Sybille Wehde ist eins von jährlich fast 900 Einbruchsopfern in Stormarn. Deshalb kann sie zu Hause vor Angst nicht mehr schlafen.

Barsbüttel. Zu Hause schlafen kann Sybille Wehde nicht mehr, schon seit dem 11. Januar dieses Jahres nicht. Da wurde in ihrem Einfamilienhaus eingebrochen. "Seitdem habe ich Panik", sagt sie. Sybille Wehde ist eine sympathische Dame von 69 Jahren. An dem Abend, an dem jemand durchs Badezimmerfenster im Erdgeschoss eingestiegen ist, hatte sie bei ihrer Enkeltochter eingehütet. Als sie nach Hause kam und die Eingangstür aufsperrte, stand die Flurtür offen. "Dabei schließe ich immer alle Türen und Fenster", sagt Wehde.

Bei der Polizei heißt das, was bei Sybille Wehde passiert ist, "Wohnungseinbruchsdiebstahl". Im Vorjahr gab es im Kreis Stormarn 866 solcher Taten, 2010 waren es 857. Das sind mehr als zwei Einbrüche an jedem Tag. Die Täter werden nur selten gefasst: Die Aufklärungsquote lag im Vorjahr bei 7,6 Prozent.

Wer bei Sybille Wehde eingebrochen hat, ist ebenfalls noch unklar. "Ich habe einen Verdacht, aber es ist ja nichts bewiesen", sagt sie.

+++ Rentnerin zum dritten Mal in diesem Jahr Einbruchsopfer +++

Die Großhansdorferin hat das Gefühl, dass die Fahnder ihren Fall nicht lösen werden. "Die Polizei hat gesagt: Die kriegen wir sowieso nicht", sagt sie. Die Beamten hätten nicht mal nach Fingerabdrücken gesucht. Das Opfer fühlt sich allein gelassen. "Es passiert gar nichts. Man bekommt nicht mal das Angebot, mit jemandem zu reden, einem Psychologen zum Beispiel, der einem hilft, damit fertigzuwerden."

Fertig werden muss sie damit, das sie Angst hat in ihrem Haus. Tagsüber ist alles in Ordnung. Aber sobald es draußen dunkel wird, sie die Jalousien herunterlässt und Licht anmachen muss, ist ihr unwohl. "Bei jedem Knistern fühle ich mich bedroht", sagt sie. Sie schläft seit Wochen bei ihrer Tochter. "Mein Enkelkind freut sich, dass ich so oft da bin, aber das ist ja kein Dauerzustand." Vor ein paar Tagen hat sie zum ersten Mal versucht, zu Hause zu schlafen. "Gegen zehn habe ich fluchtartig das Haus verlassen", sagt sie. "Ich habe immer das Gefühl, nicht allein zu sein."

Das kommt wohl auch daher, dass sie meint, die Einbrecher wären noch im ersten Stock gewesen, als sie heim kam. "Im Erdgeschoss, wo das Badezimmerfenster offen stand, war es schon ganz kalt, im Schlafzimmer hingegen war es noch nicht ausgekühlt", sagt sie. Sybille Wehde vermutet, dass die Einbrecher durch das ebenfalls offen stehende Schlafzimmerfenster geflüchtet sind. Dort, im Schlafzimmer, habe sie nun die größten Probleme, weil die Täter dort am längsten gewesen seien.

"Nirgendwo sonst stand auch nur eine Schublade auf", sagt sie. "Die wussten genau, wo sie suchen mussten." Deshalb geht sie davon aus, dass die Täter sich auskannten bei ihr. Woher sonst wussten sie, dass Wehde ihre Münzen, Uhren und den Schmuck in der Kommode im Schlafzimmer aufbewahrte? So weit die Theorie. "Es war nicht einmal ein Foto umgestoßen. Nur die kleine Engelsfigur lag umgefallen auf dem Nachttisch neben der Kommode."

Für Polizei und Versicherung hat sie in ihrer ordentlichen Handschrift eine Liste geschrieben, zwei karierte DIN-A4-Seiten voll. Der goldene Ring ihrer Großmutter steht darauf, und "1 Ehering (585), Jens Jürgen, ca. 5 mm breit" und "1 Ehering Sybille". Von einem goldenen Armband hat sie die Rechnung aufgehoben, von einer Uhr das Garantie-Zertifikat, da lässt sich der Wert feststellen. Aber bei vielen Schmuckstücken weiß sie den Preis nicht. Und die eigentliche Bedeutung lässt sich ohnehin nicht ersetzen.

"Mein geschiedener Mann hat mir immer viel Schmuck geschenkt, zur Geburt unserer Kinder zum Beispiel." Und erst der Ring ihrer Großmutter, den sie fast nie getragen hat. "Ich habe ihn oft aus der Schublade genommen und liebevoll an sie gedacht", sagt sie.

Nun hofft Wehde, dass die Versicherung den Verlust ersetzt. "Allerdings hatte ich vor zwei Jahren einen Wasserschaden, und weil die Versicherung nur so wenig zahlen wollte, klage ich noch heute gegen sie." Das stimmt nicht optimistisch.

In einem Zimmer des Hauses stehen noch Möbel durcheinander, ein Spiegel lehnt an der Wand. Das Wohnzimmer aber ist schon wieder gemütlich. An der Wand hängen Bilder von Jugoslawien, aus der Zeit, als es noch Jugoslawien hieß. Es stehen Blumen auf der Fensterbank, Enkelkind Nele lächelt von einem Foto. Daneben steht eine Postkarte. Drei Frösche sind darauf zu sehen. Und der Spruch: Mit einem guten Sinn für Humor lässt sich jede Lebensphase bewältigen. Daran glaubt Sybille Wehde. "Den habe ich auch wirklich noch nicht verloren", sagt sie. Trotzdem: Sie möchte mit ihrem Hausarzt darüber sprechen, was man gegen die Angst tun kann.