Eine Woche lang lernen 230 Jungen und Mädchen in Hamberge, wie sie die fiktive Stadt Stormini selbst verwalten - mit allen Rechten und Pflichten.

Hamberge. Trockenen Fußes kommt kaum einer der 230 kleinen Bewohner in die Kinderstadt Stormini auf das 25 000 Quadratmeter große Gelände in Hamberge. Ausstaffiert mit Rucksäcken, Rollkoffern, großen Plastikkisten, Gummistiefeln, Regenmänteln und Regenschirmen rücken sie im strömenden Regen mit ihren Eltern im Schlepptau an, um sich nach der Anmeldeprozedur in der Turnhalle der Grundschule Hamberge auch gleich wieder von den Erwachsenen zu verabschieden. Denn erwachsen, das wollen sie jetzt selbst sein. Eine Woche lang, in ihrer eigenen kleinen Stadt. Gestern öffnete die Kinderstadt Stormini ihre Stadttor. Sieben Tage lang leben da nun kleine Stormarner im Alter von neun bis 13 Jahren, um ihren eigenen kleinen Wirtschaftskreislauf zu kreieren, zu lernen was Demokratie ist und wie mit dem selbst verdienten Geld, den "Stormis", richtig gehaushaltet wird.

In der Turnhalle herrscht dichtes Gedränge. Flughafenatmosphäre. Vor zahlreichen Schreibtischen mit Namen wie "Tom" und "Jerry", "Micky-Maus" und "Mini-Maus" bilden sich lange Schlangen aus Kindern und Gepäckstücken. Die Betreuerinnen Janne Lentz und Marie Plambeck, Storminis Ex-Bürgermeisterin aus dem vergangenen Jahr, begrüßen die Kinder am Eingang, setzen ihnen weinrote Basecaps mit dem "Stormini"-Schriftzug auf den Kopf und weisen ihnen den Weg in die Schlangen. So leicht ist Einbürgerung. Namen werden in Listen eingetragen, Buttons mit dem Gruppenemblem an Kinderpullis gesteckt, Eltern umarmt. Denn Ankunft in Stormini heißt auch Abschied von den Eltern.

Auch Dorothee und Astrid Wenzel aus Ahrensburg liegen sich in den Armen. "Das ist das erste Mal, dass beide Kinder eine ganze Woche lang nicht zu Hause sind", sagt Astrid Wenzel, deren ältere Tochter als Betreuerin in Stormini aushilft. Eine Woche lang könne sie nun Dinge tun, die sie lange aufgeschoben hat. "Gartenarbeit, Haushalt", sagt sie, denkt nach und schaut Ehemann Peter fragend an. "Da findet sich schon was", sagt sie und drückt Dorothee noch einen Kuss auf die Stirn. Sie musste zwei Jahre lang darauf warten, bei Stormini dabei zu sein. "Jetzt hat es endlich geklappt. Eine Woche zelten, viele Berufe kennenlernen, Spaß haben und ein bisschen Erwachsene spielen", sagt sie lachend und zieht mit ihrem Koffer von dannen. "Tränen fließen hier nur selten", weiß Uwe Sommer, Geschäftsführer des Kreisjugendrings, der die Kinderstadt bereits zum fünften Mal in Stormarn veranstaltet. "Klar, Heimweh kommt irgendwann immer mal auf. Aber dafür haben wir hier in Stormini auch Sanitäter. Und meistens ist die Ablenkung und der Spaß auch so groß, dass die Sehnsucht zu den Eltern auch schnell wieder vergessen wird."

An ihre Eltern denken Nele und Emilia aus Stubbendorf und ihre Freundin Finja aus Großensee in diesem Moment nicht. Sie bahnen sich mit ihrer Zeltbetreuerin, der 17-jährigen Anna Mehlert, und ihren Schlafsäcken unterm Arm den Weg durch die 23 Zelte, um ihre Schlafstätte für die nächsten Tage einzurichten. Nur wenige andere Kinder begegnen ihnen.

Der peitschende Regen treibt alle in die weißen, bodenlosen Behausungen aus Plastikplanen. Kaum jemand, der sich auf dem seit Tagen liebevoll auf die Arbeitswoche vorbereiteten Gelände zwischen Schlafdorf, Freizeitland, der großen Bühne, der Feldküche oder dem als Computerzentrale umgebauten amerikanischen Schulbus länger aufhält. Große Pfützen haben sich auf den Wegen gebildet, doch nur wenige maulen oder fluchen. "Wir kennen das ja schon. Der Regen ist noch gar nichts", versucht auch Sommer den Stormini-Start positiv zu sehen. "Vor fünf Jahren hatten wir so einen massiven Wassereinbruch, dass wir uns zwischen den Zelten nur noch auf Europaletten bewegen konnten - so weit sind wir noch lange nicht. Und gutes Wetter kommt bestimmt noch."

Darauf hoffen auch Nele, Emilia und Finja, die sich heute morgen um 8.30 Uhr mit mehr als 200 weiteren Kindern beim Arbeitsamt der Stormini-Stadt melden werden, um einen der begehrten Jobs zu ergattern, ihre "Stormis" zu verdienen und sie am späten Nachmittag wieder auszugeben.

In der Stormini-Kinderstadt helfen rund 200 Betreuer. Viele von ihnen stellen dabei den Kindern Berufe vor. Auch ein eigenes Stadtparlament und einen eigenen Bürgermeister wählen die kleinen Bürger noch in dieser Woche.