Im Interview erläutert CDU-Fraktionschef Christian von Boetticher, warum das Land einen so harten Sparkurs fährt

Hamburger Abendblatt:

Herr von Boetticher, das Kabinett hat den Haushalt für die kommenden beiden Jahre beschlossen und damit auch eine Reihe schmerzhafter Einschnitte für die Bürger im Land. Damit hat sich die Landesregierung keine Freunde gemacht. Mit welchen Argumenten wollen Sie die Menschen davon überzeugen, Sie in vier Jahren trotzdem wiederzuwählen?

Christian von Boetticher:

In der Vergangenheit wollte Politik am liebsten Freund aller sein. Das Ganze ging nur auf Pump. Wer damit Schluss macht, macht sich kurzfristig nicht viele Freunde. Ich glaube aber, dass die Menschen verstehen werden, dass sich ein Staat ohne neue Schulden, ja sogar mit weniger Altschulden, langfristig mehr leisten kann. Ich bin insofern überzeugt davon, dass auch wir langfristig davon profitieren, wenn wir einen harten, aber ehrlichen Kurs fahren.

Wann werden die Menschen sehen, dass das Sparen erste Früchte trägt?

Ich hoffe, die Menschen erkennen, dass wir Politik machen, bei der wir nicht nur ein Haushaltsjahr oder eine Wahlperiode im Auge haben. Uns geht es darum, dieses Land auf Vordermann zu bringen. Das dauert leider seine Zeit. Zehn Jahre, so ist der Auftrag aus der Verfassung. Das ist gradlinig. Ich glaube, dass die Menschen Gradlinigkeit schätzen.

Also in zehn Jahren.

Nein, natürlich schon vorher. Aber wir werden uns in diesen zehn Jahren keine großen Sprünge erlauben können. Wir werden mehr auf das Ehrenamt, mehr auf eine Bürgergesellschaft setzen müssen.

Meinen Sie, dass das Ziel, bis 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen, überhaupt einzuhalten ist?

Absolut. Ich glaube, dass der Haushaltsplan, den wir aufgestellt haben, realistisch ist. Wir haben die Zahlen der vergangenen 20 Jahre analysiert. Die zeigen aber auch, wie schnell sich der Schuldenstrudel zurzeit dreht. Ich sage immer: Wir nehmen heute die letzte Ausfahrt vor Griechenland.

Die Schließung des Medizinstudiengangs in Lübeck ist abgewendet, es gibt Geld aus Berlin. War das von vornherein so beabsichtigt?

Wir haben deutlich gemacht, dass wir als ärmstes Land nicht einen übermäßigen Anteil an der Medizinerausbildung tragen können. Dann ist der Protest aus Lübeck dazugekommen. Wenn wir unseren Beschluss nicht gefasst hätten und wenn es aus Lübeck keinen Protest gegeben hätte, hätten wir diese Lösung nicht finden können.

Also war es so beabsichtigt.

Das wäre zu einfach, denn genau diese Lösung hatte natürlich niemand im Kopf. Die Lösung ist nicht kurzfristig zustande gekommen, sondern das Ergebnis monatelanger Verhandlungen.

Das Modell, einen Etat auf Kosten eines anderen zu entlasten, erfüllt vor allem die Kreise und Kommunen stets mit Sorge. Müssen sie sich Sorgen machen?

Ein Eingriff in den kommunalen Finanzausgleich ist von uns nicht geplant.

Ist das Thema Verwaltungsstrukturreform endgültig vom Tisch?

Dass es keine Veränderungen geben wird, kann man nicht sagen. Aber es gibt auf jeden Fall nicht wieder diesen Versuch einer Reform von oben. Nichtsdestoweniger lässt sich durch Zusammenarbeit einzelner Verwaltungen, beispielsweise im IT-Bereich, einiges sparen. Wir können viel durch Vernetzung zentralisieren, ohne den Ansprechpartner vor Ort wegzunehmen. Im Übrigen sind solche Einsparungen kommunales Geld und keines, an dem sich das Land gesundstoßen wollte.

Auch die auf Co-Finanzierung angelegten Förderprogramme sind ein Thema in den Kommunen. Wie geht es damit weiter?

Wir überprüfen diese Programme zum ersten Mal auf Sinnhaftigkeit. Deshalb gibt es keine Garantie mehr, dass wir auch wirklich alle uns zur Verfügung gestellten Mittel aus Berlin und Brüssel abrufen. Wenn eine Investition gar nichts bringt, ist auch der eine eingesetzte Landes-Euro zu schade.

Was ist mit dem Stadtumbau West in Bad Oldesloe?

Zu einzelnen Programmen kann ich nichts sagen, weil das der Überprüfung durch die Ministerien obliegt.

Inwieweit wird das Land künftig noch in Straßenbau investieren?

Die großen Infrastrukturprojekte sind der langfristige Lebensnerv dieses Landes. Ohne einen Weiterbau der A 20, ohne eine Fehmarnbelt-Querung haben wir nicht die Wachstumschancen, die wir brauchen, um auch Wirtschaftskraft zu generieren. Bei allen anderen Projekten werden wir darauf achten müssen, ob sie zu Wirtschaftswachstum führen. Das heißt: Eine einfache Umgehungsstraße ist nicht mehr drin.

Wann bekommt Ahrensburg die S-Bahn?

Unser Problem ist, dass auch der Bund beginnt, bis 2020 keine neuen Schulden mehr zu machen. Aber wir hoffen natürlich, dass Ahrensburg in die Priorität kommt.

Wie passt die Streichung des kostenlosen dritten Kindergartenjahres zusammen mit dem Ziel, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern?

Wir tun ja etwas für die Kinderbetreuung. Es ist ja nicht so, dass wir nur wegnehmen. Wir bekommen zum Beispiel mehr Plätze für die Betreuung der unter Dreijährigen. Das ist mit dem Bund so vereinbart, das muss das Land aber auch mitbezahlen. Wir werden sogar mehr Geld für die Kinderbetreuung ausgeben als bisher. Wir haben auch das Budget für die Standards in den Kitas angehoben. Wir steuern um: hin zur direkten Finanzierung von Qualität, weg von Geschenken mit der Gießkanne an alle Eltern.

Der Landtag muss den Haushaltsentwurf noch beschließen. Steht...

...die Mehrheit der Koalition? Diese Frage ist immer wieder gestellt worden, erstmalig schon vor der Wahl des Ministerpräsidenten. Ja, die Mehrheit steht.

Nun wirken CDU und FDP in Kiel zumindest in der Öffentlichkeit geschlossener als auf Bundesebene. Wie beurteilen Sie die Koalition in Berlin?

Die Koalition läuft in der Arbeit wesentlich besser, als ihr Ruf ist. Man muss aufhören, die Koalition nur an der verbalen Lautstärke einzelner Protagonisten zu messen. Genau dieses Auftreten einzelner Weniger ist es, das in der Öffentlichkeit den Eindruck erweckt, es herrsche nur Chaos.

Leiden Sie in Kiel darunter?

Es leiden alle mit, natürlich.

Herr von Boetticher, vielen Dank für das Gespräch.