Eine Glosse von Thies Jonas

Experten wie Mediziner, Psychologen oder Lebenskünstler grübeln und grübeln. Die Frage, die sie umtreibt, lautet: Wie lässt sich unser Alltag entschleunigen? Gesucht wird eine Strategie gegen Hast und Hektik, Schnelllebigkeit und Stress. Ein österreichischer Professor hat sogar einen Verein - den Verein zur Verzögerung der Zeit - gegründet. Uns Alltagsstressgeplagten bietet sich unverhofft jeden Tag aufs Neue eine Therapie. Setzen Sie sich einfach in Ihr Auto, machen Sie sich auf den Weg zur Autobahn 1, und Ihnen wird Stillstand gegeben. Ruhe und Frieden. Sie können "Schäfchen" zählen, die gelangweilt hinter verregneten Fensterscheiben aus ihren Autos ins Nichts starren. Sie können Selbstgespräche führen oder versuchen, mit dem lieben Herrgott in Kontakt zu treten. Haben Sie einen Beifahrer, philosophieren Sie doch einfach über den Sinn des Lebens oder die Endlichkeit des Daseins. Und wenn es ein Morgen gibt, dann ist nur eines gewiss: der Stau. Sie können auch meditieren oder tief durchatmen, die Augen schließen und an Ihren letzten Urlaub denken. Die Gedanken sind frei; die Fahrbahn dicht. Unterdrücken Sie den latenten Drang zur Unruhe oder zum Haareraufen - das würde den therapeutischen Erfolg gefährden. Behalten Sie die Kontrolle. Nur so leisten Sie einen aktiven Beitrag zur Entschleunigung Ihres Alltags und unserer Gesellschaft. Und auch morgen treffen wir uns wieder zur Therapie an gleicher Stelle.