Die Leidtragenden seien die Kinder, sagt der Leiter der Evangelischen Beratungsstelle, Christoph Haberer. Er hat ein Netzwerk gesponnen, um effektiver helfen zu können

Ahrensburg. Die Evangelische Beratungsstelle Stormarn setzt in immer stärkerem Maße auf den Austausch mit den Trägern anderer Hilfsangebote. "Vernetzung hilft uns, effektiv zu beraten. Wir können so Kompetenzen bündeln und die richtigen Maßnahmen treffen", sagt Christoph Haberer, Diplompsychologe und Leiter der Beratungsstelle in Ahrensburg.

Was genau mit dieser Vernetzung gemeint ist, illustriert Christoph Haberer anhand eines für die Beratungsstelle klassischen Fallbeispiels. Da ist eine Familie mit vielen Problemen - zu wenig Geld, zu viel Alkohol, Gewalt. Das Jugendamt veranlasst, dass die 13-jährige Tochter in eine Pflegefamilie kommt, damit sie in einem geregelten Umfeld aufwächst. Sie findet ein neues Zuhause bei Verwandten. Aber hier gibt es Streit, denn es gibt neue Regeln, an die sich das Mädchen halten soll. Das Jugendamt vermittelt das Mädchen und seine Verwandten an die Beratungsstelle. Der Berater findet im intensiven Gespräch heraus, dass die neuen Konflikte nicht nur darin begründet sind, dass es neue Regeln gibt, sondern dass das Mädchen in seinem Elternhaus einen stärkeren seelischen Schaden erlitten hat als zunächst angenommen. Der Berater schlägt vor, einen Jugendpsychiater zu Rate zu ziehen, mit dem die Beratungsstelle gute Erfahrungen gemacht hat. Das Mädchen willigt ein. Die Ergebnisse aus der Therapie und den Gesprächen beim Berater werden zusammengetragen.

"Durch diese Vernetzung wissen wir, was der jeweils andere macht, und können zusammenarbeiten. Nicht nebeneinander", sagt Haberer. "Wir haben gute Kontakte zum Jugendamt. Kennen die Schulsozialarbeiter und Psychologen." Es sei immer vertrauenswürdiger, sagen zu können, an wen genau sich jemand wenden solle, der Hilfe sucht. Und es sei gut zu wissen, welche Hilfsangebote es gebe, wenn man selbst mal nicht weiter wisse. "Unsere Standardfrage im Gespräch ist: Haben sie schon andere Hilfen aufgesucht? Und wenn ja, welche?", sagt Haberer. "Vielleicht gehören sie ja zu unserem Netzwerk."

Eine kleine Veränderung für die Beratungsstelle gab es im vergangenen Jahr auf der Verwaltungsebene. Seit Mai 2009 ist der vergrößerte Kirchenkreis Hamburg-Ost Träger der Einrichtung. Haberer: "Der Trägerwechsel ermöglicht uns einen breiteren Austausch mit den anderen Beratungsstellen im Kirchenkreis." Daraus ergeben sich weitere Vernetzungsmöglichkeiten.

Die neun Stormarner Berater in Ahrensburg, Bad Oldesloe und Bargteheide betreuten im vergangenen Jahr 1230 Fälle, davon waren allein 804 Neuanmeldungen. Die meisten Kinder und Jugendlichen, die 2009 von der Beratungsstelle betreut wurden, waren zwischen neun und 15 Jahre alt.

Besonders stark ist die Zahl der Neuanmeldungen in Bad Oldesloe gestiegen. Dies sei allerdings auf die wachsende Einwohnerzahl der Kreisstadt durch neue Baugebiete zurückzuführen, in denen vor allem Familien wohnen. "Und wo Familien mit Kindern leben, gibt es immer erhöhten Bedarf an Beratung", sagt Christoph Haberer. "Familiäre Konflikte sind einer der Hauptgründe für eine Beratung."

Der häufigste Anlass für diese Konflikte seien Trennung oder Scheidung der Eltern. "Auch wenn es prozentual nicht mehr Fälle geworden sind, kostet die Beratung doch immer mehr Kraft und personellen Aufwand", sagt der Diplom-Psychologe. Das liege zum einen daran, dass die Paare immer streitsüchtiger würden. Die Leidtragenden seien die Kinder. Zum anderen liege es an einer Gesetzesänderung aus dem Jahre 2006, die festlegt, dass Paare sich außergerichtlich über die Zukunft ihrer Kinder einigen sollen. Haberer: "Die kommen jetzt vermehrt in unsere Beratungsstellen."