Opferverein teilt Pastor Haaks Vorwürfe im Ahrensburger Missbrauchsskandal nicht in allen Punkten

Ahrensburg. "Ich bin überrascht, dass am Sonntag so viele Menschen in den Gottesdienst gekommen sind. Das zeigt, dass das Thema sexueller Missbrauch die Menschen bewegt. Und es bringt die nötige Aufmerksamkeit", sagt Anselm Kohn. Vorbehaltlos einverstanden ist der Sprecher der Opferinitiative mit der Predigt von Helgo Matthias Haak jedoch nicht. Der Pastor hatte am Wochenende den Ahrensburger Missbrauchsskandal in den Mittelpunkt seines Gottesdienstes gestellt und die Kirchenleitung scharf angegriffen (wir berichteten).

Der Missbrauchsskandal sei zum nordelbischen Aufklärungsskandal geworden, hatte Haak beklagt. "Das ist seine Kritik an seinem Arbeitgeber, an der Nordelbischen Kirche", sagt Anselm Kohn, "aber mit unserem Thema hat das eigentlich nichts zu tun." Die Opferinitiative fordere ideelle und finanzielle Anerkennung und Prävention. "Und wenn schon Aufklärung, dann ordentlich", sagt Kohn.

So sei Kritik an der Kirchenleitung das eine, Kritik am Ahrensburger Kirchenvorstand das andere. Hier vor Ort müsse sich der Umgang mit dem Thema ändern. "Ich würde mir wünschen, dass es regelmäßig Veranstaltungen gibt, bei den sich die Menschen austauschen können. Denn das macht doch Gemeinde erst aus", sagt Kohn. Gespräche mit Einzelnen seien wichtig, könnten diesen offenen Umgang miteinander jedoch nicht ersetzen. Kohn: "Und wir brauchen niedrigschwellige Angebote für Opfer, die sich im Gespräch erleichtern wollen." Es reiche nicht, sich an Vorzeige-Opfer zu wenden, um belastendes Material für ein Disziplinarverfahren zusammenzubekommen.

Kollegin Anja Botta hat viele positive Reaktionen in der Gemeinde erlebt

"Pastor Haak ist sehr aktiv. Und wir sind sehr dankbar für jeden, der sich bedingungslos an unsere Seite stellt. Aber wir brauchen keine Sprecher, und wir sind keine kleinen Menschen, die man an die Hand nehmen muss", sagt Kohn. Auch der Appell, die Kirche sollte mit den Opfern endlich auf Augenhöhe sprechen, gehe ins Leere. Kohn: "Wir verhandeln bereits mit der Kirchenleitung. Dabei geht es auch um finanzielle Entschädigung. Ein schwieriges Thema. Wie soll man das bemessen?"

Die Gottesdienstbesucher hatten durchweg positiv auf Haaks offene Worte reagiert. "Genau das habe ich auch gehört", sagt Pastorin Anja Botta. Formulierungen wie "Das war höchste Zeit" und "Er hat es auf den Punkt gebracht" seien gefallen. Botta: "Die Predigt war nach allem, was wir hier erlebt haben, nur folgerichtig."

Der Aufforderung Haaks an Bischöfin Kirsten Fehrs und Bischof Gerhard Ulrich, die am nächsten Sonntag nach Ahrensburg kommen, schließt sie sich an: "Wir erwarten klare Aussagen und Angebote für die Missbrauchsopfer." Haak hatte von einem "Verantwortungsvakuum" gesprochen und falsche Strukturen beklagt: "Wenn ich etwas zu entscheiden habe, frage ich zuerst: Was ist zu tun? Danach frage ich: Wie werden die Reaktionen sein? Es gibt zu viele Leute, die immer zuerst fragen: Was macht es mit mir? Dann ist das Notwendige aus dem Blick. Das meine ich, wenn ich sage, unsere Kirche ist in Gefahr, sich aus der Nachfolge Jesu zu verabschieden."