Bank-Geheimnisse: Wir stellen Menschen auf ihrer Lieblingsbank vor. Heute ist es Eckart Kuhlwein aus Ammersbek

Ammersbek. Eckart Kuhlwein ist bekannt im Kreis. 22 Jahre lang vertrat der Ammersbeker als SPD-Abgeordneter den Wahlkreis Stormarn-Süd/Lauenburg im Bundestag. Sein Platz war auf der Bank im Bonner Wasserwerk. Heute steuert der 72-Jährige immer wieder gern die kleine Bank am Bünningstedter Dorfteich an, wenn er mit dem Fahrrad nach Ahrensburg fährt. "Da drüben habe ich 1978 meiner Frau das Ja-Wort gegeben", sagt Kuhlwein mit seiner tiefen, sonoren Stimme und zeigt auf die mittlerweile zu einem Wohnhaus umgebaute alte Gemeindeverwaltung auf der anderen Straßenseite.

Im Jahr der Hochzeit war Kuhlwein schon zwei Jahre Bundestagsabgeordneter. Er selbst fasst seine politische Laufbahn folgendermaßen zusammen: "Ich habe links unten angefangen, bin rechts oben aber nie angekommen."

Ob er das überhaupt wollte, sei mal dahingestellt. Denn Genosse Kuhlwein gehörte stets zur linken Fraktion innerhalb der SPD.

Seine politische Karriere begann 1965 mit dem Eintritt bei den Jusos. Nach Stationen in der Großhansdorfer Gemeindevertretung war er von 1969 bis 1971 Landesvorsitzender der Jusos und wurde 1971 Abgeordneter im Landtag. "Die Partei veränderte sich gerade, junge Leute waren gefragt", erklärt sich der passionierte Radfahrer den politischen Aufstieg heute. 1976 dann die Wahl zum Bundestagsabgeordneten.

Doch auch der Genosse aus dem Norden hat es nicht geschafft, seiner politischen Linie immer treu zu bleiben. Kuhlwein erinnert sich an eine Abstimmung zur Nachrüstung zu Beginn der Achtzigerjahre, bei der er sich dem innerparteilichen Druck beugen musste. Er, der Pazifist, der die Bombardierung Dresdens als Junge überlebte und seinen Vater in Stalingrad verlor. Bundeskanzler Helmut Schmidt bat Kuhlwein damals extra noch zum Gespräch ins Kanzleramt. "Wenn du schon nicht dafür bist, stimme wenigstens nicht dagegen", habe der Kanzler damals zu ihm gesagt. "Ja, so war Schmidt. Aber für die Entscheidung zur Nachrüstung hat mich die Basis in Stormarn damals natürlich verkloppt."

Der gebürtige Schleswiger nahm bei weitem nicht alle Entscheidungen der eigenen Partei hin. Kuhlwein mobilisierte innerparteiliche Oppositionen. 1993, vor der Abstimmung zum neuen Asylrecht, das er als "faulen Kompromiss und entsetzlichen Gesetzestext" beschreibt, und 1998, beim "Großen Lauschangriff", der es dem Staat erlaubte, Bürger auch in den eigenen vier Wänden abzuhören. Und natürlich 1992, als die Magnetschwebebahn Transrapid in seinem eigenen Wahlkreis gebaut werden sollte. Kuhlwein: "Damals schrieb ich pausenlos Anträge gegen den Bau."

Ob er mit seinem umweltpolitischen Einsatz nicht auch ganz gut zu den Grünen passen würde? Kuhlwein winkt ab. "Ich bin doch zu sehr Sozialdemokrat." Die erste Koalition der Landes-SPD mit den Grünen war alles andere als eine "Liebeshochzeit". Das schreibt er auch in seinem jetzt erschienenen Buch mit dem Titel "Links, dickschädelig und frei", in dem er auf die vergangenen Jahrzehnte sozialdemokratischer Landespolitik zurückblickt - und zugleich eine treffende Selbstbeschreibung liefert.

Es gibt aber noch eine andere Seite des Genossen Kuhlwein. Die Schauspielerei. Dieses Talent nutzte er bei den "Wasserwerkern", einer legendären Theatergruppe mit Bundestagsabgeordneten aus allen Parteien. "Rita Süßmuth wollte damals, dass die Abgeordneten irgendetwas mit Kultur machen. Da kam ja nur Kabarett in Frage." Ein Lächeln zeigt sich in seinem Gesicht, als er an die umjubelten Aufführungen in Bonn und im Berliner Tränenpalast zurückdenkt. Kuhlwein hielt die "große kabarettistische Koalition" über Jahre hinweg zusammen und rekrutierte Mitspieler. "Nur in Unionskreisen war es immer etwas schwieriger, Mitstreiter zu finden." Dem Sozialdemokraten ging es aber auch immer darum, "nicht zu viel Frieden mit dem Kapital zu machen". Arbeit ja, aber dafür den Sozialstaat aufgeben? Und zu Lasten der Natur? Das geht nicht. Dafür müssten Politiker, so findet Kuhlwein, auch immer wieder Utopien für eine bessere Welt entwerfen und sich dafür einsetzen.

Noch heute ist er im Bundesvorstand der Naturfreunde, einer 78 000 Mitglieder zählenden Organisation, die aus der Arbeiterbewegung entstand und bundesweit günstige Unterkünfte verwaltet. Außerdem ist Kuhlwein beratendes Mitglied im Bundesparteirat. "Da kann ich noch mal meine Klappe aufmachen." Das hat er immer gern gemacht. Mit Peer Steinbrück habe er sich angelegt und mit Angela Merkel "die Schwerter gekreuzt", als sie noch Umweltministerin war.

Vor kurzem hat er im Naturschutzgebiet Duvenstedter Brook mit Bekannten einen verwahrlosten Weg wieder freigeschnitten. Der Genosse muss sich einfach weiterhin einmischen. Immer an seiner Seite ist seine Frau Sigrid, die als Politikerin im Kreistag sitzt.

Er selbst ist noch bei den meisten Sitzungen der Kreis-SPD dabei. Große Stücke hält er auf Juso-Vorsitzenden Tobias von Pein. Der Landtagsabgeordnete Martin Habersaat aus Barsbüttel mache eine hervorragende Arbeit. Dem Ahrensburger SPD-Vorsitzenden Jochen Proske bescheinigt er Schlagfertigkeit und gute Organisation. Und mit seinem Nachfolger, dem heutigen Bundestagsabgeordneten Franz Thönnes, der nur 500 Meter von ihm entfernt wohnt, trifft er sich häufiger zum politischen Diskurs.

Den Mut, mit Politik etwas zu verändern, hat der Ammersbeker nie verloren. Trotzdem zitiert Eckart Kuhlwein seinen inzwischen verstorbenen Parteikollegen Joachim Steffen: "Die Probleme wachsen schneller als die politischen Möglichkeiten." Und das wird wohl auch in Zukunft so bleiben.