Mini-Wollpullover von Angelika Regenstein retten Tieren in Australien bei Ölkatastrophen das Leben. Die 64-Jährige sucht noch Mitstreiter.

Glinde. Im Schaufenster ihres Reisebüros steht ein Pinguin aus Plüsch, eingepackt in einen dicken roten Strickpullover. Karl-Heinz, so heißt der Pinguin, hat Modell gesessen für Angelika Regenstein. Der Glinderin gehört das Reisebüro an der Horner Landstraße in Hamburg-Horn. Dass Karl-Heinz bei frühlingshaften Temperaturen in der Auslage eines Geschäftes mitten in Hamburg schwitzen muss, hat einen Grund. "Ich stricke Pullover für Zwergpinguine auf der australischen Insel Phillip Island", sagt Angelika Regenstein, "und dafür suche ich auch noch Mitstreiter."

Die Pullover stellt die 64-Jährige nicht etwa aus einer modischen Laune heraus her oder weil sie besonders gerne strickt. Auf Initiative des Tourismusanbieters Visit Melbourne und des Phillip Island Nature Parks sind Menschen aus aller Welt dazu aufgerufen, Minipullis für Pinguine zu stricken. Die Pullover sollen die Tiere, die in Australien, Tasmanien und Neuseeland leben, bei Ölkatastrophen vor dem sicheren Tod schützen.

"Kommen die Pinguine im Meer mit Öl in Kontakt, verklebt dadurch ihr Gefieder, und sie sind nicht mehr vor Kälte geschützt", erläutert Angelika Regenstein die Aktion. "Aber vor allem vergiften die Tiere sich, wenn sie versuchen, das Öl mit dem Schnabel zu entfernen." Die Strickaktion mit dem Namen "2 Rechts - 2 Links" soll die Pinguine im Ernstfall überleben lassen.

Jeden Abend laufen die Zwergpinguine in einer Parade vom Meer zu ihren Höhlen auf dem Festland. Unterwegs werden sie bei Ölgefahr von Tierschützern abgefangen, die ihnen Pullover über das wenn nötig zuvor gesäuberte Gefieder stülpen. Gibt es Entwarnung, werden die Pullis auf demselben Wege wieder ausgezogen und ölverschmiert weggeworfen.

Im Jahr 2001 bedrohte eine Ölpest die auf der 120 Kilometer südlich von Melbourne gelegenen Insel Phillip Island lebende Pinguinkolonie. Laut der Initiative des Nature Parks konnten damals dank der Minipullover rund 400 Tiere gerettet werden. Die mehr als 1000 Pullover, die derzeit auf der Insel lagern, werden bei Bedarf auch an andere Länder weitergegeben, so wie im vergangenen Jahr bei einer Frachter-Havarie nach Neuseeland.

+++ Unterstützer bekommen Strickanleitung +++

Angelika Regenstein erfuhr über das Magazin Travel Talk von der Aktion. "Per E-Mail hat Travel Talk die Geschichte samt Strickanleitung verschickt. Ich habe mir noch am selben Abend Stricknadeln gekauft und losgelegt", sagt die Glinderin. Erst hätten die Kaufhausmitarbeiter "blöd geguckt", als sie erzählte, wozu sie das Strickzeug brauche. "Aber dann waren sie genau wie ich begeistert von der Idee." Das Ergebnis steht Karl-Heinz, es gibt nur ein Problem: Er ist doppelt so groß wie die australischen Zwergpinguine.

Karl-Heinz ist übrigens benannt nach Angelika Regensteins "Verlobtem", einem Humboldtpinguin, der im Vogelpark Walsrode zu Hause ist. Bei einem Besuch kuschelte die Glinderin mit dem Pinguin - und verliebte sich in den 40 Zentimeter großen Frackträger. In den Vogelpark eingeladen hatte sie ihr echter Mann Peter - der musste nach mehr als einer Stunde im Pinguingehege auch zum Aufbruch mahnen. Ihre Liebe zu Pinguinen im Allgemeinen entdeckte die 64-Jährige aber schon früher, nämlich bei einer Kreuzfahrt in die Antarktis im Jahr 2004.

Für die Verzierung ihres ersten Pinguin-Strickpullis zog Angelika Regenstein zunächst ein HSV-Emblem in Erwägung, als Erkennungszeichen. Aber was, wenn der Pinguin mit dem HSV-Pulli in Australien auf einen mit St.-Pauli-Stickerei träfe? "Das würde dann sicher Streit geben", sagt Angelika Regenstein lachend. Sowieso gelte: "Für die Pullis, die verschickt werden, sollte man auch eher eine Tarnfarbe als Rot wie bei Karl-Heinz wählen."

Die Glinderin hat die Strickanleitung gleich an die Kunden ihres Reisebüros weiterverschickt. Doch die Resonanz ist ihr noch zu gering. "Bisher hat sich nur eine Kundin auf meinen Aufruf gemeldet", berichtet sie. Deshalb hofft sie nun auf weitere "Strick-Hände". Jeder sollte sich versuchen, sagt die gelernte Kinderkleidernäherin. Denn: "Auch die Pullis, die nicht passen oder überzählig sind, dienen einem guten Zweck." In Souvenirshops werden sie verkauft, der Erlös kommt Artenschutzprojekten zugute. Alternativ könnte ein Plüschpinguin im Schaufenster eines Reisebüros das gute Stück zur Schau tragen.