Der EM-Spielführer von Matthias Popien

Von hier oben sieht das alles so einfach aus, mag der liebe Gott gedacht haben, als er im Viertelfinale die eleganten Ballstafetten der Spanier sah. Die Fußballreporter denken es nicht nur, sie sagen es auch. Sie sagen es im Ton der Verzückung: "Von hier oben sieht das alles so einfach, so leicht aus."

Von unten sieht das alles manchmal doch eher mühselig und kompliziert aus. Das mag daran liegen, dass wir, die wir weder Gott noch Reporter sind, die Sache besser im Blick haben. Wir haben die Sofa- und nicht die Vogelperspektive. Im Fernsehapparat sehen wir den Schweiß, der den Männern vom Schädel tropft, wir sehen den Schmutz auf den Trikots, wir hören das Stöhnen der gefoulten Spieler, die Tritte gegen den geschundenen Ball. Wir sehen, dass Angriff um Angriff fehlschlägt, dass immer wieder alle nach hinten rennen müssen, um zu verteidigen, und gleich darauf denselben Weg erneut nach vorne laufen, um dort festzustellen, dass der Torschuss auf peinliche Weise misslingt.

Vorm Fernseher beschleicht uns der Gedanke, dass dies alles vollkommen vergeblich ist, dass es nie klappen wird, und dass jetzt eigentlich auch sofort abgepfiffen werden könnte, um der Mühsal ein Ende zu machen.

Dann kommt das Elfmeterschießen. Mit roher Gewalt wird versucht, den Ball in den Winkel zu hämmern. Von Leichtigkeit keine Spur. Und dann ist es wirklich zu Ende. Die Spieler verschwinden in den "Katakomben", wie die Fußballreporter sagen. Katakomben sind eigentlich unterirdische Begräbnisstätten. Und kein Mensch weiß, ob es von dort, von ganz tief unten, vielleicht doch wieder so leicht aussieht wie von ganz weit oben.

Praxistipp: Ihr Mann liegt unter der Spüle und repariert den tropfenden Abfluss. Sagen Sie: "Von hier oben sieht das alles so leicht aus."

An jedem EM-Spieltag erklären wir Ihnen die eigenwilligen Regeln der Fußballsprache und sagen, wie Sie das Erlernte anwenden können