Oldesloer Junus P. wegen versuchten Totschlags verurteilt. Er hatte nach einem Streit auf der Reeperbahn einen Kontrahenten lebensgefährlich verletzt

Bad Oldesloe/Hamburg. Das Landgericht in Hamburg hat den 24 Jahre alten Oldesloer Junus P. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Der gebürtige Tschetschene hatte am Sonnabend, 13. Februar, auf der Hamburger Reeperbahn den 31 Jahre alten Rifat G. niedergestochen. Der Türke erlitt lebensgefährliche Verletzungen an Leber und Gallenblase. In einer Notoperation retteten Ärzte das Leben des Mannes.

Der vorsitzende Richter begründete sein Urteil damit, dass P. sich nach einer ersten körperlichen Auseinandersetzung bewaffnet und erneut die Auseinandersetzung mit G. gesucht hatte.

Junus P. nahm das Urteil mit ernster Miene auf. Während der Begründung wirkte er gelangweilt. Streckte sich, wischte sich immer wieder blonde Strähnen seines schulterlangen Haares aus dem Gesicht, gähnte und blickte immer wieder auf seine silberfarbene Armbanduhr. Und seine geschockte Familie, die im Zuhörerraum saß, lächelte er immer wieder an.

Mit dem Urteil folgte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Verurteilung wegen versuchten Totschlags gefordert hatte. Der Anklagevertreter sah es als erwiesen an, dass P. nach einem Streit mit seinem späteren Opfer Rachegefühle verspürte, weil er unterlegen war. "Er hat den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen. Es war ihm gleichgültig, ob Rifat G. überlebt oder nicht", sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer.

Die Verteidigung sah das anders, sie hatte eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten wegen gefährlicher Körperverletzung gefordert. "Der Angeklagte wollte nicht töten", sagte der Anwalt von Junus P. Der Oldesloer hätte die Gefahr der Tötung nicht erkannt. "Es war ein Spontantat, er hat im Affekt zugestochen", sagte der Verteidiger. Als Begründung nannte der Jurist den Umstand, dass P. das Messer nicht mit voller Wucht in den Unterbauch seines Opfers gerammt hatte. "Die Stichverletzung war sechs Zentimeter tief. Das Messer hat eine Klingenlänge von zehn Zentimetern", sagte der Anwalt und fügte hinzu, dass das ein wichtiges Indiz sei.

In seinem Plädoyer, das rund eine Stunde in Anspruch nahm, wies der Verteidiger auch auf das traumatische Erlebnis seines Mandanten in seiner Heimat Tschetschenien hin. In den bürgerkriegsähnlichen Zuständen hätten Soldaten seiner Familie mit dem Tode gedroht. Zwei seiner Brüder seien in dieser Zeit verschwunden und nie wieder aufgetaucht. Auch Rifat G. soll im Streit "Ich bring deine Familie um" gesagt haben. "Wir haben nicht den Hauch einer Ahnung, was in solch einer Situation, in einem traumatisierten Mensch vorgeht", sagte der Verteidiger.

Der Staatsanwalt hielt dagegen. "Der Angeklagte und seine Familie haben in ihrer Heimat Schlimmes erlebt, das steht außer Frage", sagte er. "Doch das Verhalten entsprach nicht dem eines Kriegsgeschädigten, der Angst hat und flüchtet. Er suchte den Konflikt."

Rückblick: Es ist Freitag, 12. Februar. Junus P. feiert mit Freunden in einer russischen Diskothek in Hamburg-Wandsbek. Die schließt um fünf Uhr. P.s Freunde fahren nach Hause, doch der Oldesloer möchte noch weiterfeiern. Er setzt sich in ein Taxi und fährt nach St. Pauli. Er macht eine Kneipentour und landet am Vormittag in der Bar "Zum Goldenen Handschuh". Dort lernt er Rifat G. kennen. Es kommt zum Streit. Die beiden angetrunkenen Kontrahenten beleidigen und schlagen sich vor dem Lokal. Der Tschetschene geht zu Boden und flüchtet. "Für mich war die Sache dann gegessen", sagte Rifat G. in seiner Aussage.

Doch P. macht sich auf die Suche nach einer Waffe. In zwei Lokalen fragt er nach einem Messer, wie später Zeugen bestätigen. Doch die Wirte weigern sich, dem 24-Jährigen eines auszuhändigen. P. geht daraufhin in einen Waffenladen an der Reeperbahn. Seiner eigenen Aussage zufolge wollte er dort zunächst eine Gaspistole kaufen. Die bekommt er aber nicht, weil er keinen Ausweis vorlegen kann. P. entschließt sich deshalb für ein Klappmesser. Damit geht der Oldesloer zurück zur Kneipe "Zum goldenen Handschuh". Er winkt Rifat G. aus dem Laden und sticht zu. Anschließend flüchtet er mit einem Taxi. Sechs Tage später wird er in seiner Oldesloer Wohnung festgenommen.

Während der Verhandlung entschuldigte sich der Angeklagte bei dem Opfer. Zudem einigten sich die Vertreter des Angeklagten und Nebenklägers zu einer Zahlung von Schmerzensgeld in Höhe von 5000 Euro. Vor der Urteilsverkündung sagte er: "Es tut mir leid. Es war ein großer Fehler. Ich hoffe, dass so etwas nicht wieder passiert."