Trittau. Mit dem Abitur in der Tasche darf man ruhig mal abhängen. Die Hängematte im elterlichen Garten eignet sich da bestens. So gibt sich Manuel Treimer einen kleinen Schubs und schaukelt durch die Sommerluft - stressfrei, aber in Bewegung. Das hat Symbolcharakter, denn das Rumhängen hält der 20-Jährige nicht lange aus. Er muss raus. Raus aus dem Garten, raus aus dem Elternhaus, raus aus Trittau, raus aus Deutschland. "Alles andere wäre für mich Stillstand. Ich bin ehrgeizig", sagt der junge Mann. Am 1. August düst er ab nach England.

Viele seiner Freunde bleiben in Stormarner Landen und machen hier ihren Zivildienst. "Das reizt mich nicht. Ich will Erfahrungen machen, andere Leute kennenlernen. Ich möchte gefordert werden", sagt der 20-Jährige, der daher in Watford, nordwestlich von London, ein Jahr lang mit behinderten Menschen zusammenleben wird. 13 bis 30 Jahre alt sind seine zukünftigen Schützlinge, denen er im Alltag helfen wird - Tag und Nacht. Manuel Treimer folgt damit den Spuren seines Cousins. Der war mit dem anthroposophischen Verein "Freunde der Erziehungskunst Rudolf Steiners" für einen Freiwilligendienst ins Ausland gegangen. Das war es. Das wollte der Trittauer auch.

Den Cousin zog es nach Südafrika. So weit muss es für 20-Jährigen und seinen Hunger nach neuen Erfahrungen dann doch nicht sein. Da er England "total spannend" findet und weil er hier auch noch gefördert wird und zweimal in der Woche Englischunterricht bekommt, geht es also über den Kanal. "Falls sich berufliche Kontakte ergeben sollten, könnte ich auch besser anknüpfen. In Afrika oder Australien wäre das schwieriger", sagt der zielstrebige Abiturient mit Blick auf die Zeit danach.

Manuel Treimer nimmt für sein soziales Engagement und den Wunsch, das Jahr bis zum Studium für sein persönliches Fortkommen zu nutzen, einiges in Kauf. Der Zivildienst würde ein halbes Jahr dauern. Der Freiwilligendienst dauert doppelt so lange und kostet dazu noch richtig Geld. "2800 Euro muss ich für Verpflegung und Unterkunft aufbringen. Der Flug kommt noch dazu", sagt der Trittauer, der schon deswegen nur zwischendurch mal in die Hängematte kann. Er muss jetzt Spenden sammeln. 1200 Euro hat der Abiturient bereits zusammen. Sein Erspartes ist mit drin und ein Beitrag der Eltern.

Auch seine Schauspielkunst hat was eingebracht. "Ich war in der Theater-AG des Trittauer Gymnasiums", sagt Manuel Treimer. Nach der Aufführung des Stücks "Cyrano" hängte sich der Schüler Plakate um und wandelte als "Sandwich" durchs Foyer und warb für sein Projekt um finanzielle Unterstützung. "Viele haben tatsächlich etwas auf mein Konto überwiesen", sagt der 20-Jährige, der nun bei seinen Freunden auf den Zahn fühlen wird.

A propos Zahn: Das wär's gewesen: ein Reklame-Spot für Zahnpasta. Das Angebot für den smarten Trittauer war da. Aber er leider nicht: Manuel Treimer war auf Abi-Fahrt in Bulgarien. Pech! Denn mit solchen Aufträgen lässt sich gut verdienen, wie er mittlerweile weiß. Seit einem Monat ist Manuel Treimer in einer Modell-Agentur. "Eigentlich sind es drei Agenturen. Die haben mich alle genommen", sagt er und strahlt wie zum Beweis aus seinen braunen Augen und setzt sein gewinnendes Lächeln auf. Das wäre für Zahnpastareklame perfekt gewesen.

Beiersdorf und das Deutsche Rote Kreuz haben ihn bereits engagiert. Eine lukrative Angelegenheit: Fünf Minuten Shooting bei Beiersdorf brachten 200 Euro. Beim DRK dauerte es länger. Dafür gab es 500 Euro. Die Anregung für diesen Nebenjob hatte ihm seine Ex-Freundin gegeben. "Die modelt schon lange und läuft auch bei der Fashion-Week in Berlin. Demnächst ist sie in Paris. Das ist eine ganz andere Liga", erkennt Manuel Treimer neidlos an. Er versucht es nun auch. Ein weiterer Auftrag bahnt sich an.

Als Broterwerb schwebt ihm das Modeln allerdings nicht vor. Sein Ziel: ein BWL-Studium in einer dualen Ausbildung. "Ich habe schon Kontakt zu einer Hamburger Reederei. Mein Schwerpunkt wäre 'Administration Management' oder 'Ships and Shipping'", sagt der Trittauer. Das klingt schon gut. Wenn er jetzt noch mehr Spenden bekäme, könnte es mit dem Englischen bald noch besser klappen. Also macht sich Manuel Treimer auf die Socken, um weitere private Unterstützer zu finden. Darauf, dass er für Zahnpasta lächelt, will er sich lieber nicht verlassen.

Auch Janna Lena Harloff will nach dem Abitur etwas von der Welt sehen und sich zugleich sozial engagieren. "Ich gehe ab September für zehn Monate nach Mexiko. Ich möchte gern Kindern und Jugendlichen aus armen Verhältnissen helfen", sagt die Ahrensburgerin, die in Guadalajara in einer sozialen Einrichtung arbeiten wird. "Ich werde Englisch- und Sportunterricht geben", sagt die 19-Jährige, die wie Manuel Treimer für ihr Projekt auch selbst auf Unterstützung angewiesen ist.

Über Spenden würde sich auch der Oldesloer Malte Lücken freuen: "Ich gehe am 12. August für ein Jahr auf die Philippinen." Für seinen Zivildienst konnte es ihm nicht exotisch genug sein. "Ich möchte eine ganz andere Kultur kennenlernen.", sagt der 19-Jährige. Er fährt mit der Organisation ICJA. Malte Lücken: "Die Idee, die dahintersteckt, lautet: Friede durch Austausch."