Anne Domke aus Ammersbek wünschte sich schon lange einen Führerschein. Jetzt hat sie die Schule besucht - und die vierte Prüfung bestanden.

Ammersbek. Wer zögert, kann nichts werden, das ist eine Weisheit von Anne Domke. Am Zögern habe es auch wirklich nicht gelegen, dass sie nie den Führerschein gemacht hat. Eher daran, dass kein Geld da war. Erst lernte der Mann fahren, dann der Sohn, dann kaufte die Familie eine Wohnung in Ammersbek. Und dann war Anne Domke plötzlich 60 Jahre alt und bekam ihre Lebensversicherung ausgezahlt.

Da hatte sie ihre Arbeit als Filialleiterin eines Dessous-Geschäftes in Hamburg schon vier Jahre zuvor aufgegeben. "Die ersten ein, zwei waren toll, ich musste nicht mehr früh aufstehen", sagt sie. Aber dann kam die Langeweile. "Ich wollte mich ehrenamtlich engagieren, aber nur ein Mal pro Woche, in einem Kindergarten oder einer Schulküche vielleicht." Aber die hätten sie direkt voll beschäftigen wollen. "Ich bin nicht so eine Lahmarschperson, deshalb", sagt Domke. Auch wenn sie nicht Vollzeit engagiert sein wollte: Wenn man nichts tut, verblödet man, das ist noch so eine Weisheit. Deshalb habe sie gemalt, "aber das kann ich nicht, nicht mal etwas Einfaches", und gestrickt. Irgendwann erinnerte eine Freundin sie daran, dass sie doch schon immer den Führerschein machen wollte. Und dann ging es schnell, am selben Tag meldete sie sich bei einer Fahrschule an. "Ich bin eben entschlussfreudig", sagt sie. Das sagt sie oft: "Ich bin so". Entschlussfreudig, konsequent, nicht lahmarschig. Und eine "kerngesunde Frau".

Trotzdem: "Nach meiner ersten Fahrstunde hatte ich vier Tage Herzschmerzen", sagt sie. Dann sei sie zu einem anderen Fahrlehrer, da habe sie bei der ersten Fahrt nur lenken und blinken müssen, das war besser fürs Herz. Denn eigentlich hatte Anne Domke Angst vorm Autofahren, zumindest als Beifahrerin. "Aber als ich 18 war, hatten mein damaliger Freund und ich einen Unfall", sagt sie. Seitdem bekommt sie nasse Hände. "Und die Angst wird schlimmer im Alter."

+++ Chip auf dem Führerschein +++

Nun, etwa sieben Monate später, ist Anne Domke 61 und fährt gern. "Das ist ein tolles Feeling", sagt sie. "Am Anfang habe ich immer laut geschrien: Huuuh, geht das schnell! Aber inzwischen bin ich ganz ruhig." Die erste Prüfung hat sie trotzdem nicht bestanden. "Die blöde Kupplung", sagt sie. "Ich fahre los und es macht blupp. Das ist in den ersten drei Monaten nicht passiert." In der Fahrprüfung dann vier Mal. Blupp, blupp, blupp blupp an einer Kreuzung und dann aus Versehen über Rot, weil der Wagen bei jedem Blupp ein Stück nach vorn gehoppelt ist. Vielleicht habe es aber auch an ihrer Kleidung gelegen, sagt sie. An dem Tag hat sie ihr graues Totenkopf-T-Shirt getragen. "Vielleicht war das zu negativ." Beim nächsten Mal plante sie etwas knallrotes anzuziehen, und übte mit ihrem Mann in der Garage kuppeln. So richtig zum Kuppeln gekommen ist es während der zweiten Fahrprüfung nicht, nach drei Minuten musste der Fahrlehrer beim Links-Abbiegen bremsen, damit war die Prüfung vorbei. Bei der dritten Prüfung war sie so nervös, dass der Fahrlehrer ihr für die vierte Prüfung ein homöopathisches Mittel empfahl.

Dass sie in der Fahrschule die Älteste war, störte Anne Domke nicht. Auch nicht, dass in den Theoriestunden mit ihr fast nur Jugendliche gesessen haben. "Die jungen Leute sind ganz locker, ich mache ja auch immer Sprüche, ich bin so", sagt sie. Immer Ideen. Als sie nach Ammersbek zog, hat sie versucht, einen Bügelservice aufzubauen. An zwei Tagen hat sie 1500 Zettel in die Briefkästen in ihrer Umgebung geworfen, um Reklame für sich zu machen. "Aber da hat sich keiner gemeldet", sagt sie. Früher in Hamburg-Eimsbüttel habe sie zehn Kunden gehabt, um deren Wäsche sie sich kümmern konnte. Ohne den Bügelservice sehen ihre Tage nun so aus: "Morgens spiele ich immer mit der Katze, mache den Haushalt und koche Mittagessen, dann fahre ich ins Einkaufszentrum oder gucke fern. Am liebsten Serien wie das Dschungelcamp oder Deutschland sucht den Superstar."

Dass sie ihr Zuhause sehr mag, sieht man. Die Wandfarbe passt zum Teppich, zu den Vorhängen, zu den Bildern, zu den Kissen, zu den Pflanzen, zu den Kerzen: alles irgendwie grün und beige. Sogar das Spielzeug der Katze Kikki fügt sich ins Farbschema. Auch, dass Anne Domke keinen Hund haben möchte, passt: "Die bringen Dreck rein".

Neben der Hausarbeit scheint sie recht zufrieden mit ihrem Projekt Führerschein. Auch und vor allem mit dessen Ausgang: Bei der vierten Prüfung klappte alles. "Ich war richtig gut drauf. Vor der Fahrschule habe ich einen Cent gefunden und ihn in die Hosentasche gesteckt", sagt Domke. Ein Glücksbringer, der habe geholfen. Nun möchte sie sich bald ein eigenes Auto kaufen. Irgendein kleines, "einen Cityflitzer" für Ammersbek, gebraucht und möglichst günstig. Sie informiert sich bereits seit Wochen im Internet und achtet draußen beim spazieren nicht auf Blumen, sondern auf Automodelle. Was nun das nächste Projekt sein soll, wenn das Auto gekauft ist, weiß sie noch nicht. Aber ihr fällt sicher etwas ein.