Das Abendblatt hat den krebskranken Jungen aus der Ukraine in Köln besucht. Der Tumor schrumpft. Leser spendeten mehr als 120 000 Euro.

Köln/Ahrensburg. An der Wand des Untersuchungszimmers hängen selbstgemalte Bilder, auf einem bunten Wandteppich sind Tiere abgebildet. Lachend greift Timofiy nach zwei Büffeln, die darauf grasen. Vertrauensvoll lässt er sich währenddessen von dem Kinderonkologen Dr. Matthias Fischer die Brust abhören.

Seit einigen Wochen erhält der 21 Monate alte Junge aus der Ukraine eine Chemotherapie auf der Kinderkrebsstation des Kölner Uni-Klinikums Köln. Und die zeigt erste Erfolge. Wie berichtet, war Timofiy mit seiner Mutter Olga Kozlova im Dezember aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, um seinen hier diagnostizierten Nierenkrebs behandeln zu lassen. In der Ukraine hatten Ärzte mehrfach Fehl-Diagnosen gestellt, sodass sich der Zustand des Kindes mehr und mehr verschlechterte.

Zunächst lebten Timofiy und seine Mutter bei Freunden in Ahrensburg, bis der Junge im Kölner Uni-Klinikum aufgenommen wurde. Um die Behandlung zu finanzieren, spendeten Abendblatt-Leser innerhalb kürzester Zeit mehr als 120 000 Euro für die teure Therapie. "Ich bin so dankbar für die großartige Unterstützung", sagt Olga Kozlova.

Nun hat das Abendblatt Timofiy in Köln besucht und erlebt, wie Ärzte, Krankenschwestern und ehrenamtliche Mitarbeiter ihm und seiner Mutter dabei helfen, die Krankheit zu bekämpfen. Erst vor wenigen Tagen kam die gute Nachricht: "Die Behandlung schlägt an. Eine Ultraschalluntersuchung hat gezeigt, dass der Tumor deutlich schrumpft", sagt der Kinderonkologe Dr. Matthias Fischer, der Timofiy behandelt. In der linken Niere sei schon nichts mehr von den Geschwüren zu erkennen. Wahrscheinlich leidet Timofiy an Nephroblastomatose, einer Vorstufe von Nierenkrebs (Nephroblastom). Die Krankheit ist äußerst selten. Fischer: "Es gibt zu wenig Fälle um eine signifikante Aussage zu den Heilungsaussichten machen zu können." Zum Nephroblastom selbst sagt der Mediziner jedoch: "Die Chancen stehen im allgemeinen gut. Bei weitem die meisten Kinder werden wieder gesund."

+++ Im "Elternhaus" können zurzeit 15 Familien wohnen +++

Alle zwei Wochen bekommt Timofiy Chemotherapeutika verabreicht. "Die Dauer der Behandlung ist für ein Jahr angesetzt. Wir überprüfen, ob der Tumor weiter schrumpft. So lange das der Fall ist, operieren wir nicht", sagt Fischer. Auch wenn bei Timofiy eine relativ milde Chemotherapie angewandt werde, dürfe man nicht vergessen, dass sie trotzdem eine große Belastung für ein kleines Kind darstelle. "Bisher verläuft die Therapie allerdings recht erfreulich", sagt der Arzt. "Timofiy verträgt die Medikamente verhältnismäßig gut und die Behandlung schlägt an."

Ein gutes Zeichen sei es, dass Timofiy die meiste Zeit im "Elternhaus" bleiben könne und nicht auf die Station verlegt werden müsse. Das "Elternhaus" ist eine Wohn-Einrichtung für Familien schwerkranker Kinder in der Nähe der Kinderonkologie. Dort wohnen Timofiy und Olga Kozlova in einem kleinen Apartment. Das Zimmer ist mit einem Spiel-Teppich ausgelegt, in einem Gitterbett stapeln sich Kuscheltiere. Zum "Elternhaus" gehören außerdem eine Gemeinschaftsküche und Aufenthaltsräume, in denen Timofiy mit anderen Kindern spielt. Die Kosten für die Unterkunft werden auch durch die Spenden der Leser und den Abendblatt-Verein "Kinder helfen Kindern" finanziert.

