteste hat das Ministerium eine Verschiebung der Fristen akzeptiert, will aber bislang nicht von der Pflicht zur Überprüfung abweichen. Auf eine sachlich geführte Diskussion drängt Harald Hoffmann, technischer Leiter des Zweckverbandes Südstormarn. Mit mehr als 30 Mitarbeitern kümmert er sich in der Region um Glinde darum, dass Abwasser ordnungsgemäß in die Kläranlagen fließt. Zu den Aufgaben der Mitarbeiter gehört es auch, kommunale Abwasserleitungen auf ihre Dichtigkeit zu überprüfen. Die Abendblatt-Regionalausgabe Stormarn hat der Rohrpolizei über die Schulter geschaut.

Mit einer Geschwindigkeit von 15 Zentimetern pro Sekunde arbeitet sich "das Auge" in das Dunkel vor. Carsten Himpel bewegt behutsam einen kleinen, grauen Joystick und steuert so die Schiebekamera durch die Kanalisation. Der erfahrene Kanalinspekteur sitzt in einem orangefarbenen Kleinbus vor vier Bildschirmen. Sein Kollege Andreas Korsch hat es nicht so gemütlich. Er steht hinter dem Wagen und führt im strömenden Regen das Kabel für die Kamera nach.

"Die beiden sind absolute Fachmänner", sagt Stefan Martens. Der 44-jährige Ingenieur arbeitet beim Zweckverband Südstormarn und erstellt zusammen mit Himpel und Korsch den Routenplan für die Kontrollen der Kanäle. Die sogenannte Dichtheitsprüfung von Abwasserleitungen ist ein umstrittenes Thema. Harald Hoffmann, technischer Leiter des Zweckverbandes, fordert einen "nüchtern sachlichen Umgang" mit dem Streitthema. Er klagt: "Über Jahre wurde bei dem Thema in dem Glauben verfahren, dass unter der Erde alles in Ordnung ist."

Der 57-jährige Bauingenieur spricht sich für die Kontrollen der Privatanschlüsse aus - zum Schutz des Grundwassers. Dennoch gibt auch er zu, dass die zunächst vorgesehene Frist für Leitungen in Wasserschutzgebieten bis 31. Oktober 2010 nicht zu halten sein wird. "Ich hatte gehofft, die Eigenverantwortlichkeit der Hauseigentümer sei größer. Doch nur auf darauf zu setzen, klappt wohl nicht." Trotzdem weist Hoffmann auf die vielen Zusendungen von Kontrollunterlagen aus der Bevölkerung hin. Sie belegen, dass sich viele Hauseigentümer an die Vorgaben halten. "Weit mehr als 2000 Leute haben uns die Unterlagen geschickt. Und jeden Tag erreichen uns weitere Nachweise per Post."

Auch Martens kann nicht verstehen, warum viele Menschen sich gegen die Kontrollen sträuben. "Über die TÜV-Prüfung für das Auto klagt doch auch keiner." Dabei gehe es doch um die Qualität unseres Grundwassers und damit auch um die des Leitungswassers. Der Ingenieur warnt vor Verhältnissen wie etwa in Spanien. Allerdings: "Die Kontrolle der Hausanschlüsse ist kompliziert. Da gibt es zwei, drei Abzweigungen mehr", sagt Martens. Gerade bei älteren Häusern sei das Leitungsnetz häufig äußerst komplex - und undicht. "Ich stelle mir vor, dass dann eine Dichtheitskontrolle schon einen halben Tag dauert."

Durch diesen Aufwand könne eine Kontrolle nicht 100 bis 150 Euro kosten. "Um kostendeckend und ordentlich arbeiten zu können, müsste eine Dichtheitskontrolle rund 400 Euro kosten." Mit dem Einzug der modernen Kameratechnik verändert sich die Kontrollen und die Anforderungen an die Kontrolleure. "Früher haben wir noch mit einer Lichtquelle und einem Spiegel gearbeitet", erläutert der Kanalinspekteur Himpel, der seit 25 Jahren Rohre überprüft. "Damals konnten wir nur sehen, ob das Rohr durchlässig war."

Heute kontrolliert der 49-Jährige mit einer zwölf Jahre alten Kamera, dem sogenannten Kanalauge. Im Wiesenweg in Oststeinbek haben die Kanalinspekteure ihre Kontrolle abgeschlossen. Sie haben mit ihrem Kanalauge ein 2005 verlegtes Rohr durchleuchtet. Es geht um die Abnahme der Bauarbeiten, weil die Gewährleistungsfrist in diesem Jahr abläuft.

Mit Hilfe einer Gegensprechanlage verständigt sich Himpel mit Andreas Korsch, der draußen gerade die Kamera mit Wasser abspritzt und sie so reinigt. Vor dem Wasser schützt die empfindlichen Kameras Luftdruck. 0,9 bar sollte er betragen, damit kein Tropfen eindringt. Himpel kann ihn auf seinen Armaturen ablesen. Gleich neben dem Joystick leuchten zwei rote Zahlen: jeweils 0,9 bar.

Obwohl die Kameras wasserdicht sind, müssen vor ihrem Einsatz die Leitungen gereinigt werden. "Die Kontrolle findet daher in zwei Schritten statt", erläutert Martens. "Erst die Vorbereitung und dann die eigentliche Kontrolle." In der Vorbereitung wird auch ein Lageplan des Kanalsystems erstellt, an dem sich Himpel während der Kontrolle orientieren kann. Das Schema auf schwarzem Grund sieht er auf einem der Bildschirme. "Häufig sind die Leitungen schon nach einigen Jahren undicht", sagt Martens. Straßenverkehr und das Gewicht des Erdreichs üben enorme Kräfte auf die Rohre aus. Himpel: "Hier ist aber fast alles in Ordnung." Nur einige Dichtungen sitzen nicht. Solche Mängel werden fotografisch dokumentiert und archiviert. "Morgen können sich alle Mitarbeiter die Bilder in unserer Datenbank anschauen."