Kahlschlag in der Waldgemeinde. Der Bau des Supermarktes im Wald hat begonnen. Eine Ansichtssache von Ralph Klingel-Domdey.

Stormarn. Wenn ausgerechnet in der Waldgemeinde Großhansdorf auf einer Fläche von 7000 Quadratmetern Bäume abgeholzt werden, damit ein Filialist einen Supermarkt im Wald bauen kann, dann ist das ungefähr so, als schütteten die Lütjenseer Teile ihres wunderschönen Sees zu. Der eine oder andere Anlieger würde Letzteres vielleicht sogar gutheißen. Schließlich könnte auf dem gewonnenen Land eine Startrampe für eine Wasserski-Anlage entstehen. Oder ein traumhaft gelegenes Ausflugslokal mit einer von drei Seiten mit Wasser umgebenen Terrasse. Hauptsache, es kommen Ausflügler und der Rubel rollt.

Ebenso finden auch Großhansdorfer Argumente für das 8,5-Millionen-Euro-Projekt an der Hansdorfer Landstraße. "Wenn Rewe dort dichtmacht, ist's hier zappenduster mit der Nahversorgung", lautet eines aus Politik und Bevölkerung. Ein Supermarkt könnte Sogwirkung für den Einzelhandel entfalten, ein anderes. Doch beides darf bezweifelt werden.

Dass Umweltschützer angesichts rüder Eingriffe in Flora und Fauna die Nerven verlieren, ist quasi ein Naturgesetz. Doch in Großhansdorf wächst auf Sicht sicher auch bei anderen Menschen der Unmut darüber, dass am Ende dieses Entscheidungsprozesses möglicherweise mehr aufs Spiel gesetzt wird, als es zu gewinnen gibt: der Charakter der Waldgemeinde.

+++ Wie denken Sie darüber? +++

Der massive Eingriff in die Natur am westlichen Eingang zum Ortskern ist sichtbar für jedermann, der nach Großhansdorf kommt. Schon heute hat das Zentrum sein liebenswertes, beschauliches Entree eingebüßt, obwohl vom geplanten Supermarkt mit 1500 Quadratmeter Fläche und einem Parkplatz für 100 Autos noch nichts zu sehen ist. Dort, wo früher ein Wäldchen wie selbstverständlich das Markante des grünen Ortes zu unterstreichen schien, ist jetzt Großbaustelle.

Es ist schwer vorstellbar, dass sich der Neubau ins gewohnte Bild einfügen wird. Dass Großhansdorf sich später noch so besonders anfühlt wie zuvor. Dass es nicht eines Tages so beliebig wird wie andere Kommunen, in denen Baumärkte und Supermärkte wie Pilze aus dem Boden geschossen sind und das Ortsbild entstellen. Darüber trösten auch die vom Investor versprochenen Fledermaus- und Brutvogelnistkästen, eine "insektenschonende Außenbeleuchtung" und Renaturierungen von Ersatzflächen nicht hinweg.

Die Würfel sind gefallen, der Kahlschlag ist vollzogen. Doch am Ende des Tages bleiben viele Fragen. War ein neuer Supermarkt dieser Größe wirklich notwendig, wo doch die Zahl der Einwohner in den vergangenen 20 Jahren gerade einmal um 403 Frauen und Männer auf aktuell 9220 angestiegen ist? Muss dieser Supermarkt ausgerechnet an dieser Stelle stehen? Wäre ein anderer, weiter vom Ortskern entfernter Standort nicht besser gewesen? Gräbt Edeka dem örtlichen Einzelhandel nicht doch das Wasser ab? Hat die Gemeinde schlussendlich sogar am Bedarf vorbei geplant, weil sich ganz in der Nähe an der Autobahnabfahrt 1 in einem neuen Gewerbegebiet bald neue Mitbewerber ansiedeln könnten? Ein Restrisiko bleibt, das wissen auch die Kommunalpolitiker. "Wer nichts verändern will, wird auch das verlieren, was er bewahren möchte", würden sie dem Wahlvolk im Zweifel frei nach Gustav Heinemann entgegenhalten. Auch Großhansdorf müsse seine Attraktivität stärken, sagt Bürgermeister Janhinnerk Voß. Mit ein paar Einzelhändlern werde der Eilbergweg nicht überleben können. Hoisdorf mitgerechnet, müssten schließlich rund 13 000 Menschen versorgt werden. Und es sei nun einmal Fluch und Segen zugleich, dass die Gemeinde kaum Gewerbegebiete ausweisen könne, ohne in die Natur vorzudringen, wo doch etwa 50 Prozent aller Flächen Landschaftsschutzgebiet seien.

Der Protest gegen den Supermarkt im Wald ist fast verstummt, sagt der Verwaltungschef. Mails, Briefe? Fehlanzeige. An der Hansdorfer Landstraße sind vollendete Tatsachen geschaffen worden. Doch über das Grundproblem wird kaum Gras wachsen. Neue Unruhe ist programmiert, zieht sich der kleine Rewe-Markt aus dem Ortskern zurück. Denn wenn dann Aldi, der Wunschkandidat des Bürgermeisters, an dieser Stelle einen neuen und größeren Supermarkt errichtet, werden zwei Fragen wieder und wieder gestellt werden: Hätten die Entscheider das nicht wissen können, bevor sie einen Supermarkt im Wald genehmigen? Und braucht Großhansdorf das alles wirklich? Ja, sagt Voß und beruft sich auf ein Gutachten, wonach der Ort sogar fünf Supermärkte vertrüge. Fünf Supermärkte? Armes, reiches Großhansdorf! Das wäre ja ungefähr so, als schütteten die Lütjenseer gleich die Hälfte ihres Sees zu.