"Timofiy ist ein unglaublich offenes und zugängliches Kind", sagt Dirk Zurmühlen, der das Haus gemeinsam mit Andrea Tepe leitet. "Er lacht viel und tanzt gern." Auch sei Timofiy für sein Alter schon weit entwickelt. "Wir sind sehr froh, dass Timofiy in Köln behandelt wird", sagt Olga Kozlova. "Die Umgebung ist sehr familiär, wir fühlen uns geborgen." Dirk Zurmühlen und Andrea Tepe seien für die Eltern da. "Sie versuchen immer zu helfen und interessieren sich für jedes Kind."

"Wir unterstützen die Eltern, reden mit ihnen und kümmern uns auch um Geschwisterkinder", sagt Zurmühlen. Einmal in der Woche organisieren die Mitarbeiter einen Hausabend. "Dann laden wir die Familien ein und kochen für sie", sagt Zurmühlen. "So können sie sich auf zwanglose Art kennenlernen und austauschen."

Der Kontakt zu anderen Familien ist auch Olga Kozlova wichtig. "Wir sprechen zwar verschiedene Sprachen, aber wir verstehen einander trotzdem, weil wir alle die gleichen Sorgen haben", sagt sie. Denn die Behandlung ist anstrengend für Timofiy. Immer wieder leidet er unter Übelkeit, Fieber und Gleichgewichtsstörungen. Auf seinem Bauch klebt ein großes Pflaster, unter dem sich ein Schlauch verbirgt. "Der Katheter führt durch die Bauchdecke über die Brust zu einer dicken Vene", sagt Fischer. "Er kann bis zu einem Jahr dort bleiben. Dadurch müssen wir Timofiy nicht jedes Mal stechen, wenn wir ihm die Medikamente verabreichen." Er habe schon Kinder aus dem Ausland erlebt, die durch ständige Injektionen regelrecht traumatisiert gewesen seien.

Vor einigen Tagen bekam Timofiy über seinen Katheter eine Bluttransfusion. Sein Thrombozytenwert war auf 13 000 gesunken. Normal sind 150 000 bis 500 000. Mittlerweile liegen die Werte wieder in diesem Bereich. "Wir hoffen, dass nach der anstrengenden Behandlung alles wieder gut wird", sagt seine Mutter. Sie ist froh über die Unterstützung von Ärzten und Schwestern der Kinderonkologie. Auf der Station gibt es auch ehrenamtliche Helfer, die mit den kleinen Patienten spielen und sie aufmuntern. "Alle Mitarbeiter sind eine große Hilfe für uns."

Ein Übersetzer hilft der Familie bei der Verständigung und kümmert sich um die Visumsverlängerung. Weil Timofiy im Krankenhaus behandelt wird, bekommen er und seine Mutter eine Aufenthaltsgenehmigung für die Dauer von einem Jahr. Sobald es wärmer wird, wollen Timofiy und Olga Kozlova in Begleitung ihres Dolmetschers Köln angucken. Zurzeit sind große Menschenmengen wegen der Infektionsgefahr noch ein zu großes Gesundheits-Risiko. Einen Tierpark, der in der Nähe der Klinik gelegen ist, hat Timofiy schon einmal mit seiner Mutter besucht. Die 36-Jährige sagt: "Frische Luft tut ihm nach der Behandlung gut."

In zwei Wochen steht erst einmal eine ganz besondere Überraschung für Timofiy an. "Mein Mann und unser älterer Sohn kommen uns besuchen", sagt Olga Kozlova. Seit Dezember hat die Familie sich nicht mehr gesehen. "Wir haben große Sehnsucht." Ein besonders schöner Tag soll der 5. April werden. Dann haben Timofiys Mutter und sein Bruder, der 13 Jahre alt wird, Geburtstag. Olga Kozlova: "Wir freuen uns alle sehr auf das Wiedersehen."