In unserer Serie treffen wir Menschen aus Stormarn auf ihrer Lieblingsbank. Heute: Kulturchef Bernd Michael Kraske, der jedes Jahr rund 1400 Veranstaltungen verantwortet.

Reinbek. Bernd Michael Kraskes Herz schlägt für Musik, Kunst und Literatur. Die Bühne zu bereiten für andere, Kunst und Kultur an den Mann und die Frau zu bringen, ist seine Leidenschaft. Er hatte interessante Angebote im Laufe der Zeit. Doch er blieb in Reinbek. "Ich bin ein Familienmensch, in jeder Hinsicht.", sagt er. Das Team im Kulturzentrum und der große Freundeskreis hielten ihn. Auch seine Frau und die drei Töchter wollten nicht weg. "Die sagten mir: Geh doch, wir kommen nicht mit!" Wenn er im Herbst 2012 in Pension geht, will er mit seiner Frau Eva-Maria viele Lesereisen machen. Dabei schlüpfen sie in die Rollen von Thomas und Katja Mann.

So auch am 10. Januar 2010, im Wellingsbütteler Torhaus. Seine Weihnachtslesung, die er gerade zum 20. Mal im Schloss hielt, ist Tradition. "Ich begeistere gerne mit Literatur, freue mich über die leuchtenden Augen." Im Ruhestand will er auch mehr schreiben. 23 Bücher hat er als Herausgeber und Autor schon publiziert. "Aber das Vorlesen macht mir am meisten Spaß." Es wird also wohl eher ein "Unruhestand" werden.

Die Eltern waren auf der Durchreise von Breslau nach Mainz gewesen, als Bernd Michael Kraske am 14. Oktober 1947 in Hungen (Oberhessen) geboren wurde. Karl-Ludwig Schneider, Mitglied der "Weißen Rose", Gründer der Studentenzeitschrift Hamburger Akademische Rundschau und Professor an der Universität Hamburg, war für ihn eine Vaterfigur. "Er hat mich mehr geprägt als das Elternhaus, zusammen mit meinem Lehrer Harald Kohtz." Durch den Deutschlehrer, der die Familie Mann persönlich kannte, kam Kraske von Karl May zu Thomas Mann. Kohtz brachte ihn auch zum ersten Mal mit der Bühne in Berührung. "Das Mainzer Staatstheater suchte einen Jungen, der den "Kleinen Prinz" spielen konnte. Der sollte klein sein, etwas im Kopf haben und hochdeutsch sprechen. Wir sprachen immer hochdeutsch zu Hause", erinnert sich Kraske. Der damals 15-jährige war der Kleinste in seiner Schule. Alle anderen Jungen sprachen breiten Mainzer Dialekt. Kohtz half ihm weiter - und Kraske stand drei Spielzeiten unter der Regie von Hans-Dieter Hüsch auf der Bühne. Danach gründete er ein Schultheater und später eine Studentenbühne. In der Schule war er in Deutsch, Englisch und Kunst ein Überflieger. Und las von früh bis spät. Zum Schreiben kam er über die Schülerzeitung. Diese hatte er gegründet. "Ich konnte es nicht lassen, ich hab immer was gemacht." Schon als 16-jähriger redigierte er für die Mainzer Allgemeine Zeitung eine Jugendbeilage. Er studierte Literaturwissenschaft, Theaterwissenschaft und Philosophie. Erst in Mainz, dann in Hamburg, wo er seine Frau kennen lernte. Als Assistent an der Uni schrieb er weiter Zeitungsartikel für die Rhein-Main-Nahe Zeitungsgruppe oder für "Die Zeit", unter anderem über die Anfänge der "Beatles". Kraske sollte zur FAZ gehen, "Marcel Reich-Ranitzki nahm damals nur Karl-Ludwig-Schneider-Schüler", erinnert er sich. Doch dazu kam es nicht, denn er lernte Reinbeks Bürgermeister Günter Kock kennen. Ein Freund gastierte im Sachsenwaldforum. Kraske besuchte die Vorstellung. Hinterher lästerten beide in jugendlichem Übermut über die Provinz. Da mischte sich Günter Kock ins Gespräch und beauftragte ihn mit der Öffentlichkeitsarbeit für das Theater. Kurz vor Weihnachten 1983, es lag Schnee, sagte Kock: "Ich will Ihnen etwas zeigen." Er führte ihn zum damals noch nicht fertig restaurierten Reinbeker Schloss. In stockdunkler Winternacht kletterten die beiden auf den Dachbalken herum. "Können Sie sich vorstellen, daraus ein Kulturzentrum zu machen?", fragte Kock. Kraske konnte, und schrieb ein Exposé. Das ist bis heute die Grundlage des Reinbeker Kulturbetriebes. Der 37-jährige stach 160 andere Bewerber aus und wurde im Januar 1985 Kulturchef. Herbert von Karajan und die Berliner Philharmoniker spielten im Schlosspark. Helmut Kohl, Richard von Weizsäcker und Lech Walensa waren hier. Midori gab ihr erstes Deutschland-Konzert im Schloss. Jewgeni Kissin, Tabea Zimmermann, Kurt Moll, Dietrich Fischer-Dieskau, Will Quadflieg, Gert Westphal und Ulrich Tukur traten hier auf. Rund 1400 Veranstaltungen pro Jahr verantwortet Bernd M. Kraske heute im Schloss Reinbek, dem Museum Rade, dem Sachsenwaldforum und der BEGE Neuschönningstedt. Das 1996 gegründete Kulturzentrum besteht aus einem Team von acht Vollzeit-, drei Halbtags- und rund 30 Saisonkräften. "Das ist wenig für vier Häuser. Wir haben eine Sieben-Tage-Woche", sagt Kraske, der seit neun Jahren im Vorstand der Inthega, einer Interessengemeinschaft von 375 Städten mit Theatergastspielen, ist. "Wir kämpfen um Budgets, es war mal leichter, diesen Job zu machen."

Dass es ihm trotzdem gelingt, liegt seiner Ansicht nach an seinem größten Talent: "Ich habe einen Blick für das Machbare. Ich habe noch nie etwas geplant, was nichts geworden ist." Das Publikum gibt ihm Recht. Kraske: "Den Leuten macht es Spaß, hierher zu kommen